This is areproduction of a library book that was digitized
by Google as part of an ongoing effort to preserve the
information in books and make it universally accessible.
Google books
https://books.google.com
Google
Über dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun Öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei — eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nutzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern dıe Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sıe sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|http: //books.google.comldurchsuchen.
WIDENER
Im
HN dFCS C
T Saar. 2809 u
eu
; ee IN
g
fi N A
N \
2 \
! \ NTAS| | N } j
\ \ Ä ;
N, MM m
N |
N / j LER
BOUGHT WITH MONEY
RECEIVED FROM THE
SALE OF DUPLICATES
{
en
s.
#
pr
eu
}
N
Digitized by Google
5 ER ER SEP 14 1932
u |
: ”- -L B R A RN
"MITTEILUNGEN DER
v
_
E
nz
I ISLANDFREUNDE
ORGAN DER VEREINIGUNG
DER ISLANDFREUNDE
%
AN) SIE,
IHM LEEREN
TITFTRNTENTNIT ESS: S\
JAKAAARAAA GT RR
AK LRARAALZ RR
DRTTTRRTTERF
ITTATTErIET
Tertereeeeen
ka .
“
‘ E
E o
d
a
.
”
«
nr
in
TV. JAHRG. JULI 1916 HEFT 1
= VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS.IN JENA
ze
2 Kai
a
Inhalt
| Seite
I. J. C. Poestion, Christiane Johanne Schütz „Die schöne Is-
länderin: : 2... Am ler ee ee I
II. W. Heydenreich, „Allgemeine Pflichtarbeit“ (BEGN-
SKY.LDUVINNA) aubIsland = 2 2 ep ge 14
III: Heinrich Erkes,- Islands Klima 27 Fzu2 See 23
IV. Über J. C. Poestions vorbereitete Arbeiten . .......... 25
V.- Nachrichten aus Island #22 2 rss ee re 26
VI. Jahresbericht über das Geschäftsjahr 1915/16 ....... er |
An unsere Mitglieder
Da mit dem vorliegenden ersten Hefte des vierten Jahr-
ganges unserer „Mitteilungen“ zugleich unser
neues Geschäftsjahr — ı. Juli 1916/17 —
beginnt, gestatten wir uns dem Hefte ein Postscheck-
formular beizulegen, mittels dessen wır den für das ge-
nannte Geschäftsjahr fälligen Jahresbeitrag mit M 6.—
an unseren Kassenwart, Herrn Eugen De Jena,
einzusenden bitten.
Die Mitglieder, die noch mit Zahlung Aires Beitrages
für das vergangene Geschäftsjahr im Rückstande sind,
bitten wir, den entfallenden Betrag ebenfalls an die ge-
nannte Adresse einzuzahlen. ;
Nur durch pünktliche Erfüllung dieser Bitten setzen uns
die geehrten Mitglieder in die angenehme Lage, die
„Mitteilungen der Vereinigung“ auch weiterhin erschei-
nen zu lassen. %
Digtzed ı, (FOOgLE 3 2
MITTEILUNGEN DER
ISLANDFREUNDE
ORGAN
DER VEREINIGUNG DER ISLANDFREUNDE
HERAUSG.: PROF. DR. W.HEYDENREICH IN EISENACH U. DR.H. RUDOLPHI
IN LEIPZIG f VERLAG VON EUGEN DIEDERICHS IN JENA
. Die Mitteilungen der Islandfreunde erscteinen als Vierteljahrsschrift und
werden den Mitgliedern der Vereinigung kostenlos geliefert und vom Verlage
zugesandt. Der Mitgliederbeitrag beträgt jährlich 6 Mark
IV. Jahrg. Juli 1916 Heft 1
I. CHRISTIANE JOHANNE SCHUTZ, GEB. BRIEM,
„DIE SCHÖNE ISLÄNDERIN“
Erweiterter Abschnitt aus einem Kapitel von Poestions ungedrucktem Werke über seine
Islandreise (‚Im Tal der Inseln-Förde‘‘) |
| NN dem Hofe Grund (an der unteren Eyjafjardarä) erblühte von 1815— 1823
ein isländisches Mädchen, das später durch seine Schönheit, Anmut und
Bildung in Dänemark, Italien und Deutschland Aufsehen erregte und die
Lebensgefährtin eines deutschen Gelehrten wurde, dessen Name in ganz
Deutschland und Deutsch-Österreich bekannt, ja populär geworden ist.
Da sie auch selbst, wenngleich passiv, nämlich als Gegenstand literarischer
Behandlung und dichterischer Huldigung, eine gewisse Rolle in der dänischen
Literaturgeschichte spielt und ihr Name nun auch mit dem großen öster-
reichischen Dichter Grillparzer in Verbindung gebracht worden ist, verdient.
sie es wohl, daß ihr seit Langem verblaßtes Andenken wenigstens an dieser
Stelle für meine deutschen Zeitgenossen wie auch für die Isländer ein wenig
aufgefrischt werde. Zunächst soll jedoch ihrer Eltern gedacht sein, die selbst
wahre isländische Prachtmenschen ihrer Zeit waren und als solche auch
in der damaligen Reiseliteratur über Island geschildert werden. |
Der Vater war Gunnlaugur Guöbrandsson, geboren 1773 als Sohn eines
Pastors auf klassischem isländischen Grund, nämlich dem Hofe Brjäms-
lekur oder Brjänslskur, nach dem er sich später Briem nannte; denn hier
überwinterte bekanntlich Hrafna-Flöki, der dritte Entdecker Islands,
welcher der Insel auch ihren bleibenden Namen gab. Väterlicherseits
stammte er im 9. Gliede von Bischof :Jön Arason, der letzten Helden-
gestalt Islands, im 27. Gliede von König Harald Schönhaar. Eı kam 1788
1 | 1.
nach Kopenhagen, um ein Handwerk zu lernen, zeigte große Lust zur Bild-
hauerei und besuchte deshalb sieben Jahre lang die ‚Kunstschule‘, wo er
mit Bertel Thorvaldsen, dessen Vater bekanntlich ein Isländer war, be-
kannt und befreundet wurde. Beim Abgang von der Schule erhielt er die _
silberne Ehrenmedaille. Obwohl also in dieser Kunst sehr tüchtig, studierte
und absolvierte er hierauf doch Jus. 1799 nach Island zurückgekehrt, be-
trat er die Beamtenlaufbahn und heiratete I800o Valgeröur, die wegen ihrer
Schönheit gerühmte Tochter des Probstes Arni Sigurösson auf Breiöaböl-
stadur (Skögarströnd in der Snzfellsness-Sysla), eine Schwester des auch
in der dänischen und in anderen europäischen Literaturen wohlbewanderten
klassischen Philologen Päll Ärnason (dänisch Poul Arnesen), nachmaligen
Rektors der gelehrten Schule zu Fredericia, von 1817 an Lehrer an der
„Bürgertugend-Schule‘ zu Kopenhagen, der bekanntlich (1830) ein ‚„Grsk-
dansk Ordbog‘“ zum Gebrauche für die studierende Jugend (das erste in seiner
Art in Dänemark!) und später auch ein „Ny latinsk Ordbog‘‘ (1845—48)
herausgegeben hat und dessen Tochter die hoch-, auch künstlerisch-gebildete
dänische Schriftstellerin Benedikte Arnesen-Kall (1813—ı895) war. Im
‚Jahre 1805 wurde Briem Syslumaöur der Vaöla- (d.i. Eyjafjardar-) Sysla.
Als solcher wohnte er von 1807 bis 1815 auf dem ebenfalls im Eyjafjaröar-
dalur aber weiter nördlich als Grund gelegenen Hofe Kjarni, dann von 1815
an bis an sein Lebensende auf Grund, wo das junge Ehepaar schon 1800
seinen ersten Wohnsitz aufgeschlagen hatte, den esaber 1801 wieder hatte auf-
geben müssen. Im Jahre 1804 erhielt er den Titel eines ,‚Kammersekretärs‘,
1816 den eines „Kammerrates“. Er war ein sehr tüchtiger und gewissen-
hafter, vielleicht allzu bureaukratischer Beamter; ganz besonders wurde
seine Gerechtigkeit als Richter gelobt. Als 1809 der dänische Abenteurer
‚Jörgensen sich die Herrschaft über Island anmaßen wollte, blieb er seinem
König treu und legte — korrekter als manche seiner Berufsgenossen —
vorübergehend sein Amt nieder, wurde aber von dem „Hundstagekönig“
trotzdem sehr freundlich behandelt. Er war auch ein ausgezeichneter Mathe-
matiker und beherrschte Deutsch in Wort und Schrift, wie seine Muttersprache!.
Ebenezer Henderson machte bekanntlich im Jahre 1814 die „sehr inter-
essante und wertvolle Bekanntschaft‘ mit Briem, der damals noch auf
Kjarni wohnte, und lernte auch Frau Briem und die Familie kennen, ‚die
alle etwas Interessantes in ihrem Äußeren hatten‘. Der-ganze Hausstand
betrug zwanzig Personen. Henderson spricht über den Hof und den Garten,
über einzelne Zimmer, die Übungen des häuslichen Gottesdienstes usw.
und verweilt besonders auch bei den vortrefflichen Büchersammlungen der
MESEENIEE SAN 21V HEEALEE AB EEBERIRRERIR SESPREAE SEE EEE EEE LEI EINE SERIEEERDEORERINEREE BE ERTENN EL NELDEESEHNRRERSEHHRHERER RER U a
1 Vgl. Thienemann und Günther „Reise im Norden Europas, besonders in Island, in
den Jahren 1820 und 1821", II. Abteilung, S. 122—124.
2
nn m
Tr. ‘
beiden Ehegatten. Die des Sysselmannes bestand aus zwei Abteilungen,
von denen die eine Bücher über Rechtsgelehrsamkeit, Staatswirtschaft usw.,
die andere Bücher vermischten Inhalts, aber lauter verdienstvolle und wich-
tige Werke enthielt. Die Bibliothek der Frau Briem befand sich eine Treppe
hoch in einem eigenen niedlichen, wohleingerichteten Zimmer und bestand
ungefähr aus ıIoo Bänden zumeist erbaulichen Inhalts; denn Frau Briem
war durch ihre Frömmigkeit ausgezeichnet, und außer der Sorgfalt, die sie
auf die Führung des Haushaltes einer zahlreichen Familie verwendete, wid-
mete sie einen ansehnlichen Teil der Zeit der Erziehung ihrer Kinder und
der Ausbildung ihres eigenen Geistes!. Thienemann und Günther besuchten
die Briems im Herbste 1820 auf Grund, und der Erstere berichtete über den
damaligen Zustand des Hofes und die Herrenleute: ‚Herr Kammerrat Briem
hat seinen Sitz zu Grund, welches im Tale fort 3 Meilen von Akureyri liegt,
und wo Alles nach Landessitte, aber auf die beste Weise eingerichtetist. Das
Wohnhaus ist aus dicken Rasenplatten erbaut, aber die Wände ganz glatt
behauen. Die Wohnstube ist mit Brettern ausgeschlagen und lackiert, was
bei der steten Feuchtigkeit gewiß am Vorteilhaftesten ist. Die Eingänge
des Hauses sind mit sinnreichen Inschriften, die Herr Briem sehr schön in
Holz geschnitten hat, geziert, die den ganzen Geist des Hausvaters bezeich-
nen. Über dem einen steht deutsch: „Nicht prächtig aber zierlich, nicht
kostbar doch manierlich“. Unweit des Hauses ist ein Gemüsegarten ange-
bracht, welcher fleißig bearbeitet wird und Kartoffeln, Rüben, Kohl, Kresse
und dgl. liefert. Die allgemeine Wohnstube des ganzen Hausstandes ist
ebenfalls mit Brettern verschlagen, gedielt und mit Fenstern versehen. Noch
ist ein besonderes Zimmer zur Bibliothek, welche sehr reichhaltig ist und
Bücher aus allen Fächern menschlichen Wissens, besonders viele deutsche
enthält. Der Lieblingsschriftsteller von den Deutschen war ihm nach Luther
Gellert, und wir deshalb als Sachsen und Landsleute derselben, ihm be-
sonders empfohlen. Die Gemahlin des Herrn Kammerrates ist eine ebenso
treffliche Gattin und Mutter, und die Herzensgüte ein Hauptzug des leb-
haften wirklich schönen Gesichtes, welches, obgleich sie Mutter einer zahl-
reichen Familie ist, deren älteste Glieder schon lange erwachsen sind, doch
noch eine jugendliche Frische erhalten hat, welche durch nichts mehr ge-
hoben wird, als durch den Abglanz der Seelenreinheit und Frömmigkeit?.
Gunnlaugur Briem starb im Jahre 1834. Jön Jönsson, Pastor für Grund
und Mööruvellir, schrieb seine Biographie (,‚Agrip af Efisögu Gunnlaugs Guö-
brandssonar Briem‘), die 1838 zu Kopenhagen imDruck erschien und auch
eine poetische Totenklage (‚Brims minning‘‘) auf ihn von dem bekannten
! Iceland, I. S.. 85—87; deutsche (oft recht ungeschickte) Übersetzung von Franceson,
® & er
S. 134—ı137. ® Thienemann und Günther, a. a. O. S. 124—125.
ı* j 3
isländischen Gelehrten Finnur Magnüsson enthält, der eine Zeit lang mit
ihm in Kopenhagen zusammengewohnt hatte!, Frau Valgeröur überlebte
ihren Mann um viele Jahre und verblieb auch weiterhin auf Grund, wo
sie 1872 im Alter vom 94 Jahren starb und mit ihrem Manne begraben liegt.
„Ihr Name hatte mehr als ein halbes Jahrhundert hindurch die interessan-
teste und poetischeste Frauengestalt des Nordlandes bezeichnet,‘“ schrieb
ihre Nichte Benedikte?. Wie angesehen und beliebt sie war, bewies u.a.
der Umstand, daß zu ihrem Begräbnis nicht weniger als I80 Personen er-
schienen. |
Ein Portrait des Kammerrates (Brustbild) aus jüngeren Jahren nach einer
Lithographie, der ein Selbstportrait in Öl zugrunde liegen soll, findet sich in
Dr. Jön Porkelssons ‚Saga Jörundar Hundadagaköngs‘®, ein Brustbild seiner
Frau im Alter von go Jahren und in isländischer Alltagstracht (nach einer
Photographie Tryggvi Gunnarssons) ebenfalls in der Jörundarsaga und —
dieser entnommen aber ohne Namen — in späteren Schriften über Island.
Die beiden trefflichen Menschen hatten zehn Kinder, von denen aber
drei ganz jung starben; sie wurden die Stammeltern des angesehenen Ge-
schlechtes der Briems, das bereits eine Anzahl hervorragender Männer auf-
zuweisen hat. Von den Söhnen haben sich Olafur Eggert, der Bau-Zimmer-
meister wurde und auf Grund wohnhaft blieb (1859), wegen seines un-
gewöhnlichen Talentes im Improvisieren von Versen (vgl.z.B. „Mitteilungen
der Islandfreunde‘, 2. Jahrg., S. 37—39), Eggert Olafur, von 1848—48 eben-
falls Syslumaöur der Eyjafjaröar sysla mit dem Wohnsitz auf Espihöll als
ı Vgl. über Gunnlaugur Briem auch Bogi Benediktssons ‚„Syslumannazfir“, I., S. 286
bis 290 u. ö., dann Jön Porkelssons „Saga Jörundar Hundadagaköngs““, S. 61—64 u. ö,,
Espolins „’Arbakur’Islands“. X.a.v.O. ?Benedikte, Smaaskizzerfraen Islandsreise Som-
meren 1867‘, I., S.252; vgl. auch das daselbst (S. 250—253) über Frau Valgeröur als 87-
jährige Greisin Gesagte und ein Gedicht auf sie von Benedikte. Diese war, wie sie mir
1895 schrieb, im Jahre 1875 nochmals auf Island, hat darüber jedoch.nichts veröffentlicht.
® Ein Portrait ‚Gunnlaugur Briem, Islandais de Reykjavik‘ mit der Signatur: Maurer
d’apres Durupt befindet sich auch im ‚‚Atlas zoologique medical et g&ographique‘‘ (De
l’homme, Pl. 2) zu Gaimards ‚Voyage en Islande et en Groenland, ex&cut& pendant les
annees 1835—1836°. An diesem sehr hübschen Bilde ist die feine künstlerische Aus-
führung, das noch sehr jugendliche und elegante Aussehen Briems sowie die Bezeich-
nung „lIslandais de Reykjavik“ auffallend. Briem hielt sich nur um 1802— 1803, also
schon als Dreißiger, längere Zeit in Reykjavik auf, während Gaimard erst 1835 und
1836 dahinkam. Nach einer Mitteilung des Bibliothekars Halldör Briem in Reyk-
javfk soll dieses Portrait von Gunnlaugurs zweitgeborenem Sohne Kristjän Gunnlaug-
ur (so und nicht Kr. Jöhann, wie er in Syslumannazfir a. a.O. genannt ist, hieß
er) herstammen, der 1802 geboren wurde, das Tischlerhandwerk erlernte, sich eine
Zeitlang in Kopenhagen und Deutschland aufhielt und dann dauernd in Paris nieder-
ließ (f um 1840). Die Zeichnung (Skizze?) Kristjäns war dann wohl Durupt in
die Hände gekommen, von diesem verbessert und von Maurer weiter ausgeführt, ver-
jüngt und überhaupt idealisiert worden, wie esja bekanntlich bei den meisten Bildern
des Gaimardschen Reisewerkes der Fall war.
A
verdienstvoller Beamter (}1894) und Jöhann Kristjän (} 1894) als besonders
tüchtiger Geistlicher (‚die Stütze und Zierde seines Sprengels und Ehre
der isländischen Kirche‘) hervorgetan. Von den Enkeln sind zu nennen:
die Brüder Valdimar [Olafsson] Briem (geb. 1848), Weihbischof und be-
kannter Dichter geistlicherLieder, Eggert Ollafsson] „Brim‘, gleichfalls ein
tüchtiger Geistlicher und Schriftsteller (Verfasser des geschichtlichen Dramas
„Gizurr Thorvaldsson‘), f 1893; dann die Brüder Professor Eirikur [Egg-
ertsson] Briem, geb. 1848, ehem. Dozent an der theologischen Schule, nam-
hafter Politiker, Inspektor der Nationalbank; Schriftsteller, und Halldör
[Eggertsson] Briem, geb. 1852, gleichfalls Theologe, 1876 nach Amerika
ausgewandert, wo er die erste isländische Zeitung herausgab, jetzt Beamter
der Landesbibliothek zu Reykjavik und vielseitiger Schriftsteller, Pal Jakob
[Eggertsson] Briem, geb. 1856, f 1904, der letzte Amtmann für das Nord-
und Ostamt Islands, von 1897—ıgor Herausgeber der juristischen Zeit-
schrift „Lögfreding“, Sigurdur (Eggertsson) Briem, geb. 1860, Postmeister
von Reykjavik und Oberpostmeister von Island, und Eggert Ölafur [Eggert-
son] Briem, geb. 1867, früher Departementchef im isl. Ministerium, jetzt
Oberrichter beim isländischen Oberlandesgerichte — um nur der bekannte-
sten zu gedenken. — Die zweite Tochter von Gunnlaugur und Valgeröur
Briem, Jöhanna Kristiana, wurde die Großmutter des ersten isländischen
Ministers für Island und hervorragenden Dichters Hannes Hafstein. —
Kristiane Johanna (Kristiana Jöhanna), über die ich hier nun einiges mit-
teilen will, wurde am 20. Jänner 1805 als die erste Tochter des Ehepaares
geboren, jedoch wohl nicht auf dem altberühmten Hofe Grund, nach dem sie
später benannt wurde (,, Johanna von Grund‘), sondern auf Ärnarbeli ä Fells-
strönd in der Dalasysla im Westlande, wo ihrVater, damals Matrikel-Kommis-
sär, seine Familie von 1804—1807 untergebracht hatte!. Sie erhielt natürlich
eine gute Erziehung, lernte auch schon Dänisch und dgl. „Als ızjähriges Kind
nahm ihr Vater sie nach Kopenhagen mit. Während eines mehrmonatigen
Aufenthaltes hier sog sie, uns jetzt wo die Kommunikationen sind, beinahe
unfaßliche Vorstellungen vom .Leben in der dänischen Hauptstadt ein, die
sich für sie als eine Stadt aus lauter Palästen zeigte. Das hübsche isländische
Kind in der hübschen isländischen Tracht wurde natürlich in dem Um-
gangskreise des Vaters vergöttert und zu allem geführt, was das damalige
Kopenhagen an Vergnügungen bieten konnte; es sah den König Friedrich IV.
in vergoldeter Kutsche mit Läufern und Fackeln vor dem Wagen fahren
und glaubte fest und steif, daß die Musik, die sie während dieses Aufzuges
ee SE BERGE DREH PESEREBEEFOER. SRENEEEHEERGEERRDENGE SrEL SE VE EEEEENENEEREREREHEIEEEPRHEREERHRELECER SER ESSENER
' J6n Jönsson, Agrip af Aifisögu Gunnlaugs Guöbrandssonar Briem, S. 5. — Icher-
wähne dies besonders, weil selbst Prof. Dr. Harald Schütz, ein Sohn Christianes
mir geschrieben hat, daß seine Mutter „zu Grund‘ geboren worden sei,
hörte, von diesen Fackeln kam: kurz und gut, sie faßte alles, was sie sah und
hörte, vom Standpunkt eines Naturkindes auf und kam infolgedessen in
ihre Heimat nach Grund zurück mit dem Kopfe voll von einer Welt, die in
direktem Gegensatz stand zu dem stillen Leben, in dem sie wie andere is-
ländische Beamtentöchter jener Zeit im Sommer die Schafe hüten, im Win-
ter die Wolle zupfen und auf die Saga-Vorlesung hören sollte. In den folgen-
den Jahren entwickelte sich bei dem einst in der Heimat so glücklichen
Kind ein brennendes Verlangen, wieder in die Stadt mit den großen Palästen
und den vielen Herrlichkeiten zu kommen‘!. Da dieses Verlangen in ihrem
18. Jahre einen krankhaften Charakter anzunehmen begann, leitete ihr Vater
Verhandlungen mit seinem Freund und Vetter, dem Universitätsprofessor
Börge Thorlacius ein, daß Christiane etwa ein Jahr lang in seinem Hause
sein dürfe, was gern zugestanden wurde. So kam sie denn (1823) abermals
nach Kopenhagen und wurde hier zuerst von der Familie ihres Onkels Poul
Arnesen in Empfang genommen.
Ihre um neun Jahre jüngere Kousine Benedikte (s. oben) schildert den
Eindruck, den sie von der Erscheinung und dem ersten Auftreten der damals
ı8jährigen Isländerin in Kopenhagen erhielt, wie folgt: „So kam also Jo-
hanna? zu uns. Auf diese Weise erhielten ihre zukünftigen Pflegeeltern
Gelegenheit, das schöne Naturkind zu sehen und sich für dasselbe einnehmen
zu lassen, während meine Mutter Zeit bekam, ihre Tracht zu kopenhageni-
sieren und ihre etwas harte Aussprache des Dänischen zu verbessern. Das
ging sicher alles sehr schnell und das war wohl auch notwendig. Aber ich
erinnere mich noch deutlich daran, daß ich mich in meinem stillen Sinn
über jede Veränderung, die mit der herrlichen Gestalt vorgenommen wurde,
tief betrübte, und bis auf den heutigen Tag macht es mir ein Vergnügen,
mich daran zu erinnern, wie sie direkt vom Schiffe kam — in ihrer isländischen
Tracht mit der dicht anliegenden schwarzen Tuchjacke und dem schwarzen
Filzhütchen, unter dem die reichste und herrlichste goldbraune Haarfülle
wogte, wie ich sie niemals sonst weder auf Gemälden noch auf lebenden
Menschen gesehen habe. Und dazu strahlte ein Paar große, dunkelblaue,
unergründliche Augen, die derjenige, der einmal seinen Blick in sie gesenkt
1 So Benedikte Arnesen-Kall, Livserindringer, 5. 4546. Benedikte umgab ihre
isländische Kousine vom ersten Tag ihres zweiten Aufenthaltes in Kopenhagen an, so-
lange dieselbe dort weilte, und war somit auf das Genaueste über ihre Verhältnisse unter-
richtet. Christianes Tochter, Frl. Emma Schütz, schrieb mir abweichend von diesem Be-
richte: „Meine Mutter kam schon als ıo jähriges Kind nach Kopenhagen in eine befreun-
dete Familie, da sie das Klima in Island nicht vertragen konnte. — Nach einigen Jahren
versuchte man noch einmal, sie wieder in Island zu akklimatisieren; doch glückte es nicht.
Nun kam sie in das Haus des Etatsrates Thorlacius und seiner Frau.‘ ? So wurde
sie immer von B, Arnesen-Kall und dann später von ihrem Manne genannt. Johanna
Christiana hieß vielmehr ihre Schwester (s. oben).
6
hatte, kaum jemals vergessen konnte.‘ (Livserindringer 1814—ı857, S.
46—47).
Nach kurzer Zeit schon hatte Christiane den nötigen Schliff erhalten,
um in das Haus Thorlacius eintreten zu können. Es war dies ein vor-
nehmes Professoren-Heim mit feinen Möbeln und allerlei Komfort; man
hielt sogar nach gutem alten Professoren-Brauch aus Holbergs Zeit Pferd
und Wagen. Der damals 48 Jahre alte Hausherr, Etatsrat Börge Risbrigh
Thorlacius, Ritter des Dannebrog, Sohn des auf dem Hofe Teigur auf Island
geborenen Professors und Rektors an der Metropolitanschule zu Kopen-
hagen Sküli Thorlacius (f 1815) und selbst noch auf Island begütert, war
in seiner Stellung hochangesehen, dabei aber ein so gelungenes Original eines
Gelehrten, daß man sich ihn ein wenig näher besehen muß. Als Professor
der lateinischen Sprache an der Universität bestallt, hielt er eine Zeitlang
auch theologische Vorlesungen und beschäftigte sich mit altnordischer
Literatur. Obwohl er kein bedeutendes wissenschaftliches Werk, sondern
nur Programm-Abhandlungen geliefert hatte, mehr Sammler, Bearbeiter
und Mitteiler und auch weder besonders scharfsinnig oder genial war, stand
er wegen seiner Gelehrsamkeit doch in großem Rufe. Er war ein zier-
liches Männchen, sehr korrekt und auch streng, weil er selbst sehr streng
erzogen worden war. Erzählte er doch selbst z. B. seinen Studenten mit
Vorliebe, daß er noch als Lateinlehrer mit 25 Jahren an der Metropolitan-
schule von seinem Vater, dem Rektor, vor allen Schülern eine Ohrfeige er-
halten habe, weil er sich die sträfliche Bequemlichkeit zu schulden kommen
ließ, den Schülern eine Aufgabe zu diktieren, die er einst selbst auszuarbeiten
hatte! Er war auch schon frühzeitig ein recht zerstreuter Herr. An seinem
Hochzeitstag arbeitete er in der elterlichen Wohnung gerade an einer ge-
lehrten Abhandlung und war in diese so vertieft, daß er vom Schreibtisch
weg zur Trauung geholt werden mußte, und nach dieser vergaß er wieder,
daß er nun verheiratet sei, und eilte vom Hochzeitsmahle weg in die elter-
liche Wohnung zurück und schrieb an seiner Abhandlung weiter, bis er
spät in der Nacht von einem Bruder seiner Frau aufgesucht und in die eigene
Wohnung des jungen Ehepaares geführt wurde!. Die Ehe war aber doch
ganz glücklich, wie man wohl auch daraus ersehen kann, daß der Professor
jedes Jahr am Gedenktage seiner Verlobung seiner Frau neuerdings einen
goldenen Verlobungsring ‚verehrte, so daß diese bis zu ihrem Lebensende
nicht weniger als 27 solcher Ringe erhielt. Die Frau Etatsrat, eine geborene
Kall, war im Gegensatz zu ihrem Herrn Gemahl eine stattliche Erschei-
1 Vgl. Benedicte Arnesen-Kall, Livserindringer, S. 5258, wo auch die köstliche Ge-
schichte erzählt wird, wie Thorlacius um seine Frau geworben hat oder vielmehr den
Vater für ihn wwrber le, OO. 2 Ä
7
nung, höchst intelligent, geistvoll, dabei auch sehr hübsch und eine umsich-
tige Hausfrau. Das Ehepaar blieb kinderlos, und die Frau hielt sich daher
eine Gesellschafterin. Diesen Posten sollte nun das isländische Naturkind
einnehmen, das allerdings nicht nur bildschön, sondern auch klug, fein ge-
gebildet und poetisch veranlagt, überhaupt ein interessantes Wesen war.
Christiane fügte sich denn auch bald ganz gut in dieses gelehrte Heim, in
dem zumeist nur Professoren und Studenten verkehrten. Jeden Donners-
tag gab es einen Studenten-Abend, der aber ziemlich gedämpft bei Gnau-
spiel (dem der Herr Etatsrat selbst präsidierte), Smörrebröd, Thee, Punsch
und väterlich-professoralen Ermahnungen und Gesprächen verlief. Auch
Christiane mußte an diesen Abenden teilnehmen. Sie konnte jedoch an Un-
terhaltungen solcher Art keinen Geschmack finden und hat sich auch den
jungen Leuten gegenüber kühl verhalten, wie denn überhaupt ihr eigenarti-
ges Wesen ‚zunächst weniger anziehend als Scheu erweckend gewirkt zu
haben scheint. „Man sah auf sie und bewunderte sie wie ein schönes Ge-
mälde. Aber weiter kam man nicht. Sie erschien für Fremde unzugänglich, -
was vielleicht darin lag, daß sie, die höchst poetische Tochter des Nord-
landes, damals mit den leichteren Konversationsgegenständen, welche die
Mode jener Zeit zum Unterhaltungsstoff für die jungen Leute machte, noch
gar nicht vertraut war, ja ich kann wohl sagen, sie überhaupt nicht ver-
stand. Wenn sie nur dem Gnauspiel, das sie gräulich langweilte, entwischen
konnte, setzte sie sich in der Regel abseits mit der kleinen Kousine und las
mit ihr irgend ein sentimentales Buch“, erzählt uns eben diese ihre Kousine
Benedikte!.
Pflegeeltern und Tochter gewannen einander bald so lieb, daß Christiane
auch nach Ablauf des ursprünglich für ihren Kopenhagener Aufenthalt
in Aussicht genommenen Jahres in ihrer Stellung verblieb. Diese unschein-
bare Fügung des Schicksals war für sie jedoch von der größten Bedeutung.
Sie sollte ihr Heimatsland nie wiedersehen. Aber der schönen und klugen,
jedoch bescheidenen und anspruchslosen Islandstochter wurde nun bald
' ein wunderbares großes Erlebnis zuteil, das wohl nur ganz wenigen ihrer
Landsmänninnen vor und nach ihr beschieden war und auch ihren
weiteren Lebenslauf bestimmen sollte. Sie durfte nämlich an einer
großen, auf zwei Jahre berechneten Reise teilnehmen, die Thorlacius mit
seiner Frau 1826 zum Studium der Altertümer aus der klassischen Zeit
nach Italien unternahm. Man reiste (in wohlausgestatteter eigener Equipage
und mit einem Diener) über Berlin, Halle a. d. Saale, Dresden, Prag, Wien,
‚Salzburg, München, Venedig, Bologna, Florenz nach Rom, Neapel und
Sizilien und von da über Paris, Bern, Bonn, Hannover zurück nach Kopen-
ivsenndrnger, 5
8
hagen, wo man im Herbste 1828 eintraf. Es würde hier zu weit und auch
von meinem Gegenstande zu sehr abführen, wollte ich diese ganze
Reise mit ihren längeren Unterbrechungen in verschiedenen Städten, wo
Thorlacius Beziehungen hatte, ausführlicher besprechen. Ich möchte im Be-
sonderen nur des Aufenthaltes der Reisenden in Halle a.S., Wien und Rom,
und zwar auch nur insoweit gedenken, als Christiane dabei in Betracht
kommt.
In Halle hatte Christiane gleich ihr wichtigstes, ja fürihr Leben entschei-
dendes Reiseerlebnis Sie lernte hier bei einer Gesellschaft, die der Rektor
der dortigen Universität, Hofrat Schütz, Thorlacius zuEhren veranstaltete,
dessen Neffen Karl Wilhelm Schütz, damals noch Universitätsstudent,
kennen. Obgleich sich die beiden nur mittels einiger französischer Brocken
miteinander unterhalten konnten, verliebte sich der junge Mann doch gründ-
lich in die schöne Isländerin, und auch diese fand an ihm Gefallen. Er bekam
die Erlaubnis, in einen Briefwechsel mit ihr zu treten und machte davon
auch ausgiebigsten Gebrauch.
In Wien weilte die Reisegesellschaft, wie ich aus der amtl. W. Zei-
tung feststellen konnte, vom 20. Juli bis 13. August und wohnte in dem
heute noch bestehenden ‚‚Hotel Erzherzog Karl‘, einem uralten Gasthof und
Wirtshause. Sie lernte.hier u. a. Grillparzers Neffen Joseph v. Sonnleithner,
den dort sehr bekannten Gründer der Gesellschaft der Musikfreunde und des
Konservatoriums in Wien, kennen, der mit einer Dänin verheiratet war, und
dessen Hausdaher gern von Dänen (z.B.auchH. Chr. Andersen) besucht wurde.
Sie sollte aber auch mit Grillparzer selbst Bekanntschaft machen. Sonn-
leithner sandte nämlich dem Onkel ein (vom 26. Juli 1826 datiertes) Billet,
auf dem. es u.a. hieß: „Ich lade Dich nun für künftigen Donnerstag, an
welchem Tage der dänische Professor der klassischen Literatur und Alter-
tumskunde, der sehr gelehrte Isländer Thorlacius, bey mir speist. Du wirst
auch eine nette junge Isländerin finden‘. Ob die Gesellschaft den Dichter
auch wirklich kennen gelernt hat? Alle meine Nachforschungen blieben
ergebnislos; es war keine Aufzeichnung hierüber zu erspüren. Prof. Thor-
lacius, der es ja gewohnt war, auf seiner Reise von den berühmtesten Ge-
lehrten und Dichtern umschmeichelt zu werden, schrieb noch am 13. August
von Wien aus Karl W. Schütz über seinen Aufenthalt in der Kaiserstadt nur,
er habe hier wie überall liebenswürdige und gelehrte Männer gefunden, die
seine Kenntnisse bereicherten und seinem Herzen teuer seien?, Und Christiane
I Vgl. Grillparzers Werke, herausgegeb. vom Prof. Aug. Sauer, III. Abt., ı. Bd., S. 334,
No. 285. Vom Herausgeber befragt, wer wohl diese „nette junge Isländerin‘' gewesen
sein möge, konnte ich sogleich einwandfrei feststellen, daß dies Frl. Christiane Briem
war; vgl. meine Mitteilung ebenda S. 437. ? Briefl. Mitteilung von Prof. Dr. Ha-
rald Schütz.
9
selbst berichtete über die Reise von Dresden bis nach Rom erst am 21. Jänner
1827 nach dreimonatigem Aufenthalte in dieser Stadt in einem Briefe!,
daß die Reisegesellschaft in Wien sich einen Monat lang aufgehalten habe,
äußerte sich jedoch über die Stadt nur ganz kurz mit den Worten: „Wii
sahen in der Kaiserstadt Vieles und Bedeutendes, aber leider erlaubt es mir
die Zeit jetzt nicht, darüber zu berichten. Freundschaft und Wohlwollen
wurde uns dort von Vielen bewiesen; ich gewann dort vier Freundinnen“.
Ob also Christiane Grillparzer wirklich gesehen hat, ist nicht bekannt, aber
doch wohl wahrscheinlich. Auch ‚schwebte es‘ ihrem Sohne, Prof. Dr.
Harald Schütz, ‚so vor, als ob seine Mutter gelegentlich in anerkennendei
Weise von Grillparzer gesprochen habe.‘
In Rom verkehrte Thorlacius mit seinen Damen viel bei Thorvaldsen.
Als Christiane das erste Mal das Atelier des Künstlers betrat, begrüßte dieser
sie als die „schöne Isländerin‘, eine Bezeichnung, die ihr von da an blieb.
Der Meister hätte auch gern etwas von ihrer Schönheit nachgebildet, aber sie
schlug ihm die Bitte ab. Über die Besuche bei Thorvaldsen schrieb sie selbst
in dem oben erwähnten Briefe an ihre Eitern: ‚Ich bin im Hause des Etats-
rates Thorvaldsen gewesen und habe dort Verschiedenes von seinen Kunst-
werken gesehen, darunter die Statue des Erlösers. Es ist dem Meister meiner
Meinung nach so wunderbar gelungen, das Antlitz den inneren Menschen
des Erlösers zum Ausdruck bringen zu lassen, daß es alle meine Einbildung
weitaus übertraf. Diese Statue soll auf dem Altar in der neuerbauten Kirche
in Kopenhagen stehen. Ein anderes Kunstwerk ist der Taufstein, den Th.
Island zu schenken gedenkt; er wird ihn im Sommer der Domkirche in Reykja-
vik senden. Mit anderen Dänen, die hier sind, waren auch wir in der Weih-
nachtsnacht bei Th.; es war sehr lustig; die Gäste unterhielten sich’ mit
schönen Gesängen und reizender Musik. Oft flog an diesem Abend mein
Geist heim zu Euch, liebe Eltern und Geschwister.‘ Hier lernte sie den
norwegischen Dichter J. C. Hauch kennen, der dann in seinen ‚„Minder fra
min förste Udenlandsreise‘‘ (Kopenhagen 1871, S. 290), von ihr schrieb, sie
sei „eine ungewöhnlich schöne Isländerin‘ gewesen. Ein dänischer Schrift-
steller aus dem damaligen Kreise Thorvaldsens, N. C. L. Abrahams, be-
schreibt in „‚Meddelelser af mit Liv (Kopenhagen 1876, S. 320)‘ ein Gastmahl
bei dem Künstler in Rom, an dem außer ihm und anderen Gästen (unter
denen sich Prinz Napoleon, der spätere Kaiser, befand) auch Thorlacius mit
Frau und Pflegetochter teilnahm, und gedenkt dabei im Besonderen der
„jungen, schönen, isländischen Dame, Fräulein Briem‘, die „durch ihr echt
nordisches Aussehen, ihr reiches blondes Haar und ihre klaren blauen Augen
die Aufmerksamkeit der Italiener erweckte‘‘; auch berichtet er: ‚Einmal
1 Isländisch mitgeteilt in Sunnan-Pö6sturinn. 1838, S. 133—139.
10
blieb auf der Straße ein Weib aus dem Volke erstaunt vor ihr stehen und
rief aus: Ma, che bella ragazza! —‘‘ Man sagte in Rom auch, ‚ihr schönes, .
Gesicht habe im Winter 1826/1827 über die ewige Stadt gestrahlt‘, und
Künstler aus dem Thorvaldsenschen Kreise, die sie damals in Rom gesehen
"hatten, schwärmten noch in ihren alten Tagen von ‚der schönen Isländerin
in Rom‘\, In Rom lernte sie auch Mezzofanti kennen, der seinen Platz
immer an der Seite der Ausländerinnen erhielt. Mit Christiane konnte er
jedoch nicht in ihrer Muttersprache sprechen; er verstand nicht Isländisch
und war darüber nicht wenig betroffen, konnte sich aber mit der schönen
Isländerin in dänischer Sprache unterhalten?.
Die Reisegesellschaft kam, wie schon erwähnt, im Herbste 1828 nach
Kopenhagen zurück. Auf der Heimreise war sienochmals mit Karl W. Schütz
zusammengetroffen. Christiane scheint auch selbst eine tiefere Neigung
zu ihm gefaßt zu haben; denn sie hatte mehrere glänzende Heiratsanträge, die
ihr auf der Reise gemacht wurden, mit dem Bemerken zurückgewiesen, sie
habe schon einem jungen Deutschen Hoffnungen gemacht. Schütz hatte
ihr die schwärmerischesten Briefe geschrieben und inzwischen ihr zuliebe
Dänisch, vielleicht auch etwas Isländisch, Christiane aber Deutsch und zwar
ohne Lehrer, nur durch Bücher gelernt. Sie konnten einander nun leichter
mündlich verständigen, und das Wiedersehen hatte zur Folge, daß sie sich
— „bei einem starken Gewitter‘‘ — verlobten. Die weitere Folge war, daß
Schütz, nun schon angehender Mittelschullehrer, eingeladen wurde, auf
einige Zeit nach Kopenhagen zu kommen, um seine fast allzu ätherisch An-
gebetete doch etwas näher persönlich kennen zu lernen. Er tat dies unter
dem Vorwande, nordische Sprachstudien betreiben und bei Rask Sanskrit
hören zu wollen. Thorlacius schätzte den jungen Gelehrten, der auch ein
Meister des Klavierspieles war, bald überaus hoch. Dieser kam dort auch
in Verkehr mit anderen bedeutenden und berühmten Männern, wie z. B.
mit Oehlenschläger, dem er täglich bei der Herausgabe seiner Werke in
deutscher Sprache Hilfe leistete. (Nebenbei bemerkt, äußerte Schütz sich
später, Oehlenschläger sei sehr „zähe‘“ gewesen und hätte nur ungern ein
Wort geändert, wenn es galt, einen besseren deutschen Ausdruck zu wählen.)
Bald wurde die Verlobung bekannt gemacht, und die Hochzeit sollte im
Frühjahr 1830 stattfinden. |
Im Mai 1829 kehrte Schütz nach Deutschland zurück, da er in Bremen
eine Anstellung als Lehrer erhalten hatte, die es ihm ermöglichte, sich
einen eigenen Hausstand zu gründen. Anfangs Oktober starb jedoch
Professor Thorlacius, und dieser Todesfall sowie andere Umstände be-
! Benedikte Arnesen-Kall, Johanna Christiane Schütz födt Briem. Islsanderinde. (Ko-
penhagen 1886), S, 6 und 12. ? Briefliche Mitteilung von Emma Schütz.
11
wirkten, daß die Hochzeit erst am 24. Mai 1831 stattfinden konnte. Als
‘Christiane ihren Karl heiratete, war dieser bereits eine berühmte Persönlich-
keit, denn er wurde gerade in diesem Jahre wegen seiner hervorragenden
Kenntnisse in Sanskrit von der Universität Jena zum Ehrendoktor der
Philosophie ernannt — mit 26 Jahren. Das junge Ehepaar lebte zuerst in
Bremen, dann in Bielefeld in Westfalen, wo Schütz als Gymnasiallehrer
dauernd seßhaft blieb. Hier nun, in der kleineren Handels- und In-
dustriestadt, bildeten die Beiden bald den Mittelpunkt des Interesses für
die gebildeten Kreise: er wegen seiner großen Gelehrsamkeit und Beherr-
schung auch der modernen Sprachen, die er u. a. durch Herausgabe eng-
lischer, französischer und spanischer Schriftsteller bekundete, sie, die bald
auch hier allgemein ‚die schöne Isländerin‘ genannt wurde und die einzige
Isländerin in Deutschland war, nicht nur durch ihre Schönheit allein, son-
dern nicht minder durch ihre feine Bildung; denn sie sprach und schrieb sehr
gut Deutsch, hatte einen ausgeprägten Sinn für Poesie, machte selbst Verse,
auch in deutscher Sprache, und liebte nach isländisch-heimischer Art das
Schachspiel; dabei war sie trotz ihres aparten Wesens doch eine vortreffliche
Mutter und Hausfrau. Benedikte Arnesen-Kall, die das Ehepaar in Bielefeld
wiederholt besucht hatte, schrieb: ‚Dr. Karl Schütz war und blieb eine ziemlich
lange Reihe von Jahren hindurch die populärste und beliebteste Persönlich-
keit der Stadt. Die Schönheit und das fremdartige Gepräge, das über seiner
aus Island gekommenen und doch so weit im Süden gereisten Frau ruhte,
sein großes musikalisches Talent, seine allseitige Bildung und seine weitaus-
gedehnten literarischen Verbindungen, vor allem jedoch die mehr oder we-
niger bekannten und wohl ziemlich stark travestierten Geschichten von
einem großen Kampfe der Liebe und der Ausdauer, den er zu. bestehen ge-
habt habe, um diese Frau zu gewinnen: alles zusammen hatte dieses Ehe-
paar in einen gewissen poetischen Nimbus gehüllt, der es außerhalb der ge-
sellschaftlichen Rücksichten setzte. Man war nur immer froh, wenn man es
irgendwo mithaben konnte, was für Johanna nicht immer ganz leicht war,
teils weil sie ihre Mutterpflichten bis aufs äußerste erfüllte, teils wohl auch
weil sie eine zu idealistisch angelegte und zu ungewöhnliche Natur war, um
irgendwie in dem Gesellschaftsleben aufgehen zu können, das ihre Gegen-
wart wohl schmückte, in dem sie aber trotz aller ihr bezeigten Aufmerk-
samkeit und Huldigung, doch eine fremde Figur war und blieb, ein Noli me
tangere, dessen Interessen nicht auf diesem Gebiete lagen. Ob sie von der
‚Kritik der deutschen Hausmütter ganz verschont blieb, will ich ungesagt
sein lassen; aber gewiß ist, daß sie, obgleich sehr beliebt und respektiert,
doch niemals in dem Grade populär wurde, wie ihr Gemahl.““ Das Paar
lebte in der harmonischesten, glücklichsten Ehe, und.Dr. Schütz „blieb sein
%
12
Leben lang der ritterliche Anbeter seiner Frau“. „Die poetisch veranlagte
und just nicht zu einer deutschen Hausmutter erzogene Nordlandsgestalt !
Sie konnte sich das Glück für das Weib buchstäblich nicht anders denken,
als in der Ehe. . Die brennende Liebe der Verlobungszeit ist bei diesem
Ehepaare nie erloschen.“
Die Familie Schütz wurde von dem schweren Unglück betroffen, daß
der Vater mit 54 Jahren erblindete, was wohl für den an unermüdliches
literarisches Schaffen gewohnten Mann selbst das Allerschlimmste war.
Seine Frau widmete sich ihm nunmehr mit aller Aufopferung einer liebenden
Seele, führte den Blinden spazieren und war durch ihre hohe Bildung
befähigt, ihm auch in mehreren Sprachen vorzulesen. Das Ehepaar erlebte
die goldene Hochzeit, die Benedikte, die treue Freundin, in einem gedruckten
Zyklus von zwölf Gedichten mit demTitel: „Johanna, et Livsbillede, tilegnet
Fru Johanna Schütz, födt Briem, paa hendes Guldbryllupsdag den 24. Maj
1881“ (Kopenhagen 1881) feierte. Christiane starb am 15. April 1886 in
Bielefeld an einem Schlaganfall, ohne eigentlich jemals krank gewesen zu
sein. Sie wurde von allen, die sie kannten, sehr betrauert. Ihre Kousine
widmete ihr nun als ‚einer der schönsten und edelsten Frauen Islands‘‘ eine
eigene Gedenkschrift (eine „ütfararminning‘‘, wie es dielsländer nennen),
betitelt: ‚Johanna Christiane Schütz fodt Briem. Islanderinde“. (Kopen-
hagen 1886), in der sie u. a. schrieb: „Der Hauptzug in ihrem Wesen war
ihre innige, unverbrüchliche Liebe zu ihrer Heimatsinsel, deren Sprache sie
während einer zweiundsechzigjährigen Abwesenheit von ihr nie zu sprechen
und zu schreiben aufgehört hatte. Sie behielt auch ihr Leben lang ihre Schön-
heit und dank einer ausgezeichneten Gesundheit ihr schönes kraftvolles
Äußere mit der reichen Fülle des Haares und den herrlichen dunkelblauen
Augen —.“ Christianens Tochter, Frl. Emma Schütz (geb. 1839), schrieb
mir über die Schönheit ihrer Mutter in den späteren Jahren: „Sie hatte
sehr schönes, reiches, lockiges braunes Haar, regelmäßige schöne Züge und
liebevolle, ausdrucksvolle, blaue Augen. Auch hatte sie schöngeformte kleine
Hände und Füße. Noch im Alter krauste sich ihr Haar zu Locken.‘ Als sie
auf der Reise mit Thorlacius in Paris weilte, wurde dort wegen ihrer Schön-
heit ein Miniaturbild von ihr gemalt.
Dr. Karl Schütz starb am 14. September 1892. Der bekannte Sanskritist
Pischel schrieb in einem ihm gewidmeten Nachruf im „Zentralblatt für Biblio-
thekswesen‘‘, 1893, u. a.: „Er war der letzte Vertreter einer Generation, die
das Studium des Sanskrit in Deutschland begründete, dem für alle Zeit ein
ehrenvoller Platz in der Geschichte der Sanskritphilologie bleibt.‘“ In den
weitesten Kreisen der Gebildeten in Deutschland und Deutsch-Österreich ist
Karl Schütz jedoch als Herausgeber der billigen Sammlung französischer.
13
Theaterstücke unter dem Titel: ‚„Theätre frangais publie par C. Schütz“,
(Bielefeld, Velhagen & Klasing) bekannt geworden, die 1840 zu erscheinen
begonnen hatte, später zwar als solche eingegangen ist, aber den Grund zu
der neuen, noch jetzt sehr fleißig gebrauchten Sammlung gleichen Namens
gelegt und mit dem ‚‚Musee frangais‘‘ und anderen Ausgaben des Dr. Schütz
zuerst den Ruf der Firma Velhagen & Klasing begründet hat.
Von den acht Kindern dieses denkwürdigen Ehepaares lebt nur noch
eines, nämlich Frl. Emma Schütz, jetzt im Bückeburger Altersheim, die ein
Dutzend Sprachen, unter diesen auch Isländisch, vollständig beherrscht und
gleich ihrem Vater eine ausgezeichnete Klavierspielerin ist. Ein Sohn, der
obenerwähnte Prof. Dr. Harald Schütz, war Lehrer der Mathematik und
Physik, zuletzt in Frankfurt a.M., und starb am 17. Dezember 1915. Ein
Enkel (Sohn Haralds) ist Dr. Ludwig Schütz, der bekannte ‚moderne Mezzo-
fanti“, der bei 200 Sprachen verstehen soll, früher wie sein Vater und ein
jüngerer Bruder (Ernst Harald, Oberlehrer an der Seefahrtschule in Bremen)
Mathematiker war, sich seit mehreren Jahren aber ausschließlich mit Sprach-
studien beschäftigt und mehrere Werke herausgegeben hat!. (Vgl. auch die
Beilage zur Schaumburg-Lippeschen ‚Landeszeitung‘ vom 15. April 1814.)
II. „ALLGEMEINE PFLICHTARBEIT“ (DEGNSKYLDU-
VINNA) AUF ISLAND
I. Einleitung
on den großen und kleinen politischen Fragen, die das tägliche Brot der
Isländer sind, werden die Gedanken zurzeit etwas abgelenkt durch
einen Stoff, der die Allgemeinheit stark in Anspruch nimmt und in allen
Zeitungen Niederschlag und Widerhall findet.
Es handelt sich darum, ob die sog. Pegnskylduvinna, d. h. „allgemeine
Pflichtarbeit‘“ gesetzlich eingeführt werden soll oder nicht. Zum Verständ-
nis der Sache ist es am besten, ihre Entwicklung kurz vorzuführen.
Dem Althing des Jahres 1903 legte der auf Island allgemein bekannte
Landwirtschaftler Hermann Jönasson eine Anregung (ullag, nicht etwa Ge-
setzesantrag, frumvarp) vor, folgender Art?:
1 Vgl. „Welt-Warte‘‘ (Wiesbaden, IX (1913) No. 7 und „Lögrjetta‘ (Reykjavik), IX
(1914) No. 59, wo aber irrig berichtet wird, daß „Karl Schütz 1884 und Frau Christiane
Johanna nicht viel später gestorben‘ seien; auch wird hier der dänische Literat Abra-
hams unrichtig ‚„Abrahamsen‘‘ genannt. ? Die Ziele Hermann ]6nassons berühren
sich nahe mit den von dem amerikanischen Psychologen James unter dem Titel:
„Moralequivalent of war“ angeregten Gedanken, doch habe ich den Eindruck, als habe
H. J. dessen Ausführungen erst kennen gelernt, als seine eigenen Anschauungen sich
bereits selbständig gebildet hatten.
414
Das Althing beschließt, die Landesregierung zu veranlassen, dem näch-
sten Alting einen Gesetzesantrag über die ‚allgemeine Pflichtarbeit auf Is-
land“ vorzulegen, nach folgenden ‚Grundsätzen:
I. Alle arbeitsfähigen jungen Männer, die sich auf Island befinden und
das Heimatrecht dort besitzen, sollen während der Zeit ihres Alters von
18 bis 22 Jahren allgemeine Pflichtarbeit leisten in dem Sommer, in dem
sie wollen; dazu haben sie sich zum I. Februar des betr. Jahres anzumelden.
Wer dieser Pflicht bis zum 22. Lebensjahre nicht nachgekommen ist, hat
bis zum Ablauf des 25. Lebensjahres die Pflicht, einer Einberufung zur
Pflichtarbeit zu folgen; er kann jedoch, wenn dringende Gründe ihn hin-
dern, einen Ersatzmann stellen.
2. Die Pflichtarbeit besteht darin, daß jeder junge Mann insgesamt sieben
Wochen, nach seinem Wunsch in esnem Sommer oder auf zwei Sommer
verteilt, zu arbeiten hat; diese Arbeit ist unbezahlt; für jeden Arbeitstag
“ werden 0,75 Kr. für den Lebensunterhalt gegeben.
3. Die ‚„Pflichtarbeit‘“ wird mit Acker-, Wald- und Wegbau in dem Amte
geleistet, in dem jeder seinen Aufenthalt hat zu der Zeit, wo er in die Liste
des Jahres eingetragen wird.
4. Die Männer, die die Arbeit beaufsichtigen, müssen sie ordentlich ver-
stehen und nach bestimmten Grundsätzen leiten, ähnlich wie bei den mili-
tärischen Übungen in Dänemark.
Das ist der erste Entwurf einer Sache, die von da an mit wechselnder
Stärke die Gemüter bewegt hat. Damals wurde dieser Vorschlag nur im
Unterhaus und am letzten -Sitzungstag besprochen, von den 24 Abgeord-
neten gaben 14 ihre Stimme ab, 13 dafür, ı dagegen. Vor das Althing kam
die Anregung erst wieder 1915 und diesmal wurde beschlossen, es solle .
zugleich mit den nächsten Wahlen (Herbst 1976) eine allgemeine Abstim-
mung verbunden werden, ob die ‚„Pflichtarbeit‘ un srgendeiner Form geseiz-
lich eingeführt werden soll oder nicht.
Damit ist die Sache und der Streit darum wieder zu neuem Leben er-
wacht. Das Thema wurde in Vorträgen und Zeitungen nach allen Richtungen
erörtert, keineswegs immer mit ganz klarer Einsicht in die Absichten und
häufig leider auch nicht mit der wünschenswerten Sachlichkeit.
Überaus eifrig hat sich wieder der Vater des Antrags betätigt, der natür-
lich in Einzelheiten seine Vorschläge geändert hat (wie wir aus dem fol-
genden entnehmen können), in den Grundlagen aber dem ersten Vorschlag
treu geblieben ist; in zahlreichen Vorträgen in den Vereinen der jungen
Männer, in der Vereinigung der isländischen Studenten in Kopenhagen, im
Studentenverein in Reykjavik. Seine beiden wichtigsten Vorträge sind ab-
15
gedruckt in Andvari 1908 (Pegnskylduvinna, auch als Sonderausgabe, R.
1909) und zuletzt Skirmnir 1916 (2. Heft).
An der Hand dieser Vorträge sollen die Anschauungen H. J.s im fol-
genden dargelegt werden unter Berücksichtigung der in Zeitungen gege-
benen Anregungen und Einwände!,
2. Der Zweck der Pflichtarbeit
Der Zweck der von allen gesunden jungen Leuten ausnahmslos (die Stell-
vertretung ist längst gestrichen) zu leistenden Arbeit ist ein doppelter,
und zwar a) für die Arbeitenden, b) für das Vaterland.
a) Bei der „Rückständigkeit Islands auf landwirtschaftlichem Gebiet und
der durch die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, insbesondere infolge der
Freizügigkeit eingetretenen Zuchtlosigkeit der Jugend“ hält H. J. es für
wünschenswert, daß mit dieser Pflichtarbeit eine Schule für das Volk ge-
schaffen werde, in der die jungen Leute lernen sollen, was ihnen fehlt: Ge-
horsam, Ordnungsliebe, Pünktlichkeit, Reinlichkeit, kameradschaftliches
Wesen einerseits und überlegtes Arbeiten mit brauchbaren Werkzeugen und
richtigem Vorgehen in allen Bewegungen bei der Arbeit andererseits. Auf
den ersten Punkt hatte es H. J. abgesehen, wenn im Antrag von 1903
unter 4. von dänischem Muster im Heeresdienst die Rede ist. Es handelt
sich also um Volksbildung nach der moralischen wie nach der praktischen
Seite.
b) Mit diesem idealen Zweck der Volksbildung soll aber gleichzeitig ein
unmittelbarer Nutzen für das Vaterland verbunden sein. Denn diese
Übungs- und Pflichtarbeit soll auf solche Arbeiten verwendet werden, die
besonders vordringlich sind und dem Fortschritt dienen: Bau von Wegen
und Landungsplätzen, Urbarmachung von Land, Anbau von Nährpflanzen
(vielleicht bald Eisenbahnbau) u. dgl.
Von diesen beiden Zielen aber ist das erstere das wichtigere. H. J. sagt
selbst: „Es ist meine innerste Überzeugung, daß die „Pflichtarbeit“ nur
dann zum Segen wird, wenn es ihr erstes und höchstes Ziel ist, den Teil-
I Die ständige Zusendung von Lögrjetta und Vestri sei hier nochmals besonders dankend
hervorgehoben. ? 1916 schreibt H. ]J., ‚er habe damals nicht die Deutschen als Muster
nennen wollen, weildieseiner Gotteslästerung gleich erschienen wäre, so übelberüchtigt wie
die Deutschen damals wegen ihrer Härte bei der Ausbildung waren, während sie jetzt alle
Welt wegen ihrer kriegerischen Tüchtigkeit bewundert.‘‘ Wieder ein Beweis, wie sehr ver-
säumt worden ist ‚der von bekannter Seite getriebenen systematischen Verleumdung der
Deutschen im Auslandentgegenzutreten. Allerdingsdarfman wohlsagen, daß der Isländer
sich nicht von beeinflußten Zeitungen abhängig zu machen pflegt, sondern sich ein
eigenes Urteil zu bilden sucht; ein solches hätte er aber ohne den Weltkrieg über uns
nie bekommen; hoffentlich kommt es überall bald.
46
nehmern eine möglichst große theoretische und praktische Ausbildung zu
geben, und wenn sie nicht nur darauf ausgeht, die Kosten möglichst gering
und den Ertrag äußerlich möglichst groß werden zu lassen. Natürlich muß
man sparsam und vorsichtig zu Werk gehen, aber so, daß die Pflichtarbeit
den weitaus größten Teil ihres Nutzens in der Zukunft bringt. — Von ebenso
großer Bedeutung ist, daß der Eifer allenthalben rege wird, einige Wochen
des Lebens der Arbeit nur für das Vaterland zu weihen, und dazu zugleich
sich selbst zu weiterer Arbeit brauchbarer und geschickter zu machen für
die Heimat, für sich und die Seinen, mit richtigerer Arbeitsart und Arbeits-
ordnung und passenderen Handwerkszeugen, als es bis jetzt und leider noch
heute der Fall ist. Dieses Streben muß so ernst und allgemein werden, daß
es ein Heilstein! werden kann, die Wunden zu heilen, die die Härte und
Grausamkeit der Natur und die Kurzsichtigkeit unserer Vorväter unserem
vernachlässigten, gequälten und geschädigten Lande zugefügt haben. —
Wenn es aber zur Arbeit selbst kommt, ist es eben so wichtig, was gearbeitet
wird und wo man jedesmal arbeiten soll, und was für Leute die Aufsicht in
Händen haben. Da darf keine Distriktspolitik getrieben werden, Eigenbrö-
delei und Selbstsucht einzelner Personen oder Gebiete, Machtpolitik und
Parteilichkeit darf nicht über die Tüchtigkeit siegen. — — Was gearbeitet
wird, und wo, hat sich nach dem Nutzen zu richten, den die Teilnehmer
von der Arbeit haben können, und demnächst, wo die Arbeit den raschesten
und größten Wert für das Volksganze hat. Jedoch muß tunlichst Sorge ge-
tragen werden, daß die Arbeit auf die einzelnen Kreise gleichmäßig ver-
teilt wird.“
3. Die Durchführung des Gedankens
a) Jeder gesunde Isländer, der mindestens 17 und höchstens 25 Jahre
(so jetzt!) alt ist, ohne jede Ausnahme, ist zu einer einmaligen, 12 wöchent-
lichen (so jetzt!) P£flichtarbeit verpflichtet. Das Jahr, in dem er der Pflicht
genügen will, kann er sich innerhalb dieser Grenzen selbst wählen; nur
wenn er sich bis zum 22. Jahr nicht selbst gemeldet hat, wird er in einem
der folgenden Jahre, aber vor dem 25. Lebensjahr, eingezogen. Alle ver-
richten die gleichen Arbeiten, so z. B. auch die Seeleute, Fischer u. dgl.,
denen diese Übung unter Umständen später sehr nützen kann; allerdings
bleibt die Möglichkeit offen, daß diese vielleicht später einmal auf einer Art
Schulschiff ihrer Dienstpflicht genügen können. Daß die jungen Leute die
Arbeiten, die sie verrichten, nicht selbst bestimmen können, ist selbstver-
ständlich, brauchte auch nicht erwähnt zu werden, wenn man nicht darin
eine besondere Verschärfung der „Sklaverei“ gefunden hätte.
i Wie ihn berühmte Schwerter alterHelden in ihrem Knaufe hatten, mit dem allein
‘die von dem Schwerte geschlagenen Wunden geheilt werden konnten.
3 47
b) Die Arbeit selbst findet alljährlich in zwei Abteilungen statt, die selbst
wieder auf je drei Arbeitsstellen verteilt sind. Eine noch weitere Zerlegung
in kleinere Abteilungen, wie sie in bester Absicht vorgeschlagen wurde,
wäre undurchführbar, weil dadurch mehr Lehrer für theoretische und prak-
tische Unterweisung und mehr Material für den Unterricht nötig würde,
wodurch der Staatskasse höhere Kosten auferlegt würden, während anderer-
seits dabei die Gleichmäßigkeit der Anleitung und die Pflege der kamerad-
schaftlichen Arbeit leiden müßte.
Die Einzelnen beteiligen sich an den von den für das Jahr vorausbe-
stimmten Arbeitsstätten, die ihrem Aufenthaltsort bei ihrer Meldung am
nächsten liegt. So halten sich die notwendigen Reisen in vernünftigen
Grenzen und: verursachen dem Staate geringe Kosten, die jungen Leute aber
kommen doch einigermaßen von der Scholle weg.
Die beiden Kurse, die jährlich gehalten werden, dauern der eine etwa
vom 1. Mai bis 24. Juli, der andere vom 29. Juli bis 20. Oktober. Im Nord-
viertel mag allerdings die spätere Jahreszeit für die Arbeit ungünstig sein;
es würde sich vielleicht empfehlen, in diesem Gebiet nur einen Jahreskurs
zu halten. Sonst aber ist die Zweiteilung vorzuziehen, weil dadurch eine
geringere Anzahl von Lehrern und Arbeitsmitteln nötig wird und die Ver-
pflegung sich dadurch erleichtert.
Die auf je 3 Arbeitsstellen verteilten Kurse arbeiten also an 6 Stellen im
Jahre, die auf die 4 Landesviertel so zu verteilen sind, daß je ein Landes-
viertel höchstens ein Jahr lang nicht berücksichtigt ist, und kein Kreis
(sysla) länger als 6 Jahre ohne die Arbeit bleibt. Auf diese Weise wird der
Nutzen der Arbeit über das ganze Land gleichmäßig verteilt.
Die Zahl der Beteiligten muß in jeder Abteilung und in jedem Jahre un-
gefähr die gleiche sein. H. J. berechnet auf eine Abteilung ungefähr 375 Teil-
nehmer. Durch solche Gleichmäßigkeit allein ist es denkbar, einen durch-
führbaren Arbeits- und Kostenplan aufzustellen. Im übrigen aber soll jedem
die Wahl des Jahres innerhalb der angegebenen Grenzen und des früheren
oder späteren Kurses freigestellt bleiben. Den Studenten, die ihre Ferien-
zeit in den Sommermonaten haben, soll.ermöglicht werden, die zweite Hälfte
des ersten und die erste Hälfte des zweiten Kurses mitzumachen.
c) Bei der Arbeit selbst ist der Tag in 3x 8 Stunden zerlegt. 8 Stunden sind
der Arbeit gewidmet, bei der aufgründliche Anleitung, den Gebrauch passen-
der Werkzeuge, sorgfältige Ausführung der Arbeit und richtige Ausnützung der
Kräfte das Hauptaugenmerk gelegt wird. — 2 Stunden dienen körperlichen
Übungen ; Schwimmen müssen alle lernen; für geeignete Gelegenheit dazu ist
‚überall zu sorgen (ob das durchführbar ist ?); eine Stunde wird vorgelesen
über die Arbeit betreffende Stoffe (Erklärung der Werkzeuge, Lehre vom
18
Ackerbau u. dgl., auch über Benehmen und Reinlichkeit) und das Vorge-
lesene besprochen; 4 Stunden sind Essens- und Freizeit. — 8 Stunden
Schlaf.
Über die Disziplin Bi der Arbeit zu sprechen hält H. J. eigens für nötig.
Die Behandlung soll human sein, als äußerste Strafe denkt er an eine Ver-
längerung der Arbeitszeit. Diese Bemerkungen dienen natürlich dazu, die
Angst vor dem }ff Militarismus zu bannen, mit dem die Sache von anderer
Seite ausgiebig verglichen wurde, natürlich in der Absicht, um sie den Leuten
zu verekeln. Wenn die Isländer wüßten, wie human grundsätzlich z. B. im
Deutschen Reich die Soldaten behandelt werden und wie sehr deren eigenes
Denken entwickelt wird und welchen überaus großen erzieherischen Wert
die allgemeine Dienstptlicht bei uns hat, dann würde dieses Schreckgespenst
auch bei ihnen nur ein überlegenes Lächeln hervorrufen.
4. Die Kosten
Die Kosten der Einrichtung zu berechnen, ist natürlich mit Schwierig-
keiten verbunden; darum will H. J. seine Aufstellungen nur als allgemeine
Grundlagen angesehen wissen.
Er legt zugrunde für jede Abteilung (also zweimal im Jahr) 168 Tage
(= 12 Wochen). 375 Teilnehmer, g Leiter, 21 Arbeiter (für Zubereitung der
Nahrung und andere dienstliche Verrichtungen) und setzt an:
375 Teilnehmer, Beköstigung täglich ı Kr. (jetzt!)
108: Tage: 4 0 Be a Kr. 68 040
9 Werkleiter, 168 Tage, je 6 Kr... ...... „Kr. 8g10
21 Arbeiter, 168 Tage, je 3 Kr. .... 2 2 2.0. Kr. 10 248
Materialkosten etwa . 2: 2 2 2 2 ern ne. Kr. 20 802
Kr. 108 000.
(Daß die Beköstigung der Werkleiter und Arbeiter nicht angesetzt ist,
fällt auf.)
Demgegenüber wird der Nutzen für den Staat gestellt. Die geleisteten
Arbeiten müßten auch sonst ausgeführt und dann bezahlt werden. Zur
Gegenrechnung werden nur 144 Tage angesetzt, ein Arbeitslohn von 2 Kr.
für 8 stündige Arbeitszeit zugrunde gelegt; das ergibt bei einer Arbeiterzahl
von 375 die Summe von 108000 Kr. (wobei die Aufseher bei der Arbeit
nicht berücksichtigt sind). Daraus würde sich ergeben, daß dem Staat
unter den angegebenen Voraussetzungen aus dieser Ertüchtigung seiner
Bürger Reine Kosten erwachsen. Allerdings wird die noch zu besprechende
Schule für die Leiter ziemliche Kosten verursachen, wovon H. J. an dieser
Stelle nicht spricht.
Eine auffallende Rechnung anderer Art wurde dem entgegengehalten.
8 49
Da wird der Einnahmeverlust von 800 Leuten im Jahre bei 100 Tagen auf
240 000 Kr. angesetzt und die durch die Einberafung der Arbeiter ander-
weitig nicht geleistete Arbeit auf über 2 000 000 Kr. veranschlagt — und
diese Summe als Kosten für den Staat eingesetzt. Lassen wir die Unmög-
lichkeit dieser Zahlen ganz außer Betracht, jedenfalls hat diese Berech-
nung mit den Kosten, die der Staat unmittelbar hat, gar nichts zu tun.
Daran wird dann von derselben Seite noch der Vorschlag gemacht, zu Ar-
beiten, für die sich keine Arbeiter finden, solche von auswärts kommen zu
lassen. Dazu ist zu bemerken, daß diese einen nicht unbedeutenden Teil
des vorhandenen Bargeldes aus dem armen Lande ziehen würden, zudem
wohl schwerlich Arbeiter nach dem hohen Norden zu bekommen sind, wenn
die Löhne nicht dazu locken.
5. Die Werkleiter
An Leitern für die Arbeiten fehlt es nach H. ]J. am meisten. Solche zu
gewinnen ist die erste Aufgabe. Dazu wird vorgeschlagen, junge Leute
im Auslande (d. h. wohl zunächst in den skandinavischen Staaten, vor allem
Dänemark) ausbilden zu lassen, und wenn nötig, anfänglich Leute eben-
daher als Lehrer und Leiter kommen zu lassen. Gleichzeitig aber soll eine
Lehranstalt zur Heranbildung geeigneter Lehrer auf Island eingerichtet
werden; in dieser sollen die tüchtigsten von den jungen Leuten, die ihrer
Pflichtarbeit nachgekommen sind, ausgebildet werden, wodurch in der Zu-
kunft Lehrer in genügender Zahl und außerdem überhaupt gründlich gebil-
dete Landwirte vorhanden sein würden. Mit dieser Schule soll ein Muster-
garten vorhanden sein, in dem alle zu Schmuck und Nutzen geeigneten
Pflanzen, die auf Island gedeihen, zu finden sind. Die Schule selbst soll
zwar auf dem Lande, aber in der Nähe eines guten Hafens und leicht zu-
gänglich sein. (Weil vielerlei in der Einrichtung dieser Schule mit der zu
gründenden Hausmutterschule gemeinsam sein könnte, will H. J. sie mit
dieser in engste Verbindung bringen, ein Plan, der uns kaum praktisch er-
scheinen dürfte trotz der Geldersparnis.)
6. Die vinnuvisindi (Arbeitslehre )
Die moderne Psychologie beschäftigt sich u. a. mit der Untersuchung
der Erfordernisse der alltäglichen Arbeit, sie prüft die Fähigkeiten und An-
lagen der Einzelnen und erzielt Ergebnisse dieser Forschungen, die für die
Wahl und die Ausübung eines Berufs ausschlaggebend sein können. Diese
Bestrebungen, die einerseits auf den Nachweis des möglichst rationellen Be-
triebs der Arbeit und andererseits auf das Finden der geeignetsten Arbeiter
abzielen, sind in Deutschland keineswegs fremd geblieben, sie haben aber
den’ festesten Boden in den Vereinigten Staaten gefunden. Durch Beobach-
20
tungen und Messungen bei den verschiedenen Arbeiten ist festgestellt, daß
bei entsprechender Ausführung die Arbeit viel weniger ermüdet, also mit
gleichem Aufwand an Kraft viel mehr geleistet werden kann und daß da-
durch die Arbeits- und Lebensfreudigkeit der Einzelnen sich hebt. Über
diese amerikanischen Bestrebungen und die zu solchen Zwecken getroffenen
Einrichtungen hat dr. Guömundur Finnbogason die Isländer in ein paar
Vorträgen unterrichtet und diese in seinem Büchlein Vit og sirit (Wissen-
schaft und Arbeit) abdrucken lassen. Derselbe beantragte auch die Errich-
tung eines Lehrstuhls für diese Wissenschaft an der Universität Reykjavik;
er hofft, daß diese neue Wissenschaft der bevorstehenden Pflichtarbeit zu-
nutze kommen soll. Die Vorlage über die Professur wurde zwar im letzten
Althing abgelehnt, dafür aber beschlossen, dr. Guömundur Finnbogason
3000 Kr. zu bewilligen, damit er sich in diesen Fragen noch weiter unterrich-
ten könne. So ist zwar für Island der Zeitpunkt noch nicht gekommen, diesen
Teil der psychologischen Forschung in die Praxis umzusetzen, aber man
kann annehmen, daß späterhin die Anleitung in der ‚„Pflichtarbeit‘ auf die
Ergebnisse der praktischen Psychologie aufgebaut werden wird.
7. Ist eine gesetzliche Festlegung der Pflichtarbeit am Plaize?
Von verschiedenen Seiten ist der Plan der „Pflichtarbeit‘‘ abgelehnt
worden mit dem Hinweis, daß es sich hier um moderne Sklaverei handle,
die nur durch ihre zeitliche Begrenzung sich davon unterscheide. Es blieb
H. J. wirklich nichts anderes übrig, als solcher Verkennung der Tatsachen
gegenüber darauf hinzuweisen, daß die Pflichten, die der Staat seinen Bür-
gern auferlegt, keine Schmälerung ihrer persönlichen Würde bedeuten. Das
muß man also den Isländern erst sagen. Wenn man die anderen Pflichten,
die Staat und Gemeinde verlangen, vergleicht, kann die Pflichtarbeit, die
das Volk der Isländer sich selbst auferlegen soll, mögen diese auch noch so
sehr von „königlichen Ahnen stammen“, nicht als ein Übergriff der Staats-
gewalt betrachtet werden.
Auch der Einwand, es solle lieber freiwillige Arbeit vorgeschlagen werden
statt gesetzlich gebotener, mußte allen Ernstes widerlegt werden; es gibt
für uns nichts Selbstverständlicheres, als daß eine solche Neuerung, wenn
etwas dabei herauskommen soll, gesetzlich festgelegt und geregelt werden
muß. Aber weil man solche Selbstverständlichkeiten dort erst noch begrün-
den muß, scheint eine Einrichtung wie die geplante erst recht wünschenswert.
Ganz mit Recht ist daher dem Volke jetzt die Frage vorgelegt, ob es eine
gesetzliche Einführung der Pflichtarbeit haben will. So weit kann auch das
Volk in seiner. Gesamtheit nur entscheiden: „gesetzlich“ und „in irgend-
einer Form‘. Die Anfrage ans Volk kann sich nur auf die grundsätzliche Seite
21
der Sache beziehen, das Weitere ist Sache der Regierung und des Althings.
Wie man die Behauptung aufstellen kann, es werde dem Volke zugemutet,
Lasten zuzustimmen, deren Tragweite es nicht ermessen könne, ist schlech-
terdings unverständlich. |
In mahnendem und warnendem Prophetenton wird von verschiedenen
Seiten darauf hingewiesen, daß die jungen Leute damit einen Sommer ihres
Lebens verlieren, und ihnen die Einnahme entzogen würde, die sie etwa im
Winter zum Besuch einer Fachschule oder zum Erlernen eines Handwerks
notwendig brauchten; man spricht von der Härte, daß der einzige Sohn,
der die Stütze seiner alten Eltern ist, diesen entzogen werde, daß viele
nötige Arbeit zu Hause ungetan bleibe, ja vieles überhaupt ganz unterbleiben
müsse (und berechnet diesen Schaden auf hoch über 2Mill. Kronen)!. Zunächst
antwortet H. J. mit der einfachen Feststellung, daß die Zahl der jungen
Leute, die jeweilig zur Arbeit eingezogen sind, verschwindend klein: ist
im Verhältnis zu der sonst im Distrikt vorhandenen Arbeitskraft (also kann
der Arbeitermangel doch nicht so riesig sein wie ein Gegner sagt) und die
Einnahme der jungen Leute ist in den meisten Fällen so gering (keineswegs
bare3 Kr. für Tagund Mann, wie angesetzt wird !), daß der Nutzen, den sie von
der Erfüllung dieser Pflicht für dieZukunft hätten, den Ausfall, woein solcher
ernstlich vorliegt, bei weitem ausgleicht. Für uns, bei denen die Militärpflicht
weit tiefer in die ganze Bevölkerung eingreift und man doch natürlich ganz
andere Verlustsummen sich ausrechnen könnte, sind solche Einwände nicht
vorhanden; wir wissen, daß wirkliche Härten, wo sie sich finden, immer
gemildert werden können. Und wenn sich manche Isländer nicht mit uns, den
Leuten ausdem Lande der Militärpflicht, vergleichen wollen, so sollten sie daran
denken, wo der Stolz derfreien Engländer in diesem von England angezettelten
Krieg geblieben ist,
8. Schluß
Ob die Hoffnungen auf sittlichen und wirtschaftlichen Aufschwung, die
H. J. an die Pflichtarbeit knüpft, berechtigt sind, ob vor allem der doppelte
Zweck, Nutzen für den Einzelnen und für den Staat sich zugleich erreichen
läßt, ob die Kostenrechnung nicht zu optimistisch ist, ob es sich empfiehlt, bei
landwirtschaftlichen Arbeiten die eine Abteilung praktisch im Säen, die andere
im Ernten anzuleiten und dgl. mehr, darüber steht mir kein Urteil zu.
Mit Hohn aber darf die Sache nicht abgetan werden. Trotzdem hat man
auch diese billige Art der Abfertigung sich zuschulden kommen lassen,
indem z. B. ein Spottvers weit verbreitet wurde:
O hve margur yröi sall
og elska myndi landiö heitt,
1 Wenn diese Zahl richtig wäre, bemerkt FH. J., dann wäre Island das glücklichste
Land unter der Sonne.
22
mztti hann vera mänuö prell
og moka skit fyrir ekki neitt
(Ei wie glücklich würde sich mancher fühlen und sein Vaterland heiß lieben,
dürfte er einen Monat lang Sklave sein und umsonst Dreck schaufeln ) Oder:
Stjörnsemi og stundvisı,
stökkva i margan glöpinn,
Degar hün kemur prammandi
Pegnskylda — meö söpinn.
(Fügsamkeit und Pünktlichkeit kommen eilends in manchen Narren,
wenn sie herangekrochen kommt, die Pflichtarbeit — mit dem Besen.)
Sehen wir aber von all den Fragen für und wider ab, so drängt sich bei
der Beschäftigung mit diesem Stoffe das Empfinden auf, was der Antrag-
steller für eine äußerst sympathische Figur ist. Seit 14 Jahren hat der jetzt
58 jährige Mann diesen Gedanken mit einem Eifer und einer Eindringlichkeit
verfochten, wie sie nur wahre Begeisterung und innerste Überzeugung
geben können. Für diese Seite des Antrags, seine Herkunft aus dem idealen
Streben eines ehrlichen Vaterlandsfreundes scheinen mir die Gegner, deren
Anschauungen mir bekannt geworden sind, nur wenig Empfinden zu haben.
Es ist ein heiliges Feuer des Glaubens an die Segnungen, die die Durchführung
seines Planes dem Vaterlandbringen wird, in dem Manne. Er ist — undich
glaube mit vollem Rechtetrotz auch hiergegen gemachter Einwände — über-
zeugt, daß dieErfüllung einer Pflicht gegen das Vaterland auch die Vater-
landsliebe der jungen Leute, die sonst noch keine Pflichten gegen die Gesamt-
heit haben, festigt undsteigert, und erwartet davon einen inneren Aufschwung
des isländischen Volkes, das die augenblicklichen Zeichen des Niedergangs,
die er an der jetzigen Jugend wahrnimmt, überwinden kann. Dabei ist es
wohl verständlich, wenn sich H. ]J. freut, die Jugend (in den Jünglings- .
vereinen) auf seiner Seite zu haben (wogegen der Einwand nicht berechtigt
ist, man frage die Kinder nicht, ob sie in die Schule gehen wollen). Von
seiner Seite ist es sehr wohl verständlich, wenn er in der Durchführung seines
Planes der ‚‚Pflichtarbeit‘ nicht ein Mittel zum Fortschritt sieht, sondern
das Mittel, und der Überzeugung Ausdruck gibt: „Wenn das isländische
Volk nicht die Probe besteht, diese Pflicht auf sich zu nehmen, dann fehlen
ihm die Bedingungen, um als selbständiges Volk leben zu können.‘
Eisenach W. Heydenreich
II. ISLANDS KLIMA
P Heft 2 des zweiten Jahrgangs unserer Mitteilungen (Juli 1914) Seite 15
besprach Hans Rudolphi eine interessante Arbeit von. Petterson, wonach
auf Island wie in Süd- und Ostgrönland zur Wikingerzeit ein wesentlich
23
milderes Klima geherrscht haben soll als heutzutage; die Klimaverschlech-
terung habe erst im 14. Jahrhundert eingesetzt.
In Geografisk Tidskrift, 22. Band, Heft 6, Kopenhagen 1914, ging Prof.
Th. Thoroddsen in einem Aufsatz ‚Islands Klima i Oldtiden‘“ näher auf die
Annahme Pettersons ein und zeigte, daß die von diesem Gelehrten vorge-
brachten, vorwiegend negativen Beweise aus den altisländischen Quellen
nicht zu den von ihm gezogenen Schlußfolgerungen berechtigten, daß im
Gegenteil genügende positive Angaben aus der alten Literatur vorliegen,
wonach das Klima Islands in altisländischer Zeit sich von dem heutigen
nicht wesentlich unterschied. |
Thoroddsens Ansicht trat dann in Geografisk Tidskrift, 23. Band Heft ı
(Kopenhagen 1915), der Historiker Edv. Bull (Kristiania) in einem geist-
reichen Aufsatze entgegen, worin er namentlich die Beweiskraft der alt-
isländischen Literaturquellen für die Beurteilung der von Thoroddsen be-
sonders betonten Ähnlichkeit zwischen den älteren und neueren Klimaver-
hältnissen Islands als schwach und nicht genügend zuverlässig bezeichnet.
Unter Hinweisen auf den Körnerbau, den ausgedehnteren Waldbestand,
die anders geartete Tierhaltung (Schweinezucht) u. a. m. in Alt-Island glaubt
Bull, sich der Meinung Pettersons bezüglich einer im 14. Jahrhundert be-
gonnenen wesentlichen Klimaänderung anschließen zu müssen; er stellt
schließlich die Frage genauer dahin, es handle sich nicht darum, ob vor dem
14. Jahrhundert das Klima auf Island immer besser gewesen sei als heut-
zutage (ohne vereinzelt dazwischen getretene strenge Winter und dergl.),
sondern ob sich zu einer bestimmten Zeit, etwa im 14. Jahrhundert, ein offen-
barer allgemeiner Wechsel im Sinne einer Verschlechterung des Klimas
auf Island vollzogen habe, und bejaht diese Frage.
Geografisk Tidskrift brachte unmittelbar im Anschluß an Bulls Aufsatz
‘“ eine kurze Erwiderung Thoroddsens, die sich vorläufig darauf beschränkte,
_ nachzuweisen, wie die von Bull vorgebrachten geschichtlichen Tatsachen
sich aus ganz anderen Gründen, als einer katastrophalen Klimaänderung
erklären, und daß die Angriffe auf die Zuverlässigkeit der altisländischen
Literaturquellen deren Beweiskraft für das vorliegende Thema nicht zu
erschüttern vermögen. |
Die in den erwähnten verschiedenen Abhandlungen Thoroddsens gemach-
ten Angaben finden nunmehr eine äußerst wertvolle Vervollständigung in
einem zusammenfassenden größeren Werke dieses Gelehrten: ’Arferör d
Islandi i büsund dr (Islands Klima im letzten Jahrtausend), dessen ı. Heft
(von 3 Heften) vom islenzka fr&Öifjelag (Kopenhagen 1916) kürzlich heraus-
gegeben wurde. In der Einleitung weist Thoroddsen auf die hohe Bedeutung
- hin, die das Klima seit der Zeit der Besiedlung bis auf den heutigen Tag. für
24
Islands Geschick, seine Bevölkerung, Wirtschaft und Kultur gehabt hat,
und wie sich aus dieser außerordentlichen Bedeutung die stets von der ge-
samten Bevölkerung kontrollierte Zuverlässigkeit der überaus zahlreichen,
das Klima betreffenden Angaben in der isländischen Literatur von den älte-
sten bis zu den neuesten Zeiten’ mit zwingender Notwendigkeit ergibt.
Thoroddsen gibt dann eine kritische Übersicht über das gesamte vor-
handene Quellenmaterial von Gelegenheits-Aufzeichnungen in den ältesten
Handschriften bis zu den neuzeitlichen wissenschaftlichen Registrierungen ;
das Endergebnis ist, daß, abgesehen von den in fast allen Ländern beob-
achteten mehr oder minder regelmäßigen Schwankungen das Klima als
ganzes genommen in Alt-Island genau so war wie es heute ist, und daß eine
irgendwie wesentliche oder durchgreifende Veränderung weder im 14. Jahr-
hundert noch jemals sonst in geschichtlicher Zeit auf Island stattgefunden hat.
Köln Heinrich Erkes
IV. ÜBER J. C. POESTIONS VORBEREITETE UND BEABSICHTIGTE.
ARBEITEN
erfahren wir von ihm befreundeter Seite:
Nach der Rückkehr von seiner Islandreise 1906 hat P. eine umfangreiche Reisebe-
schreibung ausgearbeitet, die natürlich mehr enthalten sollte, als einen persönlichen
Bericht. Hemmnisse verschiedener Art verzögerten die Fertigstellung und so kam es,
daß diese Arbeit von anderen Reisebeschreibungen, vor allem den ausführlichen Bü-
chern P. Herrmanns überholt wurde. Infolge dessen istP. damit beschäftigt, die Arbeit
nach der kulturhistorischen und literarhistorischen Seite weiter auszugestalten, um
dafür vielleicht unter dem Titel ‚„Kulturhistorische Wanderungen auf Island‘ unter
annehmbaren Bedingungen einen Verleger zu finden.
Ferner wartete man vergeblich auf das Erscheinen der deutschen Übersetzung von
Valtyr Guömundssons Buche ‚‚Privatboligen paa Island i Sagatiden‘‘, von dem Schön-
feld in seinem Werke ‚Der isländische Bauernhof und sein Betrieb in der Sagazeit“
berichtet, daß die Bogen im Sommer 1900 in Kopenhagen dem Verfasser Valtyr Guö-
mundsson zur Durchsicht vorgelegen hätten. Diese Übersetzung, die als Anhang einen
kürzeren Auszug aus Daniel Bruuns Aufsatz über seine archäologischen Untersuchun-
gen im Julianehaabs Distrikt in Grönland mit den guten Abbildungen der alten Ru-
inen, welche die Resultate des Verfassers vollauf bestätigen, sowie auch bessere, z. B.
Porsteinn Erlingssons „Ruins of the saga-time‘‘ entnommene Illustrationen bringen
sollte, hatte P. auf Betreiben eines damaligen Wiener Universitätsprofessors angefertigt,
der ihm die Übernahme des Verlages durch eine von ihm bezeichnete wissenschaftliche
Gesellschaft in sichere Aussicht stellte. Diese lehnte jedoch ab. Als sich dahn P.s
Verleger, Georg Müller, bereit erklärte, dasWerk herauszubringen, falls sich die nötige
Anzahl von Subskribenten finde und die Subskription ausgeschrieben wurde, meldete
sich 2in Subskribent. — Merkwürdig ist es, daß P. auch für eine deutsche Ausgabe
von Nordahl Rolfsens trefflichem populären Werke ‚„Vore fx&dres liv. Karakterer. og
skildringer fra sagatiden‘‘ mit den schönen Illustrationen von A. Bloch keinen Ver-
leger finden konnte. Es sei auch hier erwähnt, daß 1914 eine neue (6.) Auflage von P's.
Übersetzung der Thoroddsen’schen Novelle „Piltur og stülka‘“ in Reklams Universal-
bibliothek erschien, ohne daß dies auf dem Titelblatt bemerkt und ohne daß P. früher
von dieser bevorstehenden Neuauflage verständigt worden ist, so daß er nicht in der
Lage war, Einleitung und Anmerkungen, die veraltet sind, zu berichtigen.
25
Poestion arbeitet ununterbrochen an einer weiteren Ausgestaltung, beziehungsweise
Fortsetzung seiner ‚‚Isländischen Dichter‘‘ der Neuzeit und der „Eislandblüten‘ bis auf
die Gegenwart, obgleich leider keine Aussicht vorhanden sein soll, daß diese Bücher,
besonders das erstgenannte, eine Neuauflage erleben werden. Er übersetzte teils für
diese Werke, teils für seine Reisebeschreibung schon bei 40 neue Gedichte (darunter
noch ıo von Bjarni Thorarensen, 7 von Benedikt Gröndal, 3 von Grimur Thomsen.).
Eine Monographie über den letzten katholischen Bischof Islands, J6ön Arason, ‚„Is-
lands besten Sohn‘‘, hat er so gut wie abgeschlossen. P. hat auch eine sehr umfassende
Grammatik des Neuisländischen (nach dem Muster seines kürzlich auch wieder in der
3. Auflage in Norwegen so viel gerühmten Lehrbuches des Norwegischen) ausgearbeitet,
jedoch mehr zu seiner eigenen Belehrung als in der Absicht, sie herauszugeben, denn
er findet, daß eine selbständige gründliche und wirklich zutreffende Darstellung der so
schwierigen isländischen Schrift- und Volkssprache auf theoretischem Wege durch einen
Ausländer nicht möglich ist und daher nur von einem sprachgelehrten Isländer ge-
liefert werden kann. Ebenso hat P. schon vor 35 Jahren ein zsländisch-deutsches und
deutsch-isländisches Wörterbuch begonnen, das er bis auf den heutigen Tag fortführt
und in welches er bestrebt ist namentlich auch solche Bedeutungen, Ausdrucksweisen
und Redensarten aufzunehmen, auf die in den vorhandenen isländischen Wörter-
büchern keine Rücksicht genommen wurde, die ihm aber durch Anfragen bei den Is-
ländern bekannt geworden sind. — Von einer schon oft von ihm verlangten und zum
Teil schon vorbereiteten Neuauflage seines längst vergriffenen, auch bereits veralteten
Buches ‚‚Island‘‘ sowie auch von der Herausgabe eines ebenfalls oft von ihm abgefor-
derten kleineren, populären und illustrierten Werkchens über Island, Arbeiten, die er
wegen Zeitmangels noch nicht hatte ausführen oder vollenden können, glaubt er nun-
mehr ganz absehen zu können, seit Valtyr Guömundssons ‚Island am Beginn des
20. Jahrhunderts‘ und P. Herrmanns Islandwerke vorliegen. Eine neue, um Alfen-
und Draußenliegerstücke vermehrte Auflage der ‚‚Isländischen Märchen‘ soll bei E. Die-
derichs erscheinen. Es ist sehr zu bedauern, daß P. für seine literarischen Arbeiten
immer nur so wenig Zeit zur Verfügung gestanden hat.
Zum Schlusse noch die Mitteilung, daß P. seine große Bibliothek von Skandinavica,
besonders Islandica, der Universitätsbibliothek in Graz zu vermachen gedenkt,.da er
an dieser Universität (seines engeren Heimatslandes Steiermark) im Wintersemester
1874/75 bei Schönbach seine nordischen Studien begonnen hat und sich freuen würde,
wenn durch seine Schenkung dort, wo Karl Weinhold sein klassisches ‚Altnordisches
Leben‘ geschrieben und Ferd. Khull der deutschen Lesewelt eine Anzahl isländischer
Sagas durch treffliche deutsche Übersetzungen oder Bearbeitungen zugeführt hat, etwa
auch dem Neuisländischen die ihm gebührende Beachtung zugewendet werden sollte.
V. NACHRICHTEN AUS ISLAND
I. Wie die Engländer Island behandeln. WTB Kopenhagen, 26. Mai. (Telegr.)
Die englische Regierung legte Island für die Erlaubnis der Zufuhr von Salz
und Kohlen außerordentlich scharfe Bedingungen auf. Die isländischen Kauf-
leute müssen eine Erklärung unterzeichnen, in der sie sich verpflichten, dem
englischen Vertreter auf Verlangen ihre Geschäftsbücher und Korrespondenz
zur Untersuchung zur Verfügung zu stellen, ferner weder Salz noch Erzeug-
nisse, für die Salz verwandt wird, nach England feindlichen Ländern oder
nach Dänemark, Norwegen, Schweden oder Holland zu senden. Bei Über-
tretung dieser Erklärung müssen die isländischen Kaufleute eine hohe Geld-
strafe an England zahlen.
Ekstrabladet bemerkt hierzu: „Es scheint somit den Engländern noch
26
nicht klar zu sein, daß Island ein Teil von Dänemark ist, was man übrigens
schon aus der Art und Weise erraten konnte, in der sie sich die nach Island
bestimmte dänische Post des Dampfers Botnia zu behandeln erlaubten.
2. Seit einigen Monaten hat Dr. Alexander J öhannesson die Geschäfte des deutschen
Konsuls für Deutschland vertretungsweise übernommen. Wir freuen uns, die Ver-
tretung Deutschlands in so guten Händen zu wissen.
3. Dr. Alexander J öhannesson ist mit einer Übersetzung von Schillers Jungfrau von
Orleans ins Isländische beschäftigt, die demnächst fertig sein wird.
4. In Kopenhagen hat sich eine Gesellschaft gebildet, die den Kohlenbruch auf Island
in großem Stil betreiben will. Man hofft auf günstige Ergebnisse, die die südlich des
Patreksfjördöur gefundenen Steinkohlenminen bringen sollen.
5. An der Westküste Islands herrschen die Masern, die durch den Dampfer ‚‚Flora‘‘
in der Zeit vom 13.—15. April in den Häfen Reykjavik, Patreksfjöröur, Hölmsvfk
verbreitet wurden. Das Schiff war aus Norwegen gekommen und lange in England
zurückgehalten worden.
6. Am 6. Mai trat ein Streik der Hochseefischer ein, die aus den günstigen Markt-
gelegenheiten Vorteile für sich zu erzielen streben. Eine Einnahme von 400—500 Kr.
monatlich ist für einen Fischer bereits durchaus üblich.
7. Der Dichter Jönas Guölaugsson ist am 18. April 1916 in Skagen (Jütland) gestorben.
Von ihm stammen mehrere Gedichtsammlungen in isländischer (Vorblöm, Dagsbrün),
später in dänischer Sprache (Sange fra Nordhavet, Sange fra de blaa Bjserge, Viddernes
Poesi), auch einige Erzählungen (Solveig og hendes bejlere, Monika, Bredefjordsfolk)
in dänischer Sprache. Sein Talent war noch nicht zur voller Entfaltung gekommen.
Am 9. März starb in Bjarnastaöahliö im Vesturdal der unter dem Namen Ssmon
Dalaskdld bekannte Bauer Simon Björnsson (geb. 1844). Er war ein Meister in soge-
nannten Lausavisur.
8. In Dänemark wurde ein dansk-islensk Samjund gegründet, eine dänisch-isländische
Gesellschaft, die ähnliche Absichten verfolgt wie unsere Vereingung; die Ziele sind
etwas weiter gesteckt als die unsrigen. Man rechnet offenbar auf mehr Mitglieder und
mehr Geld als wir es besitzen.
9. Immer mehr nimmt auf Island die Neigung zu, Familiennamen wie die anderen
europäischen Völker auf gesetzlichem Wege anzunehmen. Im Auftrage der Regierung
haben Einar Hjörleifsson, dr. Guömundur Finnbogason und Oberlehrer Pälmi Pälsson
eine Denkschrift verfaßt, die die Bevölkerung über die Grundlagen dieser Bestrebungen
aufklären soll und Anleitung zur Wahl passender Namen gibt. Empfohlen wird, Namen
nach den Eltern zu wählen, nach dem Wohnort, nach beliebigen Wörtern der Sprache,
nach berühmten Männern der Vorzeit. Die Namen nach dem Vater auf son werden
abgelehnt, weil man diese als Familiennamen nicht erkennen kann. Einar Hjörleifsson
selbst hat auf gesetzlichem Wege den Namen Kvaran angenommen; der Schriftleiter der
Zeitung Lögrjetta hat den Namen Gislason als Familiennamen sich gesetzlich bestätigen
lassen; Prof. Haraldur Nfelsson hat für seine Kinder den Namen Haralz bestimmt. —
Es gibt aber auch Gegner dieser Bestrebungen. Bjarni Jönsson fr& Vogi hat im Stüdenta-
felag einen Vortrag gehalten und drucken lassen mit dem Titel: „Kulturbestrebungen
und Barbarei‘‘, indem er sehr temperamentvoll gegen diese Absichten Stellung nimmt.
ıo. England hat Dänemark versprochen, die Dänische Post nach Island künftighin
unangetastet zu lassen.
ıı. Der Bildhauer Einar Jönsson hat einen Entwurf zu einem Standbild von Dor-
finnur Karlsefni vollendet; ein Verein in Amerika will dem Entdecker Vinlands des
Guten ein Denkmal setzen.
ı2. An der Universität Reykjavfk hat sich ein Verein der Studierenden gebildet
„stüdentafjelag häsk6lans‘' im Gegensatz zum „stüdentafelag‘‘, dem alle Männer ange-
hören können, die die höhere Schule in Reykjavik durchgemacht haben.
27
13. Teuerung der Lebensmittel auf Island. Nach den Aufstellungen des statistischen
Amtes für Island beträgt die Preissteigerung der notwendigen Lebensmittel und Be-
darfsgegenstände einschließlich Heizung seit Kriegsausbruch bis Apen 1916 in Reyk-
Ja im Durchschnitt nicht ae als 4 Io
v1 J AHRESBERICHT ÜBER DAS GESCHÄFTSJ AHR
1915/1916.
Der Mitgliederstand. war am I. Juli 1915: 145.
Seit dieser Zeit sind bis jetzt 10 neue u ae angemeldet, Abbe sind ı 3 (da-
von 4 f) und zwar:
Prof. Lehmann-Göttingen; Regierungsrat Dr. Lenk-Wien; Dr. Rud. Schmidi-
Dresden; Dr. Friedr.. Fischer-Göttingen T, (gefallen); Dr. L. Freund-Prag; Prof. Dr..
Kaumans- Kiel; Prof. Franz Kuntze-Weimar; O. M. Werner-Berlin; Direktor Zitzla/f-
Geestemünde; Prof. Dr. Gebhardt-Erlangen t; Gg. H. F. Schrader, Akureyri. h; Dr. Rolf
Görgey-Wien } (gefallen); Geh. Justizrat Prof. Dr. Papdenheim-Kiel.
Also Mitgliederstand am ı. Juli I9I5 . . 2. 2. 2 2 2 2 2 nn ne er SR: ©;
Abgang (siehe vorstehend). . . ... .» Ba ee a en er ed
= 132
Neuanmeldungen . . » 2 2 2 22 202 0 0. a ar a er DE u Be de 5 er a TO
so daß der Mitgliederbestand . . . 2. 2. 22.2.0... Er . 142
beträgt. Davon mußten leider noch gestrichen werden wegen Verweigening der
Beitragszahlung .; »- so. su u & 2.00% wi 2 wi ri EEE
so daß am ı. Juli 1916 an Mitgliedern a er ee SER! oo. 137
zu verzeichnen sind.
1. Infolge schwerer Erkrankung des ı. Schriftführers, Herrn Sanitätsrat Dr. Cahn-
heim, wird dieser Bericht über den Mitgliederstand durch den Kassenwart erstellt.
Mehrere Mitglieder, die auf verschiedene Zuschriften nicht geantwortet und mehrere
Jahre keinen Beitrag bezahlt hatten, mußten leider gestrichen werden. Ein neues Mit-
gliederverzeichnis soll erst nach dem Kriege gedruckt werden.
2. Am ı. Juli 1915 waren vorhanden
Saldo. 2... . U a ee Er ven. 246,93 M
Einnahmen an Mitgliederbeiträgen EEE ET TE .: . 2.0.0. 741,82 „
Sonstige Einnahmen . ... . PERBETITTT et wie ae 1,80 4
| S Summe 990,55 M
Ausgaben: |
Druck von Heft I/II... ...... . 264,80 M
+ III sw. er TO 2 er
sn EV ee Gr ea 188,40 „ _ 636,55 M
Verschiedene sonstige Ausgaben für Brief- a ne i
papier u. Drucksachen, Porto und dergl. 155,65 M - 792,20 M
Daher Restbestand. . .. . a ee een 08,350
3. Durch treue Mitarbeit mehrerer Mitglieder war es möglich, auch in diesem Kriegs-
jahr die Herausgabe der „Mitteilungen“ in dem entsprechenden Umfang aufrecht zu
erhalten. Der an die Mitglieder immer wieder gerichtete Wunsch des Herausgebers,
soweit nicht Mitarbeit überhaupt in Frage kommit,' wenigstens durch Mitteilung von
Wünschen, Anregungen oder dergl. der Sache zu dienen, ist unerfüllt geblieben. Hof-
fen wir, daß im nächsten Jahre, in dem hoffentlich friedliche Verhältnisse eintreten
werden, das Versäumte nachgeholt wird. Scheint den Mitgliedern der Jahrgang
1915/1916 unserer „Mitteilungen‘‘ etwas einseitig, so’ bitte ich das mit den Schwierig-
keiten zu erklären, die in den gegenwärtigen Verhältnissen natürlich sind.
28
F)
Ara Da img
EUGEN DIEDERICHS VERLAG IN JENA
HÜTE
Altnordische Dichtung und Prosa
Herausgegeben von Professor DR. FELIX NIEDNER
24 Bände. Jährlich erscheinen 3 bis 4 Bände
FELIX NIEDNER, ISLANDS KULTUR ZUR WIKINGER-
ZEIT. Einleitungsband, mit 24 Ansichten und 2 Karten. br. M 4.50,
geb. M 6.—
Die Aufgabe dieses einleitenden Bandes ist, das historische Verständnis der Sagas und der
Skaldendichtung zu erschließen. Große Sachkenntnis und klare Darstellungsgabe vereinigen
sich mit knapper künstlerischer Form.
Unentbehrlich ist aber dieser Band für die Käufer der Sagas, weil er zwei von Professor
Herrmann gezeichnete Karten enthält. Die eine verdeutlicht die Schauplätze der Sagas,
die andere gibt einen Überblick über die Wikingerzüge bis nach Amerika und bis zum
Mittelmeer.
Bd.ı EDDAI, HELDENDICHTUNG. Übersetzt von Felix Genz-
mer. Mit Anmerkungen und Einleitung von Andreas Heusler.
8. Tausend. br. M 3.—, geb. M 4.50
Leipziger Neueste Nachrichten: Genzmer kommt der Kongruenz mit dem Originale
so nahe, daß man das Empfinden, eine Übertragung zur Hand zu haben, vollständig verliert,
Sie ist vielfach von so konzentriert anschaulicher Darstellung, daß sie wie gehämmert er-
scheint, gehämmert mit der Wucht bildstarker, kurzer nackter Sätze. Diese Übersetzung ge-
stattet uns ein Einleben in die heidnisch-heldige Zeit wie keine ihrer Vorgängerinnen.
Bd. 2 EDDA U, GÖTTERDICHTUNG UND SPRUCHDICH-
TUNG. Übersetzt von Felix Genzmer. (Erscheint nach dem Kriege.)
Bd. 3 DIE GESCHICHTE VOMSKALDENEGIL. Übersetzt von
Felix Niedner. 4. Tausend. br. M 4.—, geb. M 3.50
Literarischer Handweiser: In Egilist der wilde Geist desalten heidnischen nordischen
Reckentums noch treu erhalten. Schrankenlose Rachsucht, Habsucht, Zerstörungslust, raffi-
nierteste Hinterlist gegen den Verräter auf der einen Seite, auf der anderen heldenhafte
Furchtlosigkeit und Tapferkeit, Freundestreue, Großmütigkeit, Rechts- und Mannesstolz —
all das erscheint hier ins Gigantische gesteigert und in der großen wilden Gestalt dieses
Skalden zu lebendig individueller Einheit verkörpert. Dem Besten, was der moderne Mensch
in sich trägt, kommt das bedeutende Werk entgegen.
Bd.4 DIE GESCHICHTE VOM WEISENNJAL. Übertragen von
Andreas Heusler. Mit einer Karte, br, M 6.—, geb. M 7.350
Volksblatt Wien: Die Njalssageübertrifft an Umfang, Großzügigkeit der Darstellung und
an Feinheit der Charakterzeichnung alle anderen. Sie ist das Werk eines großen Dichters.
- Nirgends sonst findet sich eine solche übergroße Fülle lebensfroher Gestalten. Der weise,
gütige Njal, der waffengewaltige Guunar und Kari, der Ritter ohne Furcht und Tadel; von
den oft feinziselierten Nebenfiguren ganz zu schweigen. Oder welch gewaltige Frauengestal-
ten birgt dieses große Drama von Weiberhaß und Weibertücke in sich! Man denke an
Hallgerd, Bergthora, Hildigun. Der Künstler erschöpft sich nicht an der bloßen Realistik,
er strebt darüber hinaus zu etwas Höherem. Seinem tiefsten Wesen nach ist er Idealist
und so erscheinen alle seine Figuren wie auf Goldgrund. Vom Stile kann nicht Lobes genug
gesagt werden und man weiß nicht, was man mehr rühmen soll: die naturfrische Sprache,
die wirklich Sprache des Lebens ist; den gewichtlosen Satzbau; den geistreichen Dialog mit
seinen Spitzen Redepfeilen ; oder endlich den vielbewunderten Rhythmus der W.ortstellung.
Freilich war auch ein Meister am Werke.
E a
\ Digitized by (sOOogle
> VO
Bd. 5 DIE GESCHICHTE VON DEM STARKEN GREIIR,
DEM GEÄCHTETEN. Übersetzt von Paul Herrmann. Mit 8 An
sichten und ı Karte. br. M 5.—, geb. M 6.50 SE
Diese Saga gibt uns das herbtragische, von abergläubischen Vorstellungen und Märchen t n- #
sponnene Bild eines vom Schicksal verfolgten Mannes. Grettir ist Islands sagenumwoben et h
Nationalheldgeworden,unterallen Charakteren derSagasteigteralleinins Symbolischehinauf: ” 1%
nn GE EER u a u uw
Bd,6 DIE GESCHICHTE VON DEN LEUTEN AUS DEM
LACHSWASSERTAL. Übertragen von Rudolf Meißner. Mit einer |”
Karte und einer Stammtafel. br. M4.—, Hperg. geb.M5.50 |
Diese prächtige Saga mit ihren starken Charakteren ist eine prosaische ‚Schwester der |
eddischen Dichtung und umfaßt die Schicksale von 8 Geschlechtern; sie spielt im Tälerbı Se
zirk des Hvammsfjords undreicht von der Mitte des 9. Jahrhunderts bis 1073. Diese Bauern- ar
geschichte erhebt sich in ihrem Hauptteil zu ergreifender Tragik. Schon um der Gestalt | |
der Gudrun willen gehört sie zu den ewigen Meisterwerken der Weltliteratur. Me f
=. L
7 |
TREE EG EHE k 7:
Bd. 7 DIE GESCHICHTE VOM GODEN SNORRI. Übertragen”
von Felix Niedner. (Erscheint Frühjahr 1917) | =
er DET
Bd.g VIER SKALDENGESCHICHTEN. Übertragen von Felix |
Niedner. br. ca. M4.50, geb. M 6.— 227 FE
In der Persönlichkeit des Skalden hat der heldenhafte und künstlerische Geist desalten Island "}
seinen vielseitigen Ausdruck gefunden. Die eingestreuten Skaldenlieder haben mit den Lie | f
dern der „Edda“ das gehobene Lebensgefühl gemeinsam un
* durch die Stimmung des Augenblicks.
durch die Stimmung des Augenbile@S- 17 1 7
Bd.ıoFUNF GESCHICHTEN AUSDEM WESTLICHEN NORD- |
LAND. Übertragen von Frank Fischer und W.H. Vogt. Mit einer
Karte. br.M 5.—.,. geb. M 6.50 | >
Von den kleineren Sagas zeigen die aus dem westlichen Nordland das alte Heldentum ver- |
bunden mit siegreicher Bauernpfiffigkeit; in denen aus dem östlichen Nordland erscheinen
mehr kondottierenhafte Haudegen; die aus dem Ostland haben kleinbäuerlichen Hintergrund. "7
Bd. ıı FÜNFGESCHICHTEN AUS DEM ÖSTLICHEN NORD- |
LAND. Übertragen von Wilh.Ranischund Frank Fischer. (Erscheint }°
Frühjahr 1917) 2
In den Sagas aus dem Nordosten des Inselfjords herrscht allenthalben Fehde und Blutver- |
gießen. In Glum ist ein berserkerartiges Draufgängertum mit ausgesuchter Hinterlist gepaart; |
doch versöhnt uns mit ihm seine Skaldendichtung, Es liegt eine tragische Ironie darin, daß |
er im Gesang nicht verbergen kann, was er sonst mit äußerster Schlauheit und Tücke, auch f
durch zweideutige Eide, verbirgt. ; FR Br
v |
Sa 12 SIEBEN GESCHICHTEN VON DEN OSTLAND-FAZI
-.=
——
-
ei \
7
|
0
MILIEN. Übersetzt von Gustav Neckel. br. M 3.50, geb.M5.— |
Diese Geschichten sind geographisch und innerlich eine Einheit. Mehr.novellistisch gehalten
als andere Sagas, stellen sie die Sagawelt mit ihrem Thema: „Menschengröße und Menschen-
schicksal‘‘ im kleinen dar, ra Zu
Bd. ı3 GRÖNLÄNDER UND FÄRINGER GESCHICHTEN.
Übersetzt von Erich von Mendelssohn. br. M 5.—; geb.M 6.50
General-Anzeiger fürHamburg-Altona: Wie die Egilsaga die Entdeckung und E
siedelung Islands, sobehandeln die vorliegenden Geschichten zum größten Teildie Besiedel
Grönlands und Abenteuerfahrten nach dem amerikanischen Festland. KT:
\
(
.
.
|
|
Br
we
.
ng
*
Ausführliche Verzeichnisse über dıe Samm-
lung Thule sind vom Verlage zu haben RE: fr
| .. u
- > 'y en ee
a x
3, er u
E20 PT
Pe u; ni rt. .
u ?, Ey FI _
u"; 4
Fu
215 u.
4
-
a
D “.
Digitized by Google
HEFT 2
CHS.IN JENA
tizedb
D
m
m me
a ei
m m u Bm
wm m
u u I
m me B- De
m> m De me
m m m um
m nm Be
ee u —
m [| u
LIKLARABKAL ALU
m
=
[2
-
Em
om,
4
=
=
=
=»;
|
u-
OKTOBER 1916
LEGT BEI EUGEN DIE
EIBRARN
DER ISLANDFREUNDE
ORGAN DER VEREINIGUNG
“IV.JAHRG.
=
IE EN
er]:
ut
-t > .
For:
‘ ' A . e d
os, “ f . f 4 i a . h -# E ur € } r 1
Ent - - . = ee — rn
— u sun ET ET Er w— - .
s \
zn ee - ee
|| —— - 7 Pr u
Inhalt
I. Sigurdur Sigurösson, An Deutschland ............ 29
II. Derselbe, Der’heilige’Hain 7.7. 22 Eee: 30
III. Paul Herrmann, Die'Glama- 2 2222 rs 31 A
IV. J.C. Poestion, Gunnar von Hlidarendi ....... TR 39
V- Nachrichten’aus Island See 43
Adressenänderungen, Mitgliederstand ............ 44
Tafel'ı.. Langabol am’Isatjöröur . „2. en. Ser
Blick auf die Gläma vom Dyratjöröur AUSEREWEERER
Tafelar@lama;"höchsterBunkt rer
Glama; Paß nach dem Arnarfjöröur ........
An unsere Mitglieder
Da mit dem ersten Hefte des vierten Jahrganges unserer
„Mitteilungen“ zugleich unser
neues Geschäftsjahr — ı. Juli ee —
begonnen hat, gestatten wir uns zu bitten, den für das
genannte Geschäftsjahr fälligen Jahresbeitrag mit M 6.—
an unseren Kassenwart, Herrn Eugen Diederichs, Jena,
einzusenden.
Die Mitglieder, die noch mit Zahlung ihres Beitrages
für das vergangene Geschäftsjahr im Rückstande sind,
bitten wir, den entfallenden Betrag ebenfalls an die ge-
nannte Adresse einzuzahlen.
Nur durch pünktliche Erfüllung dieser Bitten setzen uns
die geehrten Mitglieder in die angenehme Lage, die
„Mitteilungen der Vereinigung“ auch weiterhin erschei-
nen zu lassen.
Digitized by Google
MITTEILUNGEN DER
ISLANDFREUNDE
ORGAN
DER VEREINIGUNG DER ISLANDFREUNDE
HERAUSG.: PROF. DR.W.HEYDENREICH IN EISENACH U. DR. H.RUDOLPHI |
IN LEIPZIG / VERLAG VON EUGEN DIEDERICHS IN JENA
Die Mitteilungen der Islandfreunde erscheinen als Vierteljahrsschrift und
werden den Mitgliedern der Vereinigung kostenlos geliefert und vom Verlage
zugesandt. Der Mitgliederbeitrag beträgt jährlicı 6 Mark
IV. Jahrg. Oktober 1916 | Heft 2|
1. DYZKALAND. AN DEUTSCHLAND!
Heill se per, heill se per, hreystinnar land, Heil dir, Heil dir, der Helden Land!
med hugprydi og karlmensku porid, Im Herzen des Mutes Wonne
og manndömsins kraft til ad bera Pinn und Manneskraft unter Kampfgewand,
blessi pig sölin og voriö! [brand, dich kröne des Frühlings Sonne!
Herörn pinn fljügi yfir lög og 1ä4ö Dein Adler sich schwinge über Aue und Flut
sem lifandi mynd af hetjudäd. das Abbild von Deutschlands Heldenmut!
Heill se per, vinnu og visinda land, Heil dir, des Wissens geheiligtes Land,
med vit til ad reisa og brjöta. wo die höchsten Güter entsprießen.
Pu breidir üt fangiö sem bylgjan viö sand Den Busen uns streckst wie die Brandung
am Strand
og byöur oss hinum ad njöta und beutst uns den andern genießen
og lauga oss f spekinnar lindunum beim, und baden im Weisheitsborn uns gesund,
lengstum og dypstum og mestum fi heim. dem besten und tiefsten im Erdenrund.
Heill se per. landiö meö listanna sveig Heil dir, der Künste bekränztes Land,
og logandi eldinn i barmi. mit kochendem Blut im Herzen.
Hvar drukku eyru vor tönanna teig Ein Land nie laut’rere Töne fand
tzrara { gleöi og harmi? des Lebens Freuden und Schmerzen.
öll veröldin skuldar per pökk fyrir pad, Die Welt steht zu dir in Dankespflicht
sem pjööverskur snillingur söng eda kvad. für deutsches Gefühlin Gesang und Gedicht.
Heill se per, landid med sorganna sj66, Heil dir, der schweren Sorgen Land,
signad { voda og raunum, gesegnet in qualvollem Streben,
med hetjur, er gäfu sitt heilaga bl6ö mit Helden, die gaben als heiliges Pfand
0g hlutu svo eilifö ad launum. ihr Herzblut zum ewigen Leben.
Täranna dögg yfir gras og grund Erblühen wird in Acker und Au
gefur ber framtidar uppskeru if mund. die Ernte dem blutigen Zährentau.
! Das Gedicht steht isländisch und deutsch in „Isafold‘‘ vom 23. 8. 1916. Die deutsche
setzung, bei der besonders noch auf den Stabreim hingewiesen sei, ist eine prächtige
Leistung eines Isländers. Der Herausgeber der ‚Mitteilungen‘ hat eine größere Anzahl
des betreffenden Blattes liegen und stellt sie den Mitgliedern auf Wunsch zur Verfügung.
3 29
Hreystinnar, lista og pekkingar pj6d, Tapferes Volk, es fällt uns schwer
bungt er aö horfa’ & pig blz&da, dich fechtend im Bilute zu sehen,
en vitiö pitt segir, ad sorgin er g6d, du weißt, daß auch schön ist ein Sorgenheer,
ef hün svifur meö andann til hxöa. denn es’schwebt mit dem Geist in die Höhen.
Alvaldur snti per öllu til hröss, Die Allmacht gebe, daß in Ewigkeit
eiliföargengis og framtiödarljöss ! dir alles blühe im Lichte der Zeit!
Sigurdur Sigurdsson Übersetzt von Dr. Alexander J shannesson
I. DER HEILIGE HAIN
Von SIGURD SIGURDSSON?!
In scharfem Schreiten,
Glücks und Unglücks Zeiten
Eilt das Leben stromgleich hin wie Träume gleiten.
Tief am Boden, trotz der Freuden Klänge,
Unter Steinen, liegt der Schmerzen Menge.
Jubelschall erstickt in innerem Klagen,
Mag die Freude noch so hoch sich wagen.
Sinkt die Nacht herein, dann nagen
Frühre Zeiten an des Herzens Enge.
Wenn Dunkelheit schreitet,
Denkraum sich weitet,
Wachen Sorgen, über Freuden Schlaf sich breitet.
Frührer Jahre Töne hört man klingen
Leichter Tage schrille Laute singen:
Kampfesstolz jetzt Friedensbitten sendet,
Frohes Lachen schweigt, die Rede endet.
Hilf’ und Ausweg fehlt, der Geist sich wendet
Funken zu, die heil’gem Feu’r entspringen.
Das stille Heiligtum im Traum
Gewährt durch Himmels Gnade Raum
Dem Armen wie dem Reichen,
Wo ständig blüht der grüne Baum,
Ein hehres Friedenszeichen,
— Fern von des Meeres Brandungsschaum —
Wo alle Schmerzen weichen.
Mit bloßem Fuß sollst du dem Saum
Des Opferherds erreichen.
! Das Gedicht soll den Verfasser des Grußes „An Deutschland“ einigerm2! Dankesgrü
machen, und zugleich soll die Übersetzung und Verbreitung desselben er uf Wieder
eines Deutschen an den Verfasser sein. Wie in früheren Versuchen habe ich ® w.f.
gabe der Alliteration verzichtet, dafür Metrum und Reim streng eingeb er
30
Gen bekannte!
Zum Opfer gib dein Herzensblut,
Des Denkens bestes Geistesgut
Leg’ am Altare nieder;
Wie Herzen läutert Jammersglut,
Von Schlacken reinigt wieder,
Holt dort der Dichter neuen Mut
Und feinsten Stahl die Lieder.
Dann hält sein Sang in heil’ger Hut
Die Muttersprache bieder.
So komm’ und schwör’ beim heil’gen Herd,
So viel dein Kreis dir Kraft gewährt
Dem Haine Treu’ zu halten;
° Was Wunder uns das Auge lehrt,
Was Geisteskräfte walten,
Was Schönheit uns die Welt beschert,
Seh’n dort wir sich gestalten.
In diesem Hain, verehrungswert,
Die Herzen nie erkalten.
Altars Strahlen
Auge glänzend malen
Wärmen Dichters Herz, erregen Freud’ und Qualen.
Wie Wellensäuseln und wie Meeresbeben
Hauch und Sturm im Reich der Töne wechseln.
Des Himmels Pracht und Erdenleid erklingen
In den Herzen, wenn die Saiten singen;
Wo die Klänge in die Seele dringen,
Wird der Geist zum wahren Ziele streben.
IT. DIE GLAMA
Von PAUL HERRMANN
I. Geschichte der Forschung
N)‘ Gläma liegt auf der großen Halbinsel Vestfirdir (‚‚Westfjorde‘), die
sich wie eine ungeheure Hand mit vielen gigantischen Fingern ins Meer
nach NW. erstreckt, zwischen dem Arnarfjöröur und dem I’safjaröardjüp
(„Eisfjordtiefe‘‘), nimmt also dasinnere Hochland zwischen der Bardastrand-
arsysla und dem südlich des I’safjaröardjiip gelegenen Teile der I’safjardar-
sysla ein. Die Bewohner des Dyrafjöröur und Arnarfjöröur (mit seinen
Verzweigungen Borgar-, Geirbjöfs-, Trostans-, Reykjar- und Fossfjöröur)
” 34
müssen also, ebenso wie die Leute der Fjorde des nördlichen Breiöifjöröur,
vom Vatnsfjöröur an bis zum Skälmarfjöröur, über die Gläma ziehen, um
auf dem Landwege nach den Gegenden an der Eisbuchttiefe zu gelangen.
Südlich von dieser schneidet eine so große Menge von Seitenfjorden in das
Land ein, daß der Weg die Küste entlang, wenn man die Gläma umgehen
wollte, außerordentlich zeitraubend wäre. Außerdem sind die Küstenberge
in diesen Fjorden sehr steil, oft geradezu unpassierbar. Obwohl also die
Gläma die einzige Verbindung zu Lande zwischen diesen großen Fjorden ist,
wird sie doch nur sehr selten benutzt. Es gibt mindestens drei Wege über
die Gläma. Von Vattarnes am Skälmarfjöröur (skälm = kurzes Schwert)
nach dem Y’safjöröur führt die Skälmardalsheiöi, ein oft benutzter Weg;
unter einer „heiöi‘‘ ist nicht das deutsche ‚Heide‘‘ zu verstehen, sondern
eine Hochebene oder ein Plateau. Der zweite Weg führt vom Skälmarfjöröur
nach dem Geirpjöfsfjöröur den südlichen Rand der Gläma entlang, er wird
gar nicht mehr benutzt. Der dritte ist der Hauptweg, heißt darum auch
schlechthin Glämuvegur (vegur = Weg) oder seit altersher Glämuheiöi und
geht vom Arnar- oder Dyrafjö:öur nördlich über die Gläma nach den Fjorden
des I’safjaröardjüp. Einen vierten Weg kennt die Volkssage, er soll vom
Vatnsfjöröur nach dem Geirpjöfsfjöröur geführt haben, bildete also gewisser-
maßen eine Teilstrecke des zweiten; ‚Männer der Vorzeit‘ sollen über einen
Fluß am ‚„Wasserfjord‘‘ eine Brücke gebildet haben, indem sie quer über
das schmale Felsenbett drei große Steine wälzten. Der isländische Natur-
forscher Sveinn Pälsson (I762—1840), der die erste zusammenhängende Be-
schreibung der Gletscher Islands geliefert hat, erwähnt einen alten Gebirgs-
weg (Fjallasyn) quer über die Gläma vom I’safjöröur nach der Baröa-
strönd. Noch 1855 dachte man ernstlich daran, ‚wie man einen Weg finden
und legen könnte über die Glämuheidi, vom Dyrafjöröur nach dem Innern
des I’safjaröardjüp und ebenso nach dem Vatnsfjöröur und der Müläsveit
Baröastrandarsyslu‘“ (d. h. bis Vattarnes und der Halbinsel zwischen dem
Kerlingar- und Skälmarfjöröur; Thoroddsen, Lysing IY’slands II, S. 16,
Anm. ?). Aber die aufkommenden Küstenfahrten der Dampfer haben diesen
Plan wohl für immer vernichtet.
Für unsere Zwecke kommt nur der Hauptweg, der Glämuvegur, in Betracht.
Es gilt zunächst, die Zeugnisse über ihn vom Altertum bis zur Gegenwart
zu sammeln und aus diesem Zeugenverhör festzustellen, als was die Gläma
den Menschen der verschiedenen Zeiten gegolten hat, ob sie sie für einen
Gletscher oder für ein Firnfeld gehalten haben. Denn die etymologische
Deutung des Namens führt zu keinem Ergebnis: altnordisch glämr = blaß-
gelb, norweg. glaamen = blaß, von kränklichem Aussehen, glaama — blauer
Fleck in der Haut, schwed. glämig = der blasse Gesichtsfarbe und blaue
32
H. Benary phot. 1914
nennen nu nn nn m nn nn — 1m
‘
.
t
Laugaböl am Isafjördur
H. Benary phot. 1914
NEE
a 7
Bi
Blick auf die Gläma vom Dyrafjöröur aus
Ringe unter den Augen hat (mein Island, III, S. 171; Falk-Torp, Norwegisch-
Dänisches Etymologisches Wörterbuch, 1910, I, S. 324). Gläma könnte also
sowohl ein blasses Schneefeld wie einen mattblauen Gletscher bezeichnen,
oder einen Gletscher oder ein Schneefeld, deren Oberfläche nicht ganz weiß
ist, sondern große, schwarze Flecken aufweist.
Eine mythische Überlieferung von der Gläma gibt es nicht. Glämr wird
in der Edda des Snorri Sturluson (Ausgabe von Finnur Jönsson, Kopen-
hagen 1900, S. 198) unter die Riesen gezählt, und in der Bärdar saga Sn&-
fellsäss, deren Grundstock Volkssagen bilden, die sich die Bewohner der
Gegend um den Snfellsjökull von dem Berggeist Bärör erzählten, werden
bei einem Gastmahle der Riesin Hit auch Glämr und A’mr aus den Miö-
fjaröarnesbjörg genannt (Ausg. von Vald. A’smundarson, Reykjavik 1902,
K. 13, S. 32). Glämr müßte also auf der Halbinsel zwischen dem Hrüta-
und Miöfjöröur gewohnt haben. Das paßt aber nicht für die Verkörperung
unseres Schneeriesen, sondern für den aus der Geschichte vom starken
Grettir bekannten dämonischen Nachtspuk. Die heutige isländische Volks-
sage hat ihn jedenfalls völlig vergessen.
“ Wenden wir uns zu den ältesten geschichtlichen Belegen, so muß zunächst
ein kleiner Irrtum berichtigt werden, der allerdings rein örtlicher Art ist.
Um das Frühjahr 866 bestieg der Norweger Flöki, den die Erzählungen der
beiden ersten Entdecker Islands, des Norwegers Naddoör und des Schweden
Gardar verlockt hatten, das ferne Land aufzusuchen, von der Baröaströnd
aus einen Berg und sah nördlich jenseits des Gebirges einen Fjord voller
Treibeis und nannte darum das Land I’sland (Eisland), wie es seitdem heißt.
Die Bewohner der Baröastrandarsysla glauben noch heute, wie mir mein
Führer Ögmundur Sigurösson erzählte, der übrigens selbst diesen Irrtum
teilte, daß Flöki die Gläma bestiegen und von hier aus die Fjorde vom Borg-
arfjöröur bis zum IY’safjaröardjüp überblickt habe. Aber diese Annahme
ist ganz verfehlt. Einmal ist die Gläma denn doch nicht von Süden im Hand-
umdrehen zu besteigen, vollends nicht ohne größere Vorbereitungen. So-
dann aber hat schon längst Th. Thoroddsen gezeigt, daß der Berg in der
Nähe von Brjänsl&@kur, von dem aus man Fernsicht hat, kein anderer ge-
wesen sein kann als die Hornatzr (740—750 m hoch): von hier aus kann
Flöki auf den Arnarfjöröur und die Südfjorde gesehen haben und vielleicht
etwas vom I’safjaröardjüp (Geschichtederisl. Geographie, übersetzt von August
Gebhardt I, 1897, S. 22, 23; Thoroddsen, Geogr. Tidskrift Bd. 22, 1914, S. 206).
Zum ersten Male wird die Glämuheiöi in der von 995—1030 spielenden
„Geschichte von den Schwurbrüdern‘‘ erwähnt (Föstbr&dra saga, Kopen
hagen 1852, K. ıo, S. 34): Der Skalde Pormöör, Schwurbruder des Porgeirr
Flävarsson, mit dem er unter dem Rasen den Blutsbrüderbund geschlossen
33
hatte, verlebte einige Winter auf Laugaböl und fing aus Langeweile ein
Liebesverhältnis mit Pördis an, der schönen Tochter der Witwe Grima auf
Ögr, einem Hof am äußersten Ende des östlichen Skötufjördur. Als Dor-
möör trotz aller Vorstellungen Grimas, die ihre Tochter nicht ins Gerede
kommen lassen wollte, von seinen Katersteigen nicht abließ, dang Grima
ihren Knecht Kolbakr, den Pormöör zu überfallen, während er über das Eis
der Bucht nach Hause ginge, nachdem sie ihn mit Zauber so gehärtet hatte,
daß ihn keine Waffe verletzen konnte. Der Überfall gelang, Pormöör blieb
sein ganzes Leben lang linkshändig. Grima aber schenkte dem durch diese
Tat friedlos gewordenen Knechte die Freiheit, darauf ritten sie mit zwei
Reit- und zwei Lastpferden heimlich bei Nacht ‚von Ögr über die Glämu-
heidi nach dem Arnarfjörör und dann über das Hochland und die Berge
entlang nach der Baröaströnd und kamen in der Nacht nach dem Fjord
Vadill‘ (heute Hagavadall). Grima und Kolbakr haben also die Gläma vom
Skötufjöröur (‚‚Rochenfjord‘‘) aus überschritten nach dem Borgarfjöröur
zu, dem nordöstlichen Seitenfjord des Arnarfjöröur; sie haben den gewöhn-
ichen Glämuweg also etwa in der Mitte erreicht. Leider ist weder auf dem
Hin- noch auf dem Rückwege die Länge der Zeit angegeben; denn daß sie
von Ögr bis Vaöill nur die Nacht des Aufbruchs bis zur nächsten unter-
wegs gewesen wären, ist ganz ausgeschlossen. Zwei volle Tage wird der Ritt
zum mindesten beansprucht haben, wenn sie überhaupt an einem Tage von
Ögr nach dem Borgarfjöröur gekommen sind.
In der großen Sturlunga saga, die die letzte Zeit des isl. Freistaates und
seinen Untergang behandelt, wird einmal die Glämuheiör, zweimal die Gläma
erwähnt (Ausg. von Kälund, Kop. 1906—ıgı1ı, Bd. I, S. 312 [Biskupas. I,
671]; 362, 452). Im Frühjahr 1213 um Langfasten brach der nichtswürdige
Porvaldr Snorrason vom I’safjöröur mit 32 Mann auf, um den edlen, künst-
lerisch hoch und religiös tief veranlagten Hrafn Sveinbjarnarson auf seinem
Hofe Rafnseyri am Arnarfjöröur zu überfallen. Sie zogen über die Glämu-
heiöi nach dem Arnarfjöröur, und als sie auf den Grund dieser Bucht
niedergestiegen waren, banden sie die Bewohner, damit keiner ihren An-
schlag verraten könnte. Der Überfall gelang. Im Jahre 1222 schickte Dor-
valdr von Reykjanes an dem Vatnsfjöröur, der nördlichen Bucht zwischen
Mjöfi- und Y’safjöröur, den Halbjörn Kalason über die Gläma nach Sandar
in der Mitte des Dyrafjöröur. Leider wird die Dauer der Reise nicht angegeben.
Im Jahre 1234 endlich zog O’roekja mit 45 Mann über die Gläma, andere
45 Mann zogen über die Hgstfjaröarheiöi und vereinigten sich im Arnar-
fjördur, um Oddr Alason auf Rafnseyri zu überfallen. O’rskja schlug also
den gewöhnlichen Weg über die Gläma ein, die andere Schar blieb etwas
nördlich. Im Jahre 1392 ritt der isländische Häuptling Vigfüs I’varsson
34
mit go bewaffneten Rittern über die Gläma (Safn til sögu I’slands II, 627;
Storm, Islandske Annaler, Christ. 1888, S. 424).
Aus diesen Zeugnissen geht einmal hervor, daß der sogenannte Glämuvegur
über den Nordrand der Gläma von den Seitenfjorden des I’safjaröardjüp
nach dem Arnarfjöröur fast 400 Jahre lang im Gebrauche war, und zweitens,
daß der Name Glämujökull (Gletscher) noch nicht bekannt gewesen zu sein
scheint. Wann diese Bezeichnung aufgekommen ist, vermag ich nicht zu
sagen; vielleicht äußern sich die Islandfreunde, vor allem Herr Professor
Thoroddsen gelegentlich darüber.
Auch die folgende Übersicht bedarf sicherlich der Nachsicht und Ergän-
zung, mir stand im wesentlichen nur Thoroddsens Landfrs&dissaga I’slands
Bd. III, IV zur Verfügung. In dem großen Reisewerke über Island schreiben
Eggert O’lafsson und Bjarni Pälsson, die 1753 den Arnarfjöröur besuchten,
(Olafsen und Povelsen, deutsche Übersetzung 1774/5 S. 202, $ 550): „Gläma
liegt im Isefjords-Syssel und reicht gegen Süden an die Grenzen von Barder-
strands-Syssel; er (!) steht also über und zwischen dem Innersten von
Arnarfjord und Isefjord. Über diesen Berg ist ein langer und beschwerlicher
Felsenweg, größtenteils über Eis, Glamu-Heide genannt, angelegt.‘“ Eggert .
und Bjami halten also die Gläma für einen Gletscher, gebrauchen aber nicht
den Namen Glämujökull. Auf der Karte von Erichsen und Schöning aber,
die ihrem Buche vorangesetzt ist (1771), führt die Glaama Heyde von Mjöfi-
Fjöröur in kühnem Schwunge nw. nach dem Dyrafjöröur und berührt nur
ein ganz kurzes Stück den Glaama Jökull. O’lafur O’lafsson besuchte 1775
auf seiner ersten Islandfahrt die Westfjorde und schreibt von der Gläma
(Olaus Olavius, Ökonomische Reise durch Island, deutsch 1787, S. 20, $ 14):
„Den Mioe- und Isefiord verbindet der sehr beschwerliche Bergweg Heste-
kleif... die Glame, welche meist aus Jökel, oder Landeis besteht, geht vor
den Enden aller vorgenannten [(d. h. I’sa-, Reykjar-, Vatns- und Mjöfifjöröur]
Meerbusen vorbei und führt zum Önunde-, Dyre- und Arnefiord.“
Als im Anfang des vergangenen Jahrhunderts eine Triangulation der
isländischen Küste von dänischen und norwegischen Offizieren unternommen
wurde, reiste Leutnant Hans Frisak Mitte Juli 1806 vom inneren Dyra-
fjöröur über die Gläma nach dem I’safjöröur; die „lautenantavarda
(Leutnantswarte), ein trigonometrisches Signal auf dem Sjönfriö (,Belle-
vue‘‘), einer Höhe oberhalb des Arnarfjordpasses, die noch heute besteht,
soll damals von ihm errichtet worden sein. Im Jahre 1809 wiederholte Frisak
von der Eisbuchttiefe aus seinen Besuch der Gläma, traf aber Nebel und
unsichtiges Wetter (Thoroddsen III, S. 264, 270, 271). Japetus Steenstrup
und Jönas Hallgrimsson fuhren 1840 von Bildudalur über See nach Rafns-
eyri und dem inneren Dyrafjöröur; von da ritten sie „über den hohen und
35
schwierigen Gebirgsweg Gläma nach dem Mjöfifjöröur; (IV, 27, Mindeskrift
for Japetus Steenstrup Kop. 1913, darin: Thoroddsen, J. St.s Rejser og
Undersögelser paa Island, IV, S. 10/11). Kristian Kälund, der sich 2 Jahre
auf Island aufhielt und die Sagastätten persönlich aufsuchte, hat das Er-
gebnis seiner topographischen und archäologischen Untersuchungen und
Erkundigungen mit peinlicher Genauigkeit in dem für den Sagaleser unent-
behrlichen zweibändigen Werke Bidrag til en historisk topografisk Beskrivelse
af Island niedergelegt (Kop. 1877—1882). Er reiste 1874 vom Geirbjöfs-
fjöröur über die Dynjandaheiöi nach dem Arnar- und Dyrafjördur und von
da über die Gläma nach dem Vatnsfjöröur am I’safjaröardjüp. Ihm, dem
Philologen, verdanken wir die erste ausführliche Beschreibung der Gläma.
Er erwähnt den oben beschriebenen vierten Weg über die Gläma vom Vatns-
fjöröur am nördlichen Breiöifjöröur nach dem Arnarfjöröur und stellt fest,
daß der Gletscher auf der Karte von Björn Gunnlaugsson aus dem Jahre
1848 den bewohnten Gegenden hier zu nahe kommt (I, 548). Ebenso schreibt
er von der Skälmardalsheidi, die nach Björns Karte über den Glämujökull
führen müßte, daß dies nicht der Fall sei, der Gletscher schiene überhaupt
auf der Karte eine allzugroße Ausdehnung nach S und O erhalten zu haben
(I, 537 Anm.). Mit dieser Beobachtung stimmt Thoroddsen überein (Geo-
grafisk Tidskrift Bd. IX, 1887/88, S. 37/38): Der Glämugletscher ist auf
Gunnlaugssons Karte viel größer gezeichnet als er in Wirklichkeit ist; auf
der Karte hat er ein Areal von ca. 8 Quadratmeilen, während er in Wahrheit
kaum halb so groß ist. Obwohl die Gläma der einzige Landweg zwischen
den inneren Seitenfjorden der Eisbuchttiefe und dem Arnarfjöröur ist,
konnte Kälund 1874 nur einen einzigen Mann als Führer finden, und dieser
war aus dem I’safjaröardjüp eingewandert. In der Regel geschieht der Auf-
stieg vom Dyra- oder Arnarfjöröur aus (in der alten Zeit war es umgekehrt).
Kälund erwähnt weiter die mündliche Sage, daß vom Sjönfriö ı8 Wege
ausgegangen seien (I, 566 Anm.!). Beiseiner Beschreibung des Aufstieges
vom Dyrafjöröur aus ist die Bemerkung auffallend (I, 576): ‚„Gletscher-
spalten trifft man hier und da, doch im allgemeinen keine bedeutenden,
aber alle ausgezeichnet durch die eigentümliche blaugrüne Farbe, die von
ihren Seitenwänden ausstrahlt, unddie besondersstark zum Vorscheinkommt in
denttieferen,wenndieWände weiterunten ausstark zusammengepreßtem Schnee
oder Eis bestehen‘. Zweifellos sieht Kälund also in der Gläma einen Gletscher.
Das war auch die Überzeugung aller, die sich mit Islands Gletschern be-
schäftigt haben. Porvaldur Thoroddsen, Islands weltberühmter Geograph,
hat die Gläma selbst nicht überschritten, bestieg aber 1886 das Vattarfjall
und hatte von hier einen ausgezeichneten Überblick über das innere unbe-
wohnte Hochland. Darüber schrieb er in der isländischen Zeitschrift Andvarıi
36
H. Benary phot. 1914
r
3 „ ER ®
Gläma; höchster Punkt (links)
H. Benary phot. 1914
Gläma; Paß nach dem Arnarfjöröur
1887, S. 134/35 und in der dänischen Geogr. Tidskrift IX, S. 38 folgende
wenige Worte: „Der Gletscher erhebt sich alseine schwach gewölbte Schnee-
fläche zu einer Höhe von 2800 Fuß [In „Island. Grundriß der Geographie
und Geologie‘“ 1906, S. 173: 230 qkm groß, goı m hoch]; hier und da am
Gletscherrande sieht man schwarze Felsen, die aus dem weißen Grunde
emporstehen. Das Hochland selbst um die Glama ist eine schwach wellen-
förmige, steinige Hochebene ohne Vegetation mit großen verstreuten Schnee-
haufen in den Niederungen. Es ist mir nicht bekannt, daß irgendein Gletscher
sich von der Gläma in die Täler hinabstreckt; der Gletscher selbst besteht
aushartem, zusammengepacktem Schnee mit vereinzelten Spalten und Rissen“.
In der Hauptsache hat Thoroddsen diese Ansicht auch in seinem „Grundriß“
beibehalten (S. 173), spricht hier aber von Wegen über das „Firnfeld‘“,
die in alter Zeit benutzt worden seien und betont, daß keiner von den Flüssen,
die durch nahegelegene Täler fließen, Gletscherwasser führe, nur die Vatns-
dalsä& und Vattardals& seien ab und zu schwach milchfarbig von Gletscher-
lehm. Nachdrücklich hebt Thoroddsen hervor, daß im Gegensatze zu der
Karte von Björn Gunnlaugsson Pingmannaheidi und Skälmardalsheiöi, die
beiden Hochebenen südlich und östlich der Glama, vollkommen gletscher-
frei seien. In „Lysing I’slands“ Kop. ıgıı, II, S. 16, 591 rechnet Thoroddsen
die Gläma zwar noch zu den Gletschern Islands, hebt aber wieder hervor:
„Mir ist nicht bekannt, daß Schreitgletscher (= Gletscherzungen) von der
Gläma ausgehen; dieser Gletscher ist sehr veränderlich, je nach der Tem-
peratur, er ist bisweilen größer und bisweilen kleiner, zuweilen ist die Schnee-
decke so geschmolzen, daß Rücken und Kämme zutage treten“. Im zweiten
Bande endlich seiner großen Feröabök, Kop. 1914, S. 34 nennt er die Gläma
einen „Schneeschild‘, also etwa eine runde Firnkuppe. Wir sehen deutlich,
wie sich die Anschauungen des Meisters der isländischen Geographie gewan-
delt haben, wie viel vorsichtiger er in seiner Annahme geworden ist, daß die
Gläma ein Gletscher sei. Freiwillig gespendete und oft erbetene Auskünfte
aller Art, schriftliche oder gedruckte von Bauern und Gelehrten halten ihn
über seine Heimat auf dem Laufenden, auch wenn er seit Jahren in Kopen-
hagen lebt. Vor allem scheint ein Aufsatz von Stefän Stefänsson, Leiter der
Realschule in Akureyri, in Thoroddsens Anschauung eine Änderung hervor-
gerufen zu haben. Dieser bekannte Botaniker, dem wir eine ausgezeichnete
„Flöra Islands“ (Kop. 1901) verdanken, war August 1893 vom Lambadalur
über die Gläma nach dem Dyrafjöröur geritten. „Es klingt unglaublich,
ist aber gleichwohl wahr, wir kamen auf die Höhe der Gläma, ohne auf nen-
nenswerten Schnee zu stoßen ....“‘ „Gletschereis ist nirgends, nur vereinzelte
Schneehaufen hier und da; die höchste Erhebung heißt Sjönfriö, ein be-
zeichnender Name, denn die Aussicht von hier ist weit und wundervoll über
37
das ganze Westland, nordöstlich der Drangajökull, südwestlich Snfells-
jökull, im Osten der Eiriksjökull ... .“ Stefän konnte einige Gräser und
Moose auf dem Sjönfriö sammeln, die den Beweis lieferten, daß niemals
dauernd Schnee oder Eis hier gelegen haben können und kam daher zu dem
Schlusse, daß der Glämugletscher von der Karte zu streichen wäre (vgl.
die isländische Zeitschrift Skirnir, Bd. 84, 1910, S. 34—39; ebenda Thorodd-
sens Antwort S. 138—140). Unabhängig von ihm kam Heinrich Winkel,
allein auf Grund von Thoroddsens Angaben, zu der Überzeugung, daß die
Gläma kein Gletscher wäre: sie habe keine Bewegung, keine Spalten und
Risse, die Gletscherzungen fehlten, und von ihr gingen keine Gletscherflüsse
aus; darum sei sie kein Gletscher, sondern nur eine Ansammlung von Schnee,
also ein gewaltiges Firnfeld (Mitteilungen der Islandfreunde I, 1914. S. 45).
Die Gläma ein Gletscher oder ein Firnfeld — das ist also jetzt die Frage.
Oder ist gar die Nordseite schon sehr lange Zeit nicht mehr von Eis oder
Firnfeld bedeckt gewesen? Hat vielleicht das Nichtschmelzen des Winter-
schnees in einer naßkalten Periode den Irrtum hervorgerufen ?
em Wunsche Prof. Herrmanns entsprechend, seine Abhandlung über die
Gläma durch Angaben aus dem Kreise der Islandfreunde wenn möglich
hier und da erweitert zu sehen, folgen hier zunächst zwei Notizen, die
uns H. Erkes, Köln, übersandte:
I. „Nach meinen Erkundigungen sind tatsächlich die Bauern aus dem
Mjöifjördöur manches Mal über den „Gletscher‘‘ gestiegen, ohne über Eis
oder Firn zu kommen, vielmehr fanden sie auf dieser Höhe nur Gestein,
und zwar die überall im Nordwesten Islands vorkommende, von Frost
zersprengte Basaltdecke vor. Nur nach strengen Wintern und in kalten
Sommern bleibt der Schnee auf der Gläma das ganze Jahr hindurch liegen.“
2. Die Karte Knopfs von 1734 (herausg. in Nürnberg 1761) scheint die
erste Karte mit der Bezeichnung Glama Jokul zu sein; diese Karte stützte
sich auf die sog. Guöbrands Karte, die vom Bischof Guöbrandur porläksson
um 1570 gezeichnet, 1585 angeblich von Ortelius gestochen und dem Orte-
lius-Atlas 1595 unter dem Namen Vedels (A. Vellejus) beigefügt wurde. .
Auf letzterer Karte steht etwas rechts von „Glama‘“ in kleinerem Druck
„Perpetuae nives‘; da perpetuae nives manchmal dem isländischen Worte
jökull gleichgesetzt wurde, so läßt sich vermuten, daß die (vielleicht un-
beabsichtigte) Nebeneinanderstellung vom Glama Perpetuae nives die Ver-
anlassung zur Bezeichnung Glämujökull zunächst in der Knopfschen Karte
gab, von wo sie wahrscheinlich in die nach Knopf ausgeführte Karte von
Erichsen & Schöning, und schließlich allgemein in die Literatur und den
Sprachgebrauch N 2
38
IV. GUNNAR VON HLIDARENDI
Isländisches Epos in 36 Gesängen
VON HELENE VON ENGELHARDT - PABST, 2 Bände (Wien 1909).
Erweiterter Abschnitt aus einem Kapitel von Poestions ungedrucktem Werke
über seine Islandreise (‚Auf Gunnars Spuren“).
inzelne Motive aus der Gunnarssaga, dem ersten Hauptteil der Njäls-
» saga, sind bekanntlich mehrfach von isländischen und anderen nor-
dischen wie englischen Dichtern behandelt oder verwertet worden. Die
ganze Gunnarssaga hat der isländische Dichter Siguröur Breiöfjörö in der
gewohnten öden Weise in Rimur umgegossen!. Ihr Inhalt bildet auch den
Stoff des oben genannten Epos, einer — wie gleich hier bemerkt sei — ganz
bedeutenden deutschen Dichtung von großer Kunst und Schönheit, die aber
— infolge besonderer privater Umstände — in der Presse wie auch in dem
Kreise der Islandfreunde fast unbeachtet und ‘auf Island selbst so gut wie
unbekannt geblieben?, aber doch längst vergriffen ist und kaum je wieder
aufgelegt werden dürfte. Ich habe eine rein fachkritische Besprechung des
Werkes im ‚Allgemeinen Literaturblatt‘‘ XIX (1g1o) Nr. 3 veröffentlicht und
behandelte das Epos auch in einem umfangreichen Essay, der jedoch ohne
meine Schuld ungedruckt geblieben ist. Ich willdaher der Dichtung wie auch
_ der ıgıo in Wien verstorbenen Dichterin an dieser Stelle die Würdigung ange-
deihen lassen, die sie beide verdienen. Vorausgeschick sei, daß Helene Pabst-
Engelhardt (geb. 1850 zu Wilecki in Litauen als Freiin von Engelhardt) be-
reits früher gezeigt hatte, wie gut sie isländische Sagastoffe in wirkungsvoll-
ster Weise poetisch zu gestalten verstand. Schon in ihren vielgerühmten
„Normannischen Balladen“ (1884) findet sich unter dem Titel „Der Ver-
bannte“ ein altisländischer Sagastoff, die Geschichte von Björn Breid-
vikingakappi (bekanntlich von R. Riemann als „Björn der Wiking“ auch
dramatisch behandelt) glücklich geformt, und das Glanzstück ihres Büch-
leins „Im Windesrauschen“ (1890) bildete die Dichtung ‚„Grettir der Starke“,
eine kraftvoll-schöne epische Bearbeitung der zum sagenumsponnenen Natio-
nalhelden Islands gewordenen historischen Hauptgestalt der ‚„Grettissaga‘*.
Gunnar aber hatte ihr’s schon viel früher angetan. In ihrer Jugendzeit be-
reits mit altnordischen Studien beschäftigt, ging die Dichterin schon damals
an die Lektüre der Njälssaga. Als sie die Stelle von Gunnars Umkehr las,
kam es — so schrieb sie mir einmal — plötzlich wie mit einem Schlage über
sie. Sie sprang von ihrem Stuhle auf und eilte in ihrem Zimmer auf und ab
wie eine Rasende. Dann stürzte sie zu ihrer Mutter: ‚Mama, Mama, das ist
ı Rimur af Gunnari & Hliöarenda (Akureyri, 1860). Besser sollen andere ‚„Rimur af
Gunnari Hämundarsyni 4 Hiidarenda‘‘ sein, welche derselbe Dichter 1836 gedichtet
hat, die aber nur handschriftlich vorliegen. ? Das Werk fehlt auch in „Catalogue
of the Icelandic Collection bequeathed by Willard Fiske, compiled by Halldör Her-
mannsson (Ithaca, 1914). ® Diese beiden Stücke sind Halldör Hermannsson in ‚Biblio-
graphy of the Icelandic Sagas and minor Tales‘‘, Appendix, entgangen.
39
ein Buch, das ich zu schreiben habe, und ich werde es schreiben, das weiß ich
ganz genau, ganz genau.‘ Kurz darauf heiratete sie den Klaviervirtuosen
Pabst. Andere Pflichten, andere Verhältnisse drängten sie in neue Bahnen.
Sie machte die Kunst ihres Mannes zu der ihrigen, konzertierte mit ihm zu-
sammen, durchreiste die Welt an seiner Seite und teilte das wechselreiche
Los der freien Künstler. Aber nie hatte sie ihren Gunnar vergessen, und wann
immer eine Ruhepause in ihr arbeitsreiches Leben trat, gehörte sie ihrem
teuren Helden. Schon 1883, im Epilog zu den Normannischen Balladen,
wies sie in schönen, sehnsuchtsvollen Strophen auf Gunnar hin, und selbst
inmitten der südlichen Farbenpracht Australiens, umgeben von den fremd-
artigen Szenen der Tropenwelt, dichtete sie „Eine Winterphantasie‘‘, in der
sie sich nach Island, nach Hliödarendi, zu „Gunnar dem Unvergleichlichen“
versetzte. Und noch nach der letzten schweren Katastrophe ihres Lebens,
als das Ehepaar während der russischen Revolution aus dem beschossenen
Hause in Moskau flüchtete und Monate später ihre erschütterte Gesundheit
so völlig zusammenbrach, daß man sie wie eine Halbtote ins Ausland trans-
portierte, war es ihr vorwiegender Wunsch geblieben, nicht eher die Augen
zu schließen, als bis ‚‚Gunnar‘‘ vollendet war. Und sie vollendete ihn. Zuletzt
in Österreich (Wien) wohnhaft, besserte sich für kurze Zeit ihr Gesundheits-
zustand, und sie erlebte wirklich noch die Freude, ihr dichterisches Lebens-
werk dem deutschen Lesepublikum darbieten zu können. Es war dabei ein
reizender Zufall, daß diese Dichtung in Wien ans Licht der Öffentlichkeit
kam, in derselben Stadt, aus der auch (1826) die erste deutsche Verherrlichung
altisländischen Reckentums in großem Stile, dela Motte-Fouques Roman ‚‚Die
Sage vondem Gunnlaugur, genannt Drachenzunge und Rafn dem Skalden‘ her-
vorgegangen und (1880) die erste und beste wissenschaftliche ‚Beschreibung
der isländischen Saga‘ (durch R. Heinzel) geliefert worden und erschienen ist.
Wie ist nun aber die Dichterin diesem Stoffe in ihrem Epos gerecht ge-
worden? Es ist eine oft — besonders von den Isländern — aufgestellte Be-
hauptung, daß jede Nachdichtung einer Saga hinter ihrem Vorbilde zurück-
bleiben müsse, da dieses, ganz abgesehen von der Schwierigkeit, den Geist
jener Zeit richtig wiederzugeben und die Menschen so darzustellen, wie sie
in den Sagas lebten, in den meisten Fällen ein so unübertreffliches Kunst-
werk sei, daß es eben nicht erreicht, geschweige denn übertroffen werden
könne. In der Tat hat auch bisher weder eine romanhafte, noch eine dra-
matische oder rein epische Bearbeitung einer Saga das Original erreicht, von
Tegner und Fouque& angefangen bis zu Helene von Engelhardt-Pabst. Die Min-
derwertigkeit der Nachdichtungen springt jedoch nur den Kennern des ÜUr-
bildes in die Augen, ‘und der Stoff der Sagas ist so hart, daß er auch in den
weicheren Formen der Nachbildung noch genug von seiner urwüchsigen
40
Eigenart beibehält, um eine mächtige Wirkung auszuüben. Aus diesem
Grunde bleibt es für die Dichter noch immer verlockend genug, sich dessen
zu bemächtigen, und er kann bei geschickter Wahrung des Zeit- und Kultur-
kolorits immerhin noch auf den Beifall der Leserrechnen. Tegners Frithiofs-
Saga z. B. ist gewiß eine sehr schwächliche und weichliche Nachdichtung
der altisländischen Saga gleichen Namens; aber sie zählt noch heute zu den
gelesensten Dichtungen der Weltliteratur.
Helene von Engelhardt hat sich nicht sklavisch an die Gunnarssaga an-
geschmiegt wie der isländische Rimur-Dichter; bei großer Treue in Einzel-
heiten hat sie vielmehr den Stoff mit aller erlaubten, in einer Hinsicht sogar
zu weitgehenden dichterischen Freiheit behandelt. Ihren Gunnar zwar, den
„Unvergleichlichen‘, zeichnete sie ganz dem Bilde entsprechend, das die Saga
uns von ihm gibt. Sie liebkost ihn geradezu mit den schmeichelndsten Worten
und gleitet nachsichtig über seine Schwächen hinweg; aber er ist auch wirk-
lich ein ‚‚makelloser‘‘ Idealheld, sanft und doch wieder männlich, selbst der
strammen Gattin gegenüber — so recht nach dem Herzen edler Frauen. Sie
entwirft aber auch von Hallgerör, der eigentlichen Hauptperson als Lenkerin
der Geschicke Gunnars, ein wohlwollendes Bild, indem sie ihre schlimmen
Charakterfehler zu mildern sucht, sie als zärtlich liebende Gattin und gute
Mutter schildert, ja sogar ihren ärgsten Makel, die Preisgabe ihres hochher-
zigen Mannes, durch Andichtung nachträglicher Sinnesänderung tilgen
möchte — und das ist die Hauptschwäche, übrigens eine echt weibliche
Schwäche, der ganzen Dichtung. Helene von Engelhardt läßt nämlich Hall-
gerör ihre Weigerung, Gunnar durch zwei Locken aus ihrem Haar das Leben
zu retten, alsbald bereuen, die verlangte Bogensehne drehen und dem ver-
zweifelt um sein Leben kämpfenden Manne darbieten — jedoch zu spät. Die
Frau wirft sich auch noch jammernd über den sterbenden Helden und sucht
mit ihrem Goldhaar das Blut seiner Wunden zu stillen; er aber haucht ihr
als letztes Wort ‚Armes Weib!‘ zu. Sie lebt auch nach Gunnars Tode nur
mehr „sich selbst zum Leid“. In Wirklichkeit hat jedoch Hallgerör ihren
Mann mit offener Schadenfreude seinem Verderben anheimgegeben; sie
schlürfte die Schale der Rache für den vor acht Jahren erhaltenen Backen-
streich mit vollem Behagen bis zur Neige aus. Es läßt sich zwar nicht leug-
nen, daß män diesem „vielleicht kompliziertesten Charakter in der ganzen
Sagaliteratur, welcher der Kunst eines Shakespeare würdig wäre“, in ge-
wisser Hinsicht seine Bewunderung nicht versagen kann; allein eine solche
Ehrenrettung, wie sie die Dichterin Hallgerör zuteil werden ließ, hat eine
gemeine Diebin und zweifache Gattenmörderin denn doch nicht verdient.
Sie bildet der historischen und psychologischen Wahrheit, wie.auch der Ehr-
lichkeit der Saga gegenüber eine unerlaubte dichterische Freiheit, weil sie
41
ein feststehendes Charakterbild, ‚einen Frauentypus, der außerhalb Islands
im Norden beinahe unbekannt ist‘, frauenhaft verweichlicht und somit ver-
fälscht. Gegen sonstige poetische Lizenzen, wie z. B. das Auftreten und un-
heilvolle Wirken des schon vor der Heirat Gunnars getöteten schurkischen
Pflegevaters der Hallgerör auf Hlidarendi ist füglich nichts einzuwenden, da
sie dichtefischen Zwecken dienen und weder dem Geiste der Zeit noch der
ursprünglichen Personencharakteristik zuwiderlaufen.
Im übrigen ist es der Dichterin vollauf gelungen, die Hauptgestalten und
interessanten Nebenfiguren der Saga plastisch von dem breiten — vielleicht
nur allzu ausgedehnten — Hintergrunde ihrer orts- und naturbeschreibenden
Schilderungen abzuheben und des Lesers Teilnahme für sie zu gewinnen und
festzubannen. Sie übergeht auch nur wenige — unwichtige — Episoden und
verweilt sogar mit Vorliebe bei allen Kampfesabenteuern, besonders wenn es
gilt, den Mut und die Kampfestüchtigkeit ihres HeldeninshellsteLicht zusetzen.
Geradezu bewundernswert erscheinen mir die ausführlichen, hochpoetischen
und dabei im allgemeinen auch richtigen Beschreibungen der so eigenartigen
Natur und Landschaft Islands, obgleich die Dichterin niemals ihren Fuß auf
die Insel gesetzt hat. Und welch prächtige und zutreffende Bilder sie aus
dem öffentlichen und privaten Leben des Isländers jener Zeit zu zeichnen
wußte — sei es nun von den ernsten Verhandlungen oder von dem froh
bewegten bunten Treiben am Althingi, sei es von häuslichen Unterhaltungen
und Festlichkeiten, sei es von traulichen Idyllen des Familienlebens usw. !
Man sieht aus dem ganzen Werke, daß die Dichterin an ihre schwierige
Aufgabe erst nach fleißigen Studien der nordischen Altertumskunde, der
isländischen Sagas, der isländischen Naturkunde und der Topographie der
Schauplätze ihres Epos geschritten ist. Daß ihr nicht für alle Einzelheiten
die neuesten Forschungen zur Kenntnis gekommen sind, kann man ihr wohl
ebenso wenig verübeln, wie die Verwertung ihres antiquarischen Wissens
auch an unpassenden Orten (wenn z. B. in den Reden die ganze Grimmsche
Mythologie ausgekramt wird, während doch in der Gunnarssaga keine einzige
Person den Namen eines Gottes im Munde führt) u. dgl. mehr. Merkwürdig
aber ist es, daß ihr z. B. — wie schon Fouqu& — der Lapsus passierte, von
Wölfen auf Island zu sprechen. Freilich berichtet auch kein Geringerer als
.L. Holberg von Wölfen auf Island. Aber der berühmte norwegische Dra-
matiker tischte in seiner Beschreibung Dänemarks und Norwegens (ein-
schließlich Islands) bekanntlich auch das Märchen auf, ein Kaufmann, der
aus Island kam, habe einen Isländer gesehen, der sich die Schuhe auszog
und sie verspeiste, als ob es Pfannkuchen gewesen wären |
Ein besonderes Lob ist noch der schönen Sprache mit dem edlen dichte-
rischen Schwung der epischen Diktion im fünffüßigen Jambus zu spenden.
42
Zahlreich eingestreute lyrische Partien von oft tiefster Empfindung und herr-
lichem Wohllaut bringen außerdem eine harmonische Abwechslung in den
sonst gleichmäßig dahinrauschenden Fluß der zumeist tadellosen Blankverse.
Die alten Skalden freilich haben in ganz anderer Weise, nämlich nicht 1y-
risch, aber auch nicht so schön gedichtet. Kurz gesagt: Helene von Engel-
hardt-Pabst hat mit „Gunnar von Hlidarendi“ ihr poetisches Schaffen ge-
krönt und zugleich die deutsche Literatur um ein großzügiges Epos bereichert,
das nicht nur hochgeachtet, sondern auch gelesen zu werden verdient.
| NACHTRAG
zu dem Aufsatze „Christiane Johanne Schütz, geb. Briem, Die schöne Is-
länderin‘‘ in Heft ı der Mitteilungen der Islandfreunde.
Erst nach dem Erscheinen dieses Aufsatzes ist eine das Niöjatal Gunnlaugs
Briems syslumanns og Valgeröar konu hans zugekommen, das IgI5 von Pro-
fessor Eirikur Briem und dem ebenfalls hochangesehenen, um Islands Wohl-
fahrt vielverdienten Politiker Tryggvi Gunnarsson (einem 1835 geborenen
Sohne von Gunnlaugurs Tochter Jöhanna Kristjana) herausgegeben wurde.
— Bei dieser Gelegenheit seien auch die Druckfehler: S. 4, Zeile 22 von oben
1848—48 (lies: —58), S. 5, Zeile 8 von oben 1848 (lies: 1846) und ebenda,
Zeile 20 und 22 Kristiana (lies: Kristjana) berichtigt. P.
V. NACHRICHTEN AUS ISLAND
1. England hat in immer weitergehendem Maße durch einen Vertrag, der eine willkür-
liche Steigerung nach der anderen erfuhr, den isländischen Ausfuhrhandel vollständig
in seine Gewalt gebracht; die isländischen Kaufleute müssen ihre Produkte erst Eng-
land zu einem von diesem festgesetzten Preis, der weit hinter dem im letzten Jahre
erzielten zurückbleibt, anbieten, die auslaufenden Schiffe müssen unbedingt einen eng-
lischen Hafen anlaufen und dürfen nach keinem an Ost- und Nordsee gelegenen Lande
fahren; auch nach Dänemark darf nur nach Maßgabe des dortigen nachweislichen
Eigenbedarfs geliefert werden. Die Voraussetzung, daß Dänemark und Schweden Fische
von Island bekamen, war daher, daß diese Länder selbst ein Ausfuhrverbot erließen.
2. Wie England trotz des Vertrages mit Neutralen umgeht und den Schutz der kleinen
Staaten auffaßt, dafür liefert ein Beispiel die Art und Weise, wie sie mit dem norwe-
&ischen Dampfer Flora umgingen. Dieses Schiff war auf dem Wege von den West-
Mannerinseln nach dem Osten und Norden mit über 100 Passagieren, die zum Fischfang
fuhren, als esam 14. Juli von einem englischen bewaffneten Trawler angehalten wurde;
dieser machte durch drahtlose Telegraphie einem größeren englischen Wachtschiff
weiter südlich im Ozean Meldung und dieses verständigte sich mit London. Da der
Kapitän der Flora dem Befehle, nach Lerwick zu fahren, wegen des Mangels an Kohlen
und Nahrungsmitteln sich widersetzte, gab der Kommandant des Wachtschiffes zunächst
° Zustimmung, daß die Flora nach Seydisfjördur fahren und die Passagiere dort an
d setzen dürfe. Dann aber kam eine neue Weisung aus London, die Bestände an
ra und Nahrungsmitteln auf dem Schiffe zu prüfen. Diese Untersuchung dauerte
in Stunden und hatte das Ergebnis, daß die Fahrt nach Lerwick befohlen
die E wel Tage nach der Ankunft der Flora in Lerwick gab die britische Regierung
rlaubnis zur Rückfahrt nach Island. Aber der Kapitän der Flora fragte darüber
e er
"St bei seiner Gesellschaft in Bergen an, die Antwort ließ auf sich warten, die Fracht
43
der Flora wurde inzwischen freigegeben und das. Schiff Zur Löschung seiner Ladung
nach Leith gebracht. Die Passagiere durften sich dort von morgens 9 bis abends 9 frei
bewegen. Die beabsichtigte Fahrt nach Siglufjördur zum Heringsfang wurde von der
Dampfschiffgesellschaft ‚Bergen‘ nicht erteilt. Die Passagiere wurden dann mit dem
Dampfer Godafoss nach Island zurückgebracht. Das ganze brutale Vorgehen wurde
von England als ein Mißverständnis erklärt und die Kosten für Überfahrt und Ver-
pflegung der Passagiere von Lerwick nach Seydisfjöröur übernommen.
3. Island bekommt nunmehr die langerwünschte Station für drahtolse Telegraphie,
die die englische Marconigesellschaft liefert. Voraussetzung ist nach Zeitungsbericht,
daß — England die Ausfuhr der Apparate erlaubt.
4. Auch weiterhin haben die Engländer ein Schiff nach dem anderen, gleichgültig
welcher Herkunft, in den isländischen Gewässern abgefaßt und nach England g&
schleppt; also das „Mißverständnis‘‘ wiederholt sich ständig. Es herrscht große Erbitte-
rung über diesen fortgesetzten Vertragsbruch der Engländer.
5. Berlingske Tidende (vom 10. Juli) meldet: Reisende von Norwegen nach Island
müssen einen von den englischen Konsulatsbehörden ausgestellten Paß besitzen, da sie
sonst bei der Durchsuchung der Schiffe in England zurückgehalten werden.
6. Der große Geysir, der seitlängerer Zeitrecht unregelmäßig springt, hat nach den Mit-
teilungen isl. Zeitungen seit Februar d. J. keinen einzigen Ausbruch gehabt. Dagegen wurde
von seinem Nachbar, dem Strokkur, der seit dem Erdbebenjahr 1896 nur einmal (Anfang
August1907) sprang, aus der zweiten Juliwoche 1916 ein neuer starker Ausbruch gemeldet.
7. Am 15. August wurde die Hundertjahrfeier der isländischen Literaturgesellschaft
festlich begangen. Ausführlicheres darüber soll das folgende Heft bringen. Prof. Dr.
P. Herrmann in Torgau wurde unter den ehrendsten Ausdrücken zum Ehrenmitglied der
Gesellschaft ernannt.
8. Der Schriftsteller, Politiker und Dichter J6n Ölafsson, dersdietzt mit einem großen
isländischen Wörterbuch beschäftigt war, von dem die ersten beiden Hefte erschienen
sind, ‚ist gestorben. Von seinem bewegten Leben soll bei anderer Gelegenheit ausführ-
licher die Rede sein. |
ADRESSENÄNDERUNGEN
Prof. Dr.W .Heydenreich, Herausgeberder „Mitteilungen“; Eisenach, Fischweider
Dr. Ed. Erkes, Leipzig, Katstr. I.
Ernst H. F. Bock, Leipzig, im Felde.
Heinrich Benary, Erfurt, im Felde.
Walter H. Friedeberg, Neu-Finckenkrug, im Felde.
Rev. Dr. W. Rodemann, Weveriy, Jowa, U. S. A.
MITGLIEDERSTAND
Ausseiteten: Realschuldirektor Dr. Baethhe, Bergen a. R.
Paul Fischer, Weimar. |
Prof. Dr. Lehmann, Göttingen.
Dr. von Lenk, Wien.
Prof. Dr. Pappenheim, Kiel.
Dr. E. F. Thomas, Zwickau.
Neu eingetreten: Frau Henrielle Oppenheim, Wien I, Krugerstr. 10.
- Geh. Leg.-R. z. D. Fritz Rose, Berlin-Südende, Parksir. 8.
Major Paul Sock, Pilsen, Skodawerke.
Frau Paula Schubert, Charlottenburg, Trendelenburgstr. IT40-
Prof. Dr. Oestreich, Berlin-Friedenau, Menzeistr. I.
Frau Emma Wehrmann, Wien I, Krugersir. 16.
44
DI a
EUGEN DIEDERICHS VERLAG IN JENA
TEULE
Altnordische Dichtung und Prosa
Herausgegeben von Professor DR. FELIX NIEDNER
24 Bände. Jährlich erscheinen 3 bis 4 Bände
FELIX NIEDNER, ISLANDS KULTUR ZUR WIKINGER-
ZEIT. Einleitungsband, mit 24 Ansichten und 2 Karten. br. M4.5o,
geb. M 6.—
Die Aufgabe dieses einleitenden Bandes ist, das historische Verständnis der Sagas und der
Skaldendichtung zu erschließen. Große Sachkenntnis und klare Darstellungsgabe vereinigen
sich mit knapper künstlerischer Form.
Unentbehrlich ist aber dieser Band für die Käufer der Sagas, weil er zwei von Professor
Herrmann gezeichnete Karten enthält. Die eine verdeutlicht die Schauplätze der Sagas,
die andere gibt einen Überblick über die Wikingerzüge bis nach Amerika und bis zum
Mittelmeer.
Bd.ı EDDAI, HELDENDICHTUNG. Übersetzt von Felix Genz-
mer. Mit Anmerkungen und Einleitung von Andreas Heusler.
8. Tausend. br. M 3.—, geb. M 4.50
Leipziger Neueste Nachrichten: Genzmer kommt der Kongruenz mit dem Originale
so nahe, daß man das Empfinden, eine Übertragung zur Hand zu haben, vollständig verliert.
Sie ist vielfach von so konzentriert anschaulicher Darstellung, daß sie wie gehämmert er-
scheint, gehämmert mit derWucht bildstarker, kurzer nackter Sätze. Diese Übersetzung ge-
stattet uns ein Einleben in die heidnisch-heldige Zeit wie keine ihrer Vorgängerinnen.
Bd. 2 EDDA U, GÖTTERDICHTUNG UND SPRUCHDICH-
TUNG. Übersetzt von Felix Genzmer. (Erscheint nach dem Kriege.)
Bd. 3 DIE GESCHICHTE VOMSKALDENEGIL. Übersetztvon
Felix Niedner. 4. Tausend. br. M 4.—, geb. M 5.50
Literarischer Handweiser: In Egilist der wilde Geist des alten heidnischen nordischen
Reckentums noch treu erhalten. Schrankenlose Rachsucht, Habsucht, Zerstörungslust, raffi-
nierteste Hinterlist gegen den Verräter auf der einen Seite, auf der anderen heldenhafte
Furchtlosigkeit und Tapferkeit, Freundestreue, Großmütigkeit, Rechts- und Mannesstolz —
all das erscheint hier ins Gigantische gesteigert und in der großen wilden Gestalt dieses
Skalden zu lebendig individueller Einheit verkörpert. Dem Besten, was der moderne Mensch
in sich trägt, kommt das bedeutende Werk entgegen.
Bd. 4 DIEGESCHICHTE VOMWEISENNJAIL. Übertragen von
Andreas Heusler. Mit einer Karte. br. M 6.—, geb. M 7.50
Volksblatt Wien: DieNjalssageübertrifftan Umfang, Großzügigkeit der Darstellung und
an Feinheit der Charakterzeichnung alle anderen. Sie ist das Werk eines großen Dichters.
Nirgends sonst findet sich eine solche übergroße Fülle lebensfroher Gestalten. Der weise,
gütige Njal, der waffengewaltige Guunar und Kari, der Ritter ohne Furcht und Tadel; von
den oft feinziselierten Nebenfiguren ganz zu schweigen. Oder welch gewaltige Frauengestal-
ten birgt dieses große Drama von Weiberhaß und Weibertücke in sich! Man denke an
Hallgerd, Bergthora, Hildigun. Der Künstler erschöpft sich nicht an der bloßen Realistik,
er strebt darüber hinaus zu etwas Höherem. Seinem tiefsten Wesen nach ist er Idealist
und so erscheinen alle seine Figuren wie auf Goldgrund. Vom Stile kann nicht Lobes genug
gesagt werden und man weiß nicht, was man mehr rühmen soll: die naturfrische Sprache,
die wirklich Sprache des Lebens ist; den gewichtlosen Satzbau; den geistreichen Dialog mit
seinen spitzen Redepfeilen; oder endlich den vielbewunderten Rhythmus der Wortstellung.
Freilich war auch ein Meister am Werke.
| Be 7
- Diese Geschichten sind geographisch und innerlich eine Einheit. Mehr noyellistisch gehalten”
- schicksal“ im kleinen dar.
en
EUGEN DIEDERICHS VERLAG IN TENAT
3 "7 ) D
5
-
j
.
Bd. ; DIE GESCHICHTE VON DEM STARKEN GRE |,
DEM GEÄCHTETEN. Übersetzt von Paul Herrmann. Mit An-ı
sichten und ı Karte. br. M 5.—, geb. M 6.50 “
Diese Saga gibt uns das herbtragische, von abergläubischen Vorstellungen Ba Märchenu m
sponnene Bild eines vom Schicksal verfolgten Mannes. Grettir ist Islands sagenumwobenc A
Nationalheldgeworden, unterallen Charakteren der Sagasteigteralleinins Symbolischehinat u
Se IM Fr Ir <
Bd.6 DIE GESCHICHTE VON DEN LEUTEN AUS DEM
LACHSWASSERTAL. Übertragen von Rudolf Meißner. Mit eine
Karte und einer Stammtafel. br. M4. —, Hperg. geb. M 5.50 Be
Diese prächtige Saga mit ihren starken Charakteren ist eine prosaische Schwester ‚de
eddischen Dichtung und umfaßt die Schicksale von 8 Geschlechtern; sie spielt im Tälerbe- | |
zirk des Hyvammsfjords undreicht von der Mitte des 9. Jahrhunderts bis 1073. Diese Bauern- BE
geschichte erhebt sich in ihrem Hauptteil zu ergreifender Tragik. Schon um der Gestalt
der Gudrun willen gehört sie zu den ewigen Meisterwerken der Weltliteratur, =
Bd. 7 DIE GESCHICHTE VOM GODEN SNORRI. Oberragn |
von Tr elix Niedner. (Erscheint Frühjahr 1917) |
Bd.o VIER SKALDENGESCHICHTEN, Übertragen von Belix
Nicdner. br.ca. M 4.50, geb.M 6.—
In der Persönlichkeit des Skalden hat der heldenhafte und künstlerische Geist desalten Tslanc Fr
seinen vielseitigen Ausdruck gefunden. Die eingestreuten Skaldenlieder haben mit den Lie- e 1°
dern der „Edda“ das gehobene Lebensgefühl gemeinsam und unterscheiden sich von ihr |
durch die Stimmung des Augenblicks. Er
|
— u
i
|
re
"TIR,
Ö.
|
|
i
|
|
|
|
n
Bd.1o FUNFGESCHICHTEN AUS DEM WESTLICHEN NORD- 3 |
LAND. Übertragen von Frank Fischer und W.H. Vogt. Mit einer |
Karte. br. M 5.—, geb. M 6.50 2
Von den kleineren Sagas zeigen die aus dem westlichen Nordland das alte Heldentum ver
bunden mit siegreicher Bauernpfiffigkeit; in denen aus dem östlichen Nordland erscheinen
mehr kondottierenhafte Haudegen; die aus dem Ostland haben kleinbäuerlichen Hintergrund.
Bd. ır FÜNFGESCHICHTEN AUSDEM ÖSTEICHENNORD- 2
LAND. Übertragen vonWilh.Ranischund Frank Fischer. (Erscheint E
Frühjahr 1917)
In den Sagas aus dem Nordosten des Inselfjords herrscht allenthalben Fehde und Blutyer -
gießen. In Glum ist ein berserkerartiges Draufgängertum mit ausgesuchter Hinterlist gepaart;
doch versöhnt uns mit ihm seine Skaldendichtung. Es liegt eine tragische Ironie darin, d
erim Gesang nicht verbergen kann, was er sonst mit äußerster Schlauheit und 5 auch
durch zweideutige Eide, verbirgt, .:
Bd. ız2 SIEBEN GESCHICHTEN VON DEN OSTLAND- Fa
MILIEN. Übersetzt von Gustav Neckel, br. M 3.50, geb. Ms5._—_ EN
als andere Sagas, stellen sie die Sagawelt mit ihrem Thema: » Mens chenero ad | i
u
Bd. 13 GRÖNLÄNDER UND FÄRINGER GESCHICHTEN.
Übersetzt von Erich von Mendelssohn. br.M 5.—, geb. M 6.50 Ei
General-Anzeigerfür Hamburg-Altona: Wie die Egilsaga die Entdeckung und Be- A
siedelung Islands, so behandeln die vorliegenden Geschichten zum größten Teildie Besiedelu ng, |
Grönlands und Abenteuerfahrten nach dem amerikanischen Festland, a
Ausführliche Verzeichnisse über dıe Samm-
lung Thule sınd vom AIRES zu 1 ht
Digitized’by ‚Google } .-
Pa
sn
=
> Br . ne % ns
1 SE ee e)
en... SEP 14.1932 |}
Er Pr
— 2,5
» MR
1’
EMITTEILÜNGEN DER
PISLANDFREUNDE
4 ORGAN DER VEREINIGUNG
Be _ DER ISLANDFREUNDE
Zucht Fa ana din nina nn I BEE
“
——a..
q nd Fe
a u ne
# f on, e > an 2. el, ı Mr N .
A au a r AALTTN Y se u d . £ T
oe e F
Au nd, Ze 5
LINIE EREERRE, 2 R
FE Ta eh Ins re
N e
ra EL - Ki
er
ee
u
4
"IV.JAHRG. JANUAR-APRIL 1917 HEFT 3/4
> VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS>IN JENA
N
a
u en a
[ u
LK
\
e
v
Er
va
-
»
Sn”
5
.
2
.
N
4 4
[re
ew
‚ - r
\
_
g D > f
Mei a a ne ae ee Ed a a
L
»
Inhalt
| Seite
I. F.Genzmer, DieRedendesHohen(AusderEdda,Il.Band) 45
II. Paul Herrmann, Die Glama (Fortsetzung)... . .... HI52
III. Alexander Jöhannesson, Das Schiff sinkt, Schauspiel von
Indridi.Einarsson: % 7 Wr. sur re 5
IV. Ein deutsches Unterseeboot in den Gewässern um Island 67
V. Eine isländische Stimme über Deutschland .. . .... ...69
VI. Zu Erkes’ Islandreise 1914 . 12 2... el en 73
VIEEAnZeige er ee BESSER. Done 3% 75
SVLIE Vorträge über Island 7.7.2. rare Er 75
ERS Notwendiger Hinweis2 Kr g R TS
X. Die Bücherei des Vereins der Islandfreunde are ic 76
RTeMiteliederstand? Fer See ee N Re RE 76
ISLANDFREUNDE
werbet Mitglieder
unter allen, die sıch für Natur und Volk,
Sprache und Geschichte Islands und der
Färöer interessieren!
An unsere Mitglieder
Die nach dem 15. Januar 1917 noch ausstehenden Mitglieds-
beiträge für ı. Juli 1916/17 und event. für vorhergehende Jahre
werden wir nach dem ı. April durch Postnachnahme einheben.
Wir bitten die betreffenden Mitglieder, die Postnachnahmen
einzulösen und uns dadurch in den Stand zu setzen, die „Mit
teilungen“ weiter erscheinen zu lassen.
Die außerhalb Deutschlands und Österreich wohnenden Mit-
glieder bitten wir aus dem gleichen Grunde um Einsendung
noch ausstehender Beiträge.
Digitized.by 008 “ RE =
MITTEILUNGEN DER]|
ISLANDFREUNDE
ORGAN
DER VEREINIGUNG DER ISLANDFREUNDE
HERAÄUSG.: PROF. DR.W.HEYDENREICH IN EISENACH U. DR.H. SSR
IN LEIPZIG / VERLAG VON EUGEN EN DIEDERICHS INJENA
rm
"Die Mitteilungen der Islandfreunde erscheinen als Vierteljahrsschrift und
werden den Mitgliedern der Vereinigung kostenlos geliefert und vom Verlage
zugesandt. Der Mitglie erbeitrag beträgt jährlich 6 Mark
ıv. V. Jahre, | Januar/April 1917
I. DIE REDEN DES HOHEN a. LIED):
AUS DER SOGENANNTEN LIEDEREDDA ÜBERSETZT
2 VON F. GENZMER
V: in drei größeren Sittenlehren steht diese nach Gehalt und dichte-
rischer Kunst am höchsten. An die Kunst des Spruchdichters sind an-
dere Maßstäbe anzulegen als an die der erzählenden oder dramatischen Denk-
mäler. Die Haupttugend ist die klare und scharfe Formung, die den ver-
standesmäßigen Gedanken überzeugend macht und der Seele des Hörers
eindrückt. Was den Spruch über gute Prosa erhebt, ist zunächst der geord-
nete und ‚gesteigerte Rhythmus und damit oft eine außeralltägliche Wort-
stellung. In diesen Dingen dürfte es unserem Gedichte nicht leicht eine
fremde Spruchpoesie nachtun. Das gnomische, sechsversige Strophenmaß
ist ein unübertreffliches Gefäß für diese zugespitzten Sätze. Nicht selten aber,
besonders von Strophe. 28 an, tritt dazu eine bildhafte Sättigung des Aus-
drucks, ein Gleichnis, ein anschaulicher erzählender Zug — oder dann eine
feierliche, inschriftenhafte Lyrik, wie in den Schlußworten unseres Dichters,
Der Inhalt der 66 Strophen ist mannigfach. Mit den Worten „Unter
fremdem Dach, Eigenes Heim, Freunde und Feinde, Klug mit Maß, Wehr-
haft und tätig, Wert der Lebensgüter‘‘ deutet man die Hauptgruppen an.
Meist stehen die Gegensätze so lose nebeneinander, daß Verschiebungen und
Zutaten wohl schon in der mündlichen Weitergabe sich einfanden (s. Einl.
S. 8) — gewiß auch Verluste, gegen die wir aber machtlos sind. Eine fest-
gefügte Gedankenfolge haben die sieben Strophen des Schlußabschnittes
* Aus dem in der Sammlung ‚Thule‘“ nach dem Kriege erscheinenden 2. Teil der
„Edda“ von Übersetzer und Verleger zur Verfügung. gestellt.
Se 45
(60—66) ; sie führen stufenweise hinauf zu dem Bekenntnis: mehr all Gesunli-
heit, Besitz, Leben und Nachkommenschaft istder Ruhm ;er istdas höchste Gut.
. Hier zeigt sich recht die Diesseitigkeit dieser Lebenskunst! Es ist ein
Heidentum ohne Götter und Gespenster, sogar ohne den Schicksalsg glauben,
der in vielen Sagas als Grundstimmung erscheint. Der Mensch wird auf sich
selbst gestellt und kühl gewertet zu’ allermeist nach seiner Klugheit und
Lebenserfahrung. Der unmittelbare Egoismus versteht sich noch von selbst;
Freunde sind ein hohes Gut, aber auch die Aufopferung für Freunde, wie sie
in Not und Fehde geübt wurde, ‚klingt hier nicht herein. Es herrscht der All-
tag mit seinen Erwägungen des Nutzens; die Saite ist gestimmt auf Vorsicht,
Mißtrauen. Bäuerliche Kreise sehen wir vor. uns, da und dort mit einem
fühlbaren Stich ins Kleinbäuerliche, Beengte. Wikingtum und Hofdienst,
diese festlichen Seiten des altnordischen Lebens, bleiben fern. Und dennoch
die Waffe als der notwendige Begleiter (Strophe 53) und das starke a
das auf Denkstein und Nachruhm zählt!
Mit unbeirrter Sicherheit trägt dieser Nordmann seine volkstümliche Weis-
heit vor. Eine Gesinnung spricht zu uns, die seit Jahrhunderten vom Vater
auf den Sohn gegangen, die selbstverständlich und triebhaft ‚geworden ist
und die noch nichts ahnt von den Erschütterungen durch den Glauben
des Südens. |
I
Nach allen Türen,
Eh ein man tritt, .
Soll sorglich man sehn, |
Soll scharf. man schaun: .
Nicht weißt du gewiß, ..
Ob nicht weilt ein Feind
Auf der Diele vor dir.
2
Heil den Gebern!
Ein Gast trat ein.
Sagt, wo er sitzen soll!
Nicht bleiben mag,
Wer bei der Brandstelle
Seinen Witz bewähren soll.
3
Feuer braucht,
Wer fernher kam,
An den Konieen kalt;
Gewand und Speise
Der Wanderer braucht,
Der übers Hochland hinzog:. . i
46
4
Wasser braucht,
‘ Wer zur Bewirtung kommt, +"
Tischgruß und Trockentuch,
Gute Meinung,
‚Wenns vergönnt ihm wird,
Antwort und Aufhorchen.
5°
Witz braucht,
Wer weithin zieht:
Daheim behilft man sich!
‚ Augenzwinkern
Der Unkluge weckt,
Der bei Besonnenen sitzt. |
6
„Mit seinem Verstand. ae
. Soll man stolz nicht prahlen,
Vorsicht befolge man;
Wer weise schweigend
Zur Wohnstätte kommt —
Nicht trifft Unglück den Achtsamen.
Der Achtsame, DEREN
Der zum Essen kommt, . u
Horcht scharf und a
Die Ohren spitzt er, er
Mit den Augen späht er, ., . .;;
Der Besonnene sichert sich. .
8
Wertere Last | | ”
Trägt auf dem .Weg man nie.
Als starken Verstand:
Er frommt dir mehr
In der Fremde als Gold;
Er ist des Hiflosen Hort..
9
Wertere Last .
Trägt auf dem Weg man nie
Äls starken Verstand:
Schlimmeren Vorrat
Nimmt auf die Fahrt man nie
Als Aeltrunks Übermaß. |
Io |
Es gafft der Tor, ,
Der zum Gastmahl kommt, =
Stottert oder ist stumm:
Zu tage tritt,
Wenn er Trank erhält,
Auf einmal seine Art.
Reiche Frühkost Ri
Soll man zuvor genießen, '; ‘'
Will zum Gastmahl man gehn;
Sonst sitzt man und schlingt,
Als ob man verschluckt sich hätte,
Und kann fragen nicht viel. -
Nicht klebe man am Becher, .:
Trinke Bier mit Maß, _
Spreche gut oder gar nichts; .
Niemand wird
Dein Benehmen tadeln,
Gehst du bald: zu. Bett.
13 ee
Der Gefräßige,
Wenn er .Vorsicht nicht: ar
Ißt sich Übelkeit an;
Dem törichten Mann
Wird sein Magen zum Spott,
Wenn er zu Klugen kommt. -
I4
Herden wissen,
Wann heim sie sollen,
Und gehn dann aus dem Gras;
Der Unkluge
Ahnt aber nie
Seines Magens Maß.
I5
Der Unweise u
Wähnt bei allen sich,
Die ihm lächeln, beliebt;
Nicht erkennt ers,
Daß man kalt von ihm spricht,
Wenn « er bei Besönnenen sitzt.
I6
Der Unweise
> : Wähnt bei allen sich,
Die ihm lächeln, beliebt;
Deutlich wirds, .
Wenn zum Ding er kommt,
Daß ihm der Fürsprech fehlt.
17 PAR
Der Unweise |
Meint alles zu wissen,
Wenn er im Winkel weilt;
Er weiß nicht,
Was er erwidern soll, ..
Fragen ihn andre aus.
47
18
Der Unweise,-"
Der zu andern kommt,
Halte stets sich still:
Niemand merkt,
Daß er nichts versteht,
Wenn. die Zunge er zügeln kann. .
19
Der nur weiß,
Der weithin zieht
Und viele Fahrten tat,
Was im Innern
Jeder andre hegt, _
Der Besonnenheit besitzt.
20
Erfahren heißt,
Wer fragen kann
Und antworten auch;
Nicht lange gelingts
Den Leuten, zu hehlen,
Welches Sinnes sie sind.
21
Fragen und erzählen
Der Erfahrne soll,
Der gescheit erscheinen will;
Nur er solls wissen,
Nicht ein andrer noch,
Mit dem dritten das Dorf es weiß.
22 |
Viel schwatzt der Mann,
Der nicht schweigen kann,
Unverantwortlich aus;
Rasche Zunge,
Die man im Zaum nicht hält,
Spricht sich oft Unglück an,
23
Alles Be
Der elende Mann,
Der von übler Art;
48
Er weiß nicht,
Was er wissen sollte,
Daß er von Fehlern nicht frei
24
Niemand soll man
Zum Narren halten,
Auch wenns zum Gastmahl geht;
Klug dünkt sich mancher,
Wenn ihn keiner befragt
Und er heile Haut behält.
25
Der spottfrohe Gast,
Entsprang er glücklich,
Gar weise sich wähnt;
Nie weiß genau,
Wer neckt beim Mahl,
Ob er sich nicht Unheil anschwatzt.
26
Viele Männer
Sind sich freundlich gesinnt,
Doch beim Gelage lästern sie;
Unfrieden
Weckt das ewiglich,
Es hadert Gast mit Gast.
27
Gehn soll man
Nicht als Gast weilen
Stets an einem Ort:
Der Liebe wird leid,
“ Wenn lange beim andern
Auf der Bank er bleibt.
28
Gut ist ein Hof,
Ist er groß auch nicht:
Daheim ist man Herr;
Hat man zwei Ziegen
Und aus Zweigen ein Dach,
Das ist besser als betteln gehn.
20 :
Gut ist ein Hof,
Ist er groß auch nicht: |
Daheim ist man Herr;
Dem blutet das Herz,
Der erbitten die Kost.
Zu jeder Mahlzeit sich muß.
30
Viel zu früh
Kam ich an viele Orte,
An andre allzu spät;
Das Bier war getrunken
Oder gebraut noch nicht: |
Stets zu Leid kommt der Lästige.
3I
Manches Mal
Lüde zum Mahl man mich wohl,
Wenn von Luft ich leben könnte,
Oder zwei Keulen
Hingen beim zärtlichen Freund,
Wo ich eine aufaß.
32
Des Besitzes Genuß,
Den man selbst erworben,
Neide man sich nicht:
Oft spart man für Feinde,
Was man Freunden bestimmt:
Nicht immer gehts wie man glaubt.
33
Ich fand so gastfrei
Und freigebig keinen,
Daß er Geschenke verschmäht,
So verschwenderisch keinen,
Daß es gekränkt ihn hätte,
Wenn man ee gab.
34
Mit Waffen soll man Freunde
a mit Gewanden erfreun,
aS sieht man an sich selbst:
Nicht großes nur .:
‘: Den Gefährten ich fand. “ 6
‘Was lebt er länger noch?
Geber und Vergelter al
. Bleiben gute Freunde, - - =
Ist ihnen günstig das Glück. - . :'
Gebe man andern, :
“ Damit man Dank verdient:
‘ Durch Brotes Bissen
Und Bechers Neige Ä E
36 |
Jung war ich einst,
Einsam zog ich,
: Da ward wirr mein Weg;
Glücklich war ich,
Als den Begleiter ich fand: u
Den Menschen freut der Mensch. 5
37
Die Föhre dorrt,
Steht sie frei auf dem Berg,
Nicht schützt sie Borke noch Blatt;
So ists mit dem Mann,
Den alle meiden,
38
Brand brennt vom Brande,
Bis entbrannt er ist,
Feuer vom Feuer lebt:
Durch Mannes Rede
-. Wird ratklug der Mann,
- Doch unklug durch Abschließung
39 | er
Seinem Freunde Be 2%:
‚ Soll ein Freund man sein
Und Gaben vergelten auch: ic
+. Lachen für Lachen ' | on
Sollen die Leute nehmen : +" .'
.. Und Täuschung für Trug. . 1%.
49 Ba
Seinem Freunde .
Soll ein :Freund man sein
Und des Freundes Freunde auch;
Doch nie soll man
Nehmen zum Freund
Seines Feindes Freund.
41 |
Wenn du einen Freund hast,
Dem du fest; vertraust
Und von dem du gutes begehrst,
Tausch mit ihm Gedanken
Und bedenk ihn mit Gaben,
Suche oft ihn auf!
42
Hast du einen andern,
Dem. du übel traust
Und von dem du doch gutes begehrst,
Freundlich magst du sprechen,
Aber falsches sinnen,
Zahlen Täuschung für Trug.
43°
Das auch gilt von ihm,
Dem du übel traust,
Dessen Denkart verdächtig ist:
Heiter magst du lächeln
Und dein Herz bergen;
Das Geld sei der Gabe gleich.
44
Heißer als Feuer
Brennt fünf Tage
Bei‘ falschen die Freundesliebe;
Dann aber sinkt es,
Wenn der sechste kommt,
Und alle Freundschaft zerfällt.
45
Zum falschen Freund
Geht ein Fehlweg hin,
Wenn er am Weg auch wohnt;
50
:: - Doch zum guten Freund
Führt ein grader Steig,
Zog er auch fernhin fort.
46 Ä
Klug mit Maß
Soll der Mann wohl sein,
Aber nicht überklug;
Es führen die
Das frohste Leben,
Die in vielem erfahren sind.
47
Klug mit Maß
Soll der Mann wohl sein,
Aber nicht überklug;
Heiter wird selten
Das Herz des klugen,
Der allweise ist.
48
Klug mit Maß
Soll der Mann wohl sein,
Aber nicht überklug:
Sein Geschick
Schaue man nie,
Dann bleibt sorglos der Sinn.
49
Der Unweise
Wacht alle Nächte,
Denkt an dies und das;
Müde ist er, |
Wenn der Morgen kommt,
Die Sorge dieselbe ist.
50
Froh lebt,
Wer freigebig und kühn,
Selten quält Sorge ihn;
Furcht hegt immer
Der feige Mann,
Es wurmt die Gabe den Geizhals.
5I "
Der ängstliche - Mann
Meint. ewig zu ‚leben,
Meidet er Männerkampf;
Einmal aber
Bricht das Alter den Frieden,
Den der Ger ihm gab.
52
Seine Macht
Soll mit Maß gebrauchen
Der Verständige stets:
Dann findet sichs,
Wenn man furchtlose trifft,
Daß keiner der kühnste ist.
53
Von seinen Waffen
Gehe weg der Mann |
Keinen Fuß auf dem Feld:
Nicht weiß man gewiß,
Wann des Wurfspießes
Draußen man bedarf.
54
Früh soll aufstehn,
Wer vom andern begehrt
Leben oder Land:
Raub gewinnt selten
Der ruhende Wolf
Noch der Schläfer die Schlacht.
55
Früh soll aufstehn,
Wem Arbeiter mangeln,
Und eilig zur Arbeit gehn:
Manches versäumt,
Wer morgens schläft;
Halb reich ist der rasche schon.
56
An Rinde fürs Dach
Und dürren Schindeln
Bedenke man den Bedarf,
: Des Holzes Vorrat,
Daß er hinreichen kann
e Drei Monat und mehr!
57
Auf dem alten Meer
Senkt der Aar den Schnabel,
Wenn zur Küste er kommt;
So tut der Mann,
Der in die Menge kommt,
‚, Wenn ihm der Fürsprech fehlt.
58
Zum Gericht reite man
Rein und gespeist, |
Ist auch nicht kostbar das Kleid;
Nicht schäme sich
Seiner Schuhe und Hosen
Und seiner Mähre der Mann!
59
‚ Zwei: Holzmännern
Auf der Heide draußen
Gab ich weg mein Gewand;
Lebend schienen sie,
Als sie die Lumpen hatten:
Der Nackte gilt nichts.
60
Feuer ist wert
Dem Volk der Menschen
Und der Sonne Gesicht,
Heiler Leib,
Wer ihn behalten kann,
Und daß kein Tadel ihn trifft.
61
Ganz kläglich ist keiner,
Ob auch krank er sei,
Dem bringt Segen sein Sohn,
Dem die Verwandten,
Dem sein Wohlstand,
Dem tüchtige Tat,
51
62 u Nicht steht ein Denkstein
Besser ists, lebend * An der Straße Rand, |
Als leblos zu sein: 0.0075 Wenn ihn ein Geeippe nicht. setzt. '
Wer lebt, kriegt die Kuh. .
Feuer sah ich rauchen 065 = —z
Auf des Reichen Herd,
. Besitz stirbt,
Doch er lag tot vor der Tür.
.. $Sippen sterben,
63 . Du selbst stirbst wie sie;
Der Handlose hütet, , Doch Nachruhm
Der Hinkende reitet, .. „Stirbt nimmermehr,
Tapfer der Taube kämpft; Den der Wackre gewinnt.
Blind ist besser
Als verbrannt zu sein: . 66
Nichts taugt mehr, wer tot. ; Besitz stirbt,
' Sippen sterben,
64 :. Du selbst stirbst wie sie;
Ein Sohn ist besser, Eins weiß ich,
Ob geboren auch spät . Das ewig lebt:
Nach des Hausherrn Hingang: Des Toten Tatenruhm.
II. DIE GLÄMA
VON PAUL HERRMANN
II. Auf dem Glämuvegur
m 20. Juli 1914 war ich mit Herrn Heinrich Benary-Erfurt, meineın
alten bewährten Führer Ögmundur Sigurösson und seinem Sohne
Sveinn auf meiner vierten Islandreise von Reykjavik aufgebrochen, hatte
am 27. Juli Kirkjuböl am I’safjöröur erreicht und war nach Besuch der
Sn&fjallaströnd, der Jökulfirdir, des Nordkaps und der Ostseite des Dranga-
jökull vom Furufjöröur an bis Staödur i Steingrimsfiröi am 14. August in
Laugaböl an der Eisföhrde, etwas südlich von Kirkjuböl wieder einge-
troffen. Ein Bericht über diesen Hauptteil meiner Reise ist seit März 1915
von mir fertiggestellt und wird nach Beendigung des Krieges unter dem
Titel „Eine Reise nach dem Nordkap auf Island‘ als besonderes Schrift-
chen veröffentlicht werden. Darauf wollte ich einige Tage der Gläma wid-
men und auf beiden Seiten des Dyra- und Arnarfjöröur zu Lande entlang
ziehen, um das auf der zweiten Islandfahrt von der See her gewonnene Bild
zu vervollständigen (mern Island III, 33—36), den Abschluß sollte die Reise
rund um die Bäröastrandarsysla bilden. Dieser zweite Teil meiner Reise ist
bei weitem nicht so geglückt wie der erste: Überanstrengung der Pferde,
namentlich auf den entsetzlichen Wegen östlich des Drangajökull und beim
52
H. Benary phot. 191
SEE
Blick von Rafnseyri über den Arnarfjöröur
H. Benary phot. 1914
Bildudalur am Arnarfjöröur
Abstieg von der Gläma, Vertrödeln der kostbaren Zeit durch Ausreißen der
Gäule, so daß wir zwar liebenswürdig aufgenommen, aber tatenlos drei
Tage in Bildudalur auf das Wiedereinbringen der verirrten Flüchtlinge
warten mußten, Krankheit des Führers, Regen, Sturm und Nebel, vor allem
die niederschmetternden englischen Nachrichten über den Beginn und Ver.
lauf des Weltkrieges und infolge davon eine Lähmung unserer körperlichen
und seelischen Kräfte und die rasende Ungeduld, uns so schnell wie möglich
dem schwer geprüften Vaterlande zur Verfügung zu stellen, Zwangen uns
die Reise nach Möglichkeit abzukürzen. So konnte ich auf die Gläma nur
einen einzigen Tag verwenden und nur den Glämuvegur einschlagen. Der
nachstehende Bericht gibt also nur die Erlebnisse und Ergebnisse eines ein-
zigen Tages wieder, aufgezeichnet noch dazu von einem Nichtfachmanne.
Überaus wertvoll, so hatte ich gehofft, würde mir auf der Gläma mein
Führer Ögmundur sein, der selbst vor 30 Jahren dort gewesen war, Ende
Juni. Er behauptete, überall zusammenhängenden Schnee angetroffen und
den höchsten Punkt überschritten zu haben; Schreitgletscher habe er nir-
gends gesehen, aber, worauf ich bei meinen Fragen besonderen Wert legte,
ein Gletschertor; er betonte, daß die von der Gläma kommende Vatnsfjarö-
ar& „gruggug“ (schlammig, trübe, gletscherfarbig) wäre. Das letzte
war sicher ein Irrtum, Ögmundur verwechselte sie mit der Vatnsdalsä oder
Vattardalsä, und auch diese sind ganz gewiß keine Gletscherflüsse. Über-
haupt war sein ganzer Bericht verwirrt und widerspruchsvoll. Bei der
Fülle der Eindrücke, die über ihn seit mehr als 30 Jahren auf fast alljähr-
lichen Fahrten durch Island eingestürmt sind, muß ein Verwischen eintreten,
wenn nicht täglich über das Gesehene genau Tagebuch geführt wird. Seinen
Angaben widersprach auch ganz entschieden Herr H. Jörgensen, „Guide i
Generalstaben‘, den ich am I. August 1914 am Nordkap kennen lernte.
Er war selbst auf der Gläma gewesen und hatte dort gemessen und ge-
zeichnet; seine Mitteilungen werden durch das Sommer 1915 erschienene
Blatt des dänischen Generalstabs bestätigt: es sei ausgeschlossen, daß die
Gläma ein Gletscher wäre, sicherlich nicht im Westen und Süden, er habe
nördlich der Hä-Gläma zwei je ı km große zusammenhängende Verglet-
scherungspartien und ebenso nördlich und östlich des Sjönfrfö, sowie west-
lich dieser Höhe ein sehr kleines Eisfeld gezeichnet. Ögmundur begann an
der Verläßlichkeit seines Gedächtnisses zu zweifeln und bat, daß wir von
Laugaböl einen Lokalführer mitnähmen.
Der sagenberühmte Hof Laugaböl (‚„Badfarm‘‘) hat die größte Haus-
wiese des ganzen Westlandes, sie liefert 430 ‚Pferde‘ besten Heus; der
Bauer Pöröur Jönsson (} 18. Okt. IgI4) hat 16 Pferde, 14 Kühe, 300 Schafe
und erntet 20 bis 30 Tonnen vorzüglicher Kartoffeln. In der Hauswiese
53
liegen 2 warme Quellen, eine dritte ist unterhalb in einem Bächlein {ihre
Beschreibung und Analyse bei Thoroddsen, De varme Kilder paa Island,
Kop. 1910, S. 237). Wir schickten einen reitenden Boten nach dem Hofe
Raudamyri, um den Führer über die Gläma zu bestellen, aber er war nicht
anwesend. Der Bauer tröstete uns aber damit, wir könnten einen anderen
am Ende des Mjöfifjöröur bekommen, und führte uns selbst am folgenden
Tage um den innersten Zipfel des I’safjöröur auf die berüchtigte Hestakleif,
die schon Olaus Olavius einen „sehr beschwerlichen Bergweg“ nennt. Das
Plateau war flach und langweilig, bot aber einen hübschen Blick nach den
arktischen Schneebergen der Sn&fjallaströnd und dem Drangajökull. Durch
Birkengestrüpp erreichten wir das Ende der „schmalen Föhrde‘“. Drei arm-
selige Höfe liegen hier dicht beieinander: Botn i Mjöfafirdi, wo wir unter-
halb der Hauswiese das Zelt aufschlugen, Kleifarkot und 1, Stunde nörd-
lich am östlichen Ufer der Bucht Hörgshliö. Ögmundur ritt sofort dahin,
um den Besitzer Guömundur Guömundsson für den Glämuweg anzuwerben.
Im schlimmsten Falle wäre noch der Weg vom Hof Heydalur aus am west-
ichen Ufer des Mjöfifjöröur durch das Tal gleichen Namens möglich gewesen.
Am 16. August früh 7 Uhr hielt Guömundur pünktlich vor unseren be-
reits zusammengepackten Koffern, und diese Pünktlichkeit, ein bei den Is-
ländern außerordentlich seltener Vorzug, nahm uns sofort für ihn ein, doch
wurde es immerhin g Uhr 30, bis wir aufbrachen. Guömundur war von
Mittelgröße, das sympathische Gesicht mit den hellen, klugen Augen um-
rahmte ein rötlicher Vollbart, die Schultern waren etwas „gerundet“; er
litt an einem Leistenbruch, verschmähte deshalb vom Plateau an ein Pferd
zum Reiten und legte den ganzen Weg zu Fuß zurück. Er war viel zäher
als sein etwas gebrechliches Äußere vermuten ließ; unermüdlich stapfte er
durch Geröll und Schnee, zog stets ein Packpferd mit starker Hand hinter
sich und kletterte auf Steine und Felsen, um Ausschau zu halten, wenn
wir uns verirrt hatten. Aber geradezu bewunderungswürdig war, und das
hätte ihm keiner von uns nachgemacht, daß er kaum ı Stunde nach unserer
Ankunft im Dyrafjöröur sich wieder in Bewegung setzte und durch die
dämmernde Nacht denselben Weg nach Hause zurücklegte, glücklich über
die I8 Kronen, die er als königliche Bezahlung zagend erbeten hatte.
An den Füßen trug er leichte Schuhe aus Seehundsleder. Sie waren für
den durchweg weichen Schnee äußerst praktisch, aber in dem gräßlichen
Geröll boten sie keinen Schutz, und die Füße werden von den zackigen
Steinen braun und blau gestoßen und gerissen sein. Er hatte mindestens
ein Dutzendmal den Weg über die Gläma nach dem Arnarfjöröur gemacht,
allerdings stets im Winter, und nie mehr als 6 Stunden gebraucht. Bei
hellem Wetter sei der Weg ziemlich harmlos, lebensgefährlich aber bei Un-
54
wetter, Schneegestöber und Nebel; dann müsse man sich immer solange wie
möglich an den Schnee halten. Der Schnee selbst sei nicht immer gleich,
man müsse sich darum fast jedesmal einen neuen Weg suchen. Als ich ihn
fragte, ob er uns so nahe wie möglich an den Gletscher und das Eis heran-
führen könnte, schüttelte er verwundert den Kopf: über Eis kämen wir
gar nicht, und außer auf den Seen und Bächen habe er niemals Eismassen
gesehen. Mir fiel auf, daß er niemals das Wort jökull (Gletscher) gebrauchte,
sondern stets nur von hjarn (gefrorener Schnee) und fannir (pl. von fönn;
Firnhaufen) sprach. Ögmundur wurde immer kleiner und geknickter.
Wir fünf ritten um %1o gemächlich südwärts die Niederung zurück bis
Kleifarkot (1 km) und erklommen in erträglicher Steigung in 20 Minuten
das Plateau an den 6 Absätzen der Bessärdalsä empor, die wir ca. 3 km
weit sw. verfolgten, bis uns auf weitere 4 km in gerader westlicher Richtung
der Bessärdalur aufnahm. Hier war das letzte Gras für die Pferde bis zum
Abend, wir rasteten daher kurze Zeit. Zwei Stunden nach dem Aufbruch
begann das wüste Geröll, das sich nordwärts nach der Hestfjaröarheidi
südlich des Hestfjöröur erstreckt. Ab und zu bezeichneten steinerne Warten
die Richtung, einen Weg gab es natürlich nicht, es kam nur darauf an,
die Warten nicht aus den Augen zu verlieren und von einer zur anderen
durch das graue Steinmeer zu kriechen. Bald nachdem wir durch eine
Lücke in den Bergen einen Blick auf den Skutilsfjöröur (‚‚Harpunenföhrde‘‘)
erhascht hatten, teilte sich der „Weg“ nach dem Arnar- und Dyrafjöröur,
und nunmehr begann die eigentliche Schneewanderung. Jetzt wechselten
nicht mehr Geröllflächen und Schneefelder ab, sondern ungeheure, stunden-
lange Schneefelder mußten überritten werden. Es war eine großartige,
weihevolle Öde, kein Vogel piepte, kein Schaf hatte sich hierher verirrt,
selbst die Fliegen fehlten. Wir ritten langsam, aber unermüdlich weiter;
erst um 3 Uhr rasteten wir einige Augenblicke, traurig senkten die Gäule
ihre Köpfe und starrten stumpfsinnig auf den Boden, der auch nicht ein
Hälmchen trug. Wolkenlos spannte sich der blaue Himmel über uns, und
ungehindert konnte der Blick nach allen Seiten schweifen. Das gute Fern-
glas kommt nicht von den Augen, aber soviel wir auch suchen und spähen,
keine Spur von Gletscher oder Eis ist irgendwo zu sehen. Und doch ist es
altes Gletschergebiet, wo wir stehen, wenn auch überall viel Tuff ist. Ög-
mundurs Gletschertor ist sicher ein altes Phantasiegebilde, wie er selbst
kleinlaut zugibt; vielleicht lebt irgendeine Schneebrücke über die vielen
größeren und kleinen blauen Bäche in dieser Gestalt bei ihm fort. Merk-
würdig übrigens, daß die meisten Gletscher Islands so stark zurückgehen,
obwohl doch die Temperatur immer die gleiche bleibt. Diese Bäche machten
uns nicht geringe Schwierigkeiten beim Vorwärtskommen, mehrere mußten
55
übersprungen werden, nachdem die Führer vorher untersucht hatten, ob
auch die Ränder fest genug wären. Mehr als einmal versanken wir durch
den trügerischen Schnee in das Wasser bis über den Bauch der Pferde,
und der arme Guömundur watete weite Strecken zu Fuß durch aufge-
lösten Schnee und eiskaltes Wasser. Ganz wundervoll nahmen sich die
vielen kleinen und mehrere größere Alpenseen aus. An drei größeren kamen
wir unmittelbar vorbei, drei andere blieben etwas weiter zur Linken liegen-
Vom Ende des Bessärdalur bis zum letzten großen, rechteckförmigen See
sind wir immer nw. geritten, die Entfernung wird etwa Io km betragen,
wir behalten dieselbe Richtung noch ca. 24, km bei und bewegen uns in
gerader Richtung scharf nach Westen, so daß die höchste Höhe der Gläma,
Hä-Gläma, direkt südlich unter uns liegt, etwa 4 km von uns entfernt, und
ebenso darauf die Höhe Sjönfriö, etwa 2% km von uns durch riesige Schnee-
felder getrennt, beide hell und scharf von der Sonne beschienen. Soviel
Mühe wir uns auch geben, Eis ist nirgends zu finden, nicht einmal Ver-
gletscherungsstücke wie etwa bei der Hekla. Bei der nahen Entfernung,
der hellen, durchsichtigen Luft und mit Hilfe unserer ausgezeichneten Fern-
gläser hätten wir es unbedingt wahrnehmen müssen. Überall starren aus
den Schneemassen Steine hervor, der Schnee hat, wie wir übereinstimmend
schätzen, höchstens eine Dicke von Io m. Darauf überschreiten wir ein
etwa 5 qkm großes, zusammenhängendes, aber ziemlich lockeres und im
Abschmelzen befindliches Schneefeld, das wir das erste Mal von Kaldalön
auf der westlichen Drangajökull-Halbinsel gesehen hatten, und das direkt
in einen tiefen Einschnitt zwischen den Schneebergen zu führen schien, in
gut ı1, Stunden und erreichten mitten im Schnee eine mit Steinklötzen
übersäte Stelle. Hier standen zwei Warten, hier kreuzten sich unser Weg und
der vom Hestfjöröur ausgehende. Wir hatten also, wenn wir auch ein paar-
mal in die Irre gegangen waren, im allgemeinen die Richtung innegehalten.
. Langsam begann der Abstieg, wieder durch Schneefelder, bis wir 146 Uhr
an einem kleinen See Halt machten, aus dem nach Angabe des Lokalführers
ein Seitenarm der in den Dyrafjöröur mündenden Botnsä entspringt. Die
Entfernung von dem zuletzt erwähnten rechteckförmigen See bis zu diesem
beträgt etwa 4%, km; von hier bis zum Fjord werden noch 8 km sein. Schon
fangen zerstreute Steininseln an, die weißen Schneefelder zu unterbrechen,
und man merkt immer deutlicher, daß es bergab geht. Plötzlich wehrt ein
mit zahllosen, übermannshohen, durcheinander gewürfelten Klötzen be-
decktes Geröllfeld unser Vorwärtskommen. Wir müssen absteigen und nach
allen Seiten Umschau halten. Unter uns liegen lange schwarze Lachen, in
denen die Pferde versinken würden. Wir bahnen uns unter entsetzlichen
Mühsalen einen Weg durch die Steine um die Klötze herum und ziehen die
56
unlustigen Gäule hinter uns her. Wir sind offenbar vom „Weg“ abgekom-.
men. Der Lokalführer ist ratlos. Da er stets nur im Winter hier gewesen
ist, hat er das dann völlig von Schnee eingehüllte Feld nie gesehen, weiß
also nicht, wo wir sind. Er stöhnt, im Winter, wenn der dichte Schnee
alles gleich und leicht passierbar mache, sei der Weg viel leichter und
näher. Ögmundurs Augen glühen im Fieber. Seit er am 9. August die stark
geschwollene Hvalsä nackt zu Pferde durchschwommen hat, um uns Hilfe
zu holen, die wir in dem Schafstall Strandatün eingeschlossen und abge-
schnitten waren, kämpft er heldenhaft gegen immer heftiger werdende Hals-
schmerzen. Alle halbe Stunden schluckt er Antipyrin und vermag sich
kaum im Sattel zu halten. Über neue Schnee- und Steinfelder keuchen wir
2 km wieder in die Höhe, um uns orientieren zu können. Böse geht es dabei
über unsere Stiefel her, die Gamaschen reißen, die Sohlen bekommen Löcher,
und das Oberleder „gähnt und hat Fenster“, wie der Isländer sich aus-
drückt; wir müssen alle im nächsten Hafenplätzchen Pingeyri einen „Schuh-
schmied‘“ aufsuchen, um unsere Fußbekleidung wieder leidlich herstellen zu
lassen, daß sie wenigstens bis Reykjavik aushält ; Ögmundur muß schimpfend
und fluchend für seinen Sohn sogar neue Stiefel kaufen. Es ist die böseste
Kraxelei während unserer ganzen Reise, und wieviel schwierige Aufstiege
und Abstiege hatten wir östlich des Drangajökull gehabt, daß wir dachten,
Schlimmeres könne uns nicht mehr begegnen! Wir beteuern uns immer
wieder, daß heute der gräßlichste Tag sei. Was hätte aus uns werden sollen,
wenn plötzlich Sturm oder Nebel uns überfallen hätten! Jeder Weitermarsch
wäre dann unmöglich geworden, wenn wir nicht leichtsinnig unser Leben
aufs Spiel setzen oder ins blinde Ungewisse hinein tappen wollten, bis ein
verräterischer Spalt unserem Tasten für immer ein Ende machte. Ange-
nommen, daß wir hier auf und zwischen den Steinen die Zelte überhaupt
hätten aufschlagen können, um uns stumpfsinnig in unser Los zu ergeben
und zu warten, bis der Aufruhr der Natur sich gelegt hätte, — was sollte
aus unseren armen Pferden werden ? Sie jammerten uns am meisten, zumal
da sie seit acht Stunden nichts zu fressen gehabt hatten. Gierig stürzten
sie sich auf das eiskalte Wasser in den Bächen und Flüssen, setzten vorsichtig
die Füße zwischen die Steine und beschnupperten den Schnee, wenn er
ihnen trügerisch und zu lose vorkam. Teilnahmlos trotteten wir stöhnend
weiter, daß der Schweiß in Strömen vom Leibe rann, immer ängstliche Blicke
auf Ögmundur werfend, ob er es noch aushalten könnte. Es war eigentlich
unverantwortlich leichtsinnig von ihm gewesen, in solchem Zustande über
die Glama zu gehen. Aber der Weg wurde wieder leidlich. Gegen 7%, Uhr
erreichten wir endlich die ersten steilen Höhen, die den Dyrafjöröur auf der
Nordseite umgeben, durchritten ohne Fährlichkeit einen neuen Nebenfluß
57
der Botnsä und stießen alsbald auf frisches, saftiges Gras. Der, wie in diesen
Gegenden gewöhnlich, amphitheatermäßig geformte Talgrund, der den
Fjord abschließt, war erreicht. Die Pferde waren nicht zu bändigen, immer
wieder rissen sie große Bündel mit den hungrigen Mäulern ab und schnarpsten
laut beim Kauen vor Vergnügen. Ein Weg war noch immer nicht zu sehen,
immer wieder mußten wir die Richtung wechseln, bald rechts, bald links
vom Flusse reiten. Aber der Fjord blaute immer klarer und weiter vor uns.
Dann erreichten wir die Botnsä selbst, waren auf ebenem, fruchtbarem
Wiesenboden und schwangen uns 8°/, Uhr vor dem kleinen Hof Botn i
Dyrafiröi aus dem Sattel. Wir schlugen geschwind das Zelt auf und schlüpften
in den Schlafsack. Als ich schnell noch meine Aufzeichnungen im Tagebuch
durchsah, schloß ich sie, in Übereinstimmung mit meinem Reisebegleiter,
die Worte dick unterstreichend: Die Gläma ist kein Gletscher; auch hat sie
weder an der Nordwest-, noch an der Nord-, noch an der Ostseite ein zu-
sammenhängendes Firnfeld.
III. Ergebnis
'D5 Glämuvegur geht also von Botn { Mjöfafiröi nach Botn i Dyrafirödi,
läßt sich bei gutem Wetter in ca. Io Stunden zurücklegen, ist etwa
33 km lang und bietet für Geübtere keine besonderen Schwierigkeiten. Er
führt etwa 4—6 km nördlich der höchsten Erhebung der Gläma, der Hä-
Gläma, und geht abwechselnd über riesige Schneefelder und höchst unan-
genehme Geröllfelder. Auf der Gläma selbst entspringt kein Fluß. 4 und
6 km östlich von ihr kommen zwei unbenannte Flüsse mit hellem, klarem
Wasser aus Seen; nach Norden entspringt, 6 km vom höchsten Punkt ent-
fernt, ein Seitenarm der Botnsä aus einem kleinen See; 3 km nach W.
fließen zwei namenlose Seitenarme der Botnsä, die sich in den Borgarfjöröur
ergießt, aus einem See. Auch die beiden größten, nach S. fließenden Ströme,
die Vatnsdalsä und die Vattardalsä, entspringen nicht auf der Gläma und
führten, als wir sie am 2I. August passierten, kein Gletscherwasser, werden
auch nicht von den Anwohnern als Jökulsär (,‚Gletscherflüsse‘‘) bezeichnet.
Die Vatnsdalsä entspringt 15 km südlich der Hä-Gläma aus einem namen-
josen, kleinen See, ergießt sich in das Vatnsdalsvatn, einen See nördlich
des Vatnsfjöröur, ist gut 9 km lang, also sehr kurz, aber sehr wasserreich.
Die Vattardalsä entspringt auf gleicher Höhe ca. 8 km östlich von dem See,
aus dem die Vatnsdalsa kommt, ist ca. IO km lang und ergießt sich in den
Vattarfjöröur. Von einem Gletschertor kann also keine Rede sein.
Unsere Reisegesellschaft, Benary-Erfurt, Ögmundur Sigurösson und Sohn
aus Hafnarfjöröur, Guömundur Guömundsson aus Hörgshliö und ich selbst,
hat keinen Gletscher und kein Eis gesehen, ebensowenig wie Stefän Ste-
58
. fänsson in dem gleichfalls trockenen, sonnigen August 1893; der Lokalführer,
der wiederholt im Winter den Weg gemacht hat, hat auch dann niemals
Eis außer auf Seen, Bächen und Flüssen erblickt. Damit stehen die Schilde-
rungen Kälunds, Thoroddsens vorsichtige Vermutungen, die Äußerungen
des Herrn Jörgensen vom dänischen Generalstab und die Generalstabskarte
selbst im Widerspruch, den ich, als zu wenig geschulter Geologe, nicht zu
lösen wage. Ich glaube aber nicht, daß wir es in Wirklichkeit mit Gletscher-
eis zu tun haben, etwa wie auf dem Gipfel der Hekla, von wo aus außer-
dem nach S. und O. schmale, lange Gletscherzungen reichen, sondern mit
Steineis. Eine Jahrtausende liegende Schneemasse muß doch, wie Herr In-
genieur Heinrich Winkel-Dresden schreibt, durch den sich steigernden Be-
lastungsdruck in irgendeiner Weise beeinflußt werden und wird vielleicht,
was die Fachgelehrten entscheiden mögen, in Steineis verwandelt; dieses
aber kann leicht mit Gletschereis verwechselt werden und den ungeübten
Beobachter irreleiten. Wann und unter welchen Umständen das Steineis
bloßgelegt wird und so zur Verwechslung mit Gletschereis führt, oder warum
es in bestimmten Sommern gar nicht zutage tritt, mag ebenfalls von sach-
kundigerer Seite entschieden werden. Aber für die Entscheidung, ob die
Gläma ein Gletscher ist oder eine Ansammlung von Schnee, ein ungeheures
Firnfeld, ist nicht die Hauptfrage die: Gletschereis oder Steineis?, sondern
die: rückt der Glämugletscher vor? hat die Gläma Gletscherzungen ? gehen
von ihr Gletscherflüsse aus? hat sie ein Gletschertor ? Alle diese vier Fragen
müssen verneint werden. Der Name Glämujökull, der, wie die Geschichte
der Forschung gezeigt hat, auch spät aufgekommen ist, muß also von der
Karte verschwinden. „Es wäre zu wünschen‘, schreibt Thoroddsen (Skirnir
IQIO, S. 140), und das gilt noch heute, „daß ein Fachgelehrter die Gläma
näher untersuchte, im allgemeinen und im besonderen, und die Verände.-
rungen feststellte, die durch die Temperatur hervorgerufen werden. Unsere
bisherigen Forschungen sind unvollständig.“
II. DAS SCHIFF SINKT
SCHAUSPIEL IN 4 AKTEN VON INDRIBI EINARSSON
BESPROCHEN VON ALEXANDER JÖHANNESSON!
B% isländischen Kritikern von Werken der neueren Literatur ist es ergangen wie
denen bei anderen Völkern: ihre Urteile über den poetischen Wert sind oft sehr
verschieden. Als besonderer Übelstand kommt bei den Isländern hinzu, daß die
Kritiker mit den Verfassern oft recht gut bekannt sind und ihnen daher leicht die nötige
! Da wir hier den ersten Versuch der Analyse eines Dramas von einem Isländer vor
uns haben, wurde dieser Aufsatz trotz seines Umfangs aufgenommen. A. ]. will den
Isländern zeigen, welche Fragen aufzuwerfen und wie sie zu untersuchen sind. Der
Artikel ist 1915 in Isafold erschienen. H.W.
59
Unbefangenheit abgeht. Daher haben es spätere Geschlechter meist leichter, die Dich-
tungen in ihre Zeit richtig einzureihen und ein zutreffendes Urteil über ihren Wert zu
gewinnen. Als das Schauspiel: „Das Schiff sinkt‘‘ kurz nach Neujahr 1903 zum ersten-
mal über die Bretter ging, Iauteten die Urteile darüber sehr verschieden. ‚‚’Isafold‘“ lobte
es, „Reykjavik“ (J6n ’Olafsson) ebenfalls, „Pj6Ö56lfur‘‘ fand, nicht viel Gutes daran (der
Aufbau sei nicht straff genug; tadelte den Mangel an eigenartig isländischem Charakter;
die Sprache, die nicht reines gutes Isländisch sei). Auch J6n ’Olafsson hatte die Sprache
des Schauspiels getadelt. Die Deutschen Küchler und Poestion, die beide die Geschichte
des isländischen Theaterwesens mit der den Deutschen eigenen Gründlichkeit geschrie-
ben haben, sprechen sich beide über das Drama aus. Küchler !sagt: Vor allen Dingen
vermissen wir durchaus den an erster Stelle notwendigen Kausalzusammenhang, inso-
fern namentlich der 2. und 3. Aufzug zuviel Ballast enthalten.... Auch schon im ersten
Aufzug findet sich manches Überflüssige. Poestion? findet vor allem den „Charakter
der Hauptperson, Frau Sigriö, verschwommen‘, tadelt die „Häufung von Unwahr-
scheinlichkeiten in bezug auf Zeit, Ort und Umstände der Handlungen‘, er fragt:
„Sollte der Hauptzweck dieses Dramas nicht darin zu suchen sein, die verderblichen
Folgen der Trunksucht vor Augen zu stellen, da ja der Verfasser Good-Templar ist ?*“
Auf diese beiden Kritiken kann man sich nicht stützen, da sich Poestion, wie sich
zeigt, im wesentlichsten fast wörtlich an die Besprechung im „Pj6öölfur‘‘ ange-
schlossen hat. Schließlich hat P. Herrmann? über dieses Schauspiel geschrieben und
kommt zu dem Ergebnis, ihm scheine es (1907) das bedeutendste isländische Drama zu sein.
Bei der Beurteilung eines Schauspiels muß man vielerlei in Betracht ziehen, nicht
nur den Aufbau, den Zusammenhang von Ursache und Wirkung, die Charaktere, son-
dern auch die Anregungen und Erlebnisse, die die Gedanken und Anschauungen des
Dichters beeinflußt haben. Zuvörderst muß man auf den inneren Zusammenhang der
Ereignisse sehen und untersuchen, ob die Fäden gut untereinander verbunden sind.
Das haben die Deutschen, die oben genannt sind, getan (und der Herausgeber des
Pj6dölfur 1903), aber auf verschiedene Weise, und das ist einer der Gründe, auf denen
der Widerspruch in ihren Urteilen beruht.
I
Fe: Sigriöur war 20 Jahre mit Johnsen, dem Faktor eines dänischen Handelshauses,
verheiratet. Sie hatte in ihrer Jugend einen jungen Kaufmann, Hjälmar Pälsson,
geliebt, aber aus irgendwelchen Gründen hatte sich Hjälmar von ihr abgewendet; des-
halb heiratete sie Johnsen. Der Ehe entstammt eine wackere Tochter, Brynhild, die
Ehe blieb aber doch unglücklich, weil Sigriöur ihre alte Liebe nicht vergessen konnte
und Johnsen ein Säufer ist, der ihr ganzes Eigentum vergeudet hat. Im Geschäft hat
er sich unzuverlässig gezeigt und steht bei Beginn des Stücks vor dem Bankrott. Der
Buchhalter Einar setzt ihm diesen Zustand auseinander, aber Johnsen will davon
nichts hören, sondern hat eben vor, auf die Jagd zu gehen, will acht Tage von zuhause
wegbleiben und zwölf Flaschen Whisky und Kognak mitnehmen. Um 7 Uhr abends
soll im Klub ein Ball stattfinden; Mutter und Tochter schickt Johnsen dorthin; er liebt
seine Tochter (‚danke Gott, Brynhild, daß du nicht bist wie ich!"). Der Buchhalter
Einar, der Sigriö Halbbruder, klärt diese über die Lage auf.Diese Kunde grämt Sigrid
sehr, zumal weil sie weiß, daß Brynhild den Kandidaten Kristjän herzlich liebt; dieser
beabsichtigt nach Kopenhagen zu fahren, um dort seine medizinischen Studien abzu-
schließen. Kristjän und Brynbild teilen der Mutter ihre Verlobung mit, und diese sieht
sich gezwungen, ihnen von der Sachlage Kenntnis zu geben; Kristjän verspricht ihr
ı C. Küchler, Geschichte der is. Dichtung der Neuzeit, Leipzig 1902, II, S.62. (Das
S. 59 ff. „Frau Sigrid‘‘ genannte Schauspiel ist unter dem, Titel: ‚Das Schiff sinkt‘
veröffentlicht worden.) ? J. C. Poestion, Zur Geschichte des isl. Dramas und Theater-
wesens, Wien 1903, S. 62ff. ?P. Herrmann, Island in Vergangenheit und Gegenwart, 1.
Leipzig 1907, S. 354 ff.; ders., Island, das Land und das Volk. Leipzig 1914. S. 106.
60
seine Hilfe, weil er Brynhild um ihrer selbst willen und nicht um, des Geldes willen
liebe. Hijälmar wird erwartet und betritt jetzt die Bühne; er ist reicher Gutsbesitzer,
Bezirksvorstand usw. Kristjän merkt sofort, daß dessen Kommen Frau Sigrfö pein-
lich ist, und weil er weiß, daß Gesang Öl auf erregte Wogen ist, veranlaßt er Brynhild
zu singen; sie singt das Lied von borö Andr&sson „Gizur tummelt froh den Renner“.
Hjälmar wird dadurch angeregt und erzählt jetzt Frau Sigriö, wie alles gekommen
sei: seine Mutter sei krank geworden, da habe er das Studium aufgegeben und sich
zurückgezogen, weil er nicht habe annehmen können, daß Sigriöur, die feine Stadtdame,
ihm aufs Land gefolgt wäre, um eine Bauernfrau zu werden. Aber darin hatte er sich
getäuscht. Sigriöur wäre ihm gern überallhin gefolgt. Die alte Liebe erwacht wieder
und es trifft sich gut, daß zwei Freundinnen von ihr, Frau Guöriöur und Frau Thorkelin,
sie zu besuchen kommen. Diese ahnen bald, daß irgendetwas Besonderes in der Luft
liegt. Sie erhalten Kunde von der Verlobung Brynhilds und Kristjäns; inzwischen
kommt Johnsen betrunken mit der Flinte auf dem Rücken zurück; sein Packpferd
war scheu geworden und die Flaschen sind alle zerbrochen. Er ist ärgerlich und die
Nachricht von der Verlobung Brynhilds bringt ihn noch mehr in Erregung; da packt
er seine Frau an beiden Schultern, wirft sie nieder auf den Stuhl und schreit: Hedda
darf nicht verlobt sein! Nun wird es Frau Sigriö denn doch zu viel, und sie erklärt,
sich nicht mehr als seine Frau anzuschen.
Der 23. Aufzug spielt im Vorzimmer zum Tanzsaal; wir sehen das ganze Leben auf
einem Ball nach allen Seiten sich spiegeln: Die einen tanzen nicht, die anderen ärgern
sich, daß das Vergnügen schon so bald zu Ende ist (12 Uhr). Johnsen erfährt nun
erst, wer der Verlobte seiner Tochter ist und sieht die Sache jetzt ganz anders an. Er
klopft Kristjän auf die Schulter: ‚Gott sei mit Ihnen, junger Mann! Behüten Sie
meine Hedda gut, Gott segne Sie!‘ Nun kommt Einar dazwischen und hofft, Johnsen
vor dem Zusammenbruch retten zu können; dessen Schulden betragen 6000 Kronen,
Einar erklärt sich bereit, für 4000 Kronen gut zu stehen, die fehlenden 2000 soll Johnsen
sich von seinem alten Freund Thorkelin leihen lassen. Johnsen läßt einen Toddi für
sich und Thorkelin mischen und schmeichelt ihm, um das Geld zu kriegen. Zu allem
Unglück aber hat Johnsen vorher Frau Thorkelin gekränkt und so muß er es erleben,
daß seine Anleihe mißlingt. Ein Student, namens Siguröur, hält eine Rede auf die
Frauen, durch die sich Brynhild gekränkt fühlt und den Tanzsaal verläßt. Johnsen
geht ebenfalls weg, um auf die Jagd zu gehen, der Tanzsaal leert sich etwas; vor der
Türe begegnen sich Hjälmar und Sigrföur. Diese ist jetzt, nachdem Johnsen sie vor
anderen beleidigt hat, weniger fest als vorher und sagt zu Hjälmar: „Ich habe mich
heute seit langer Zeit wieder einmal jung gefühlt.‘‘ Ein weiteres Aussprechen wird
durch das Dazwischentreten Kristjäns und Sigurös verbindert. Kristjän schlägt eine
Ruderfahrt vor, um den Staub des Tanzsaales abzuschütteln; unter dem Klange des
Marsches Napoleons über die Alpen gehen $ie hinunter an den Strand.
Im 3. Akt, noch an demselben Abend, sucht Hjälmar Sigridur auf; er will Abschied
nehmen, der Boden hier im Süden, meint er, sei ihm, zu heiß unter den Füßen geworden.
Er will die Ruderfahrt mitmachen, wenn auch das Wetter sich verschlechtert hat. . Das
Gespräch zwischen Hjälmar und Sigrfö geht weiter, zunächst über das Leben in
Reykjavik, dann über ihr eigenes, das nicht beneidenswert gewesen ist. Dazwischen
ist ein Sturm heraufgezogen, Schreckensrufe in der Ferne verbinden sich mit dem
Heulen des Sturmes; aber Sigridöur kennt keine Angst, sie ist an die See gewöhnt, das
Brausen der See hat ihr oft innere Ruhe gegeben; jetzt denkt sie nur daran, zu ihrer
Tochter zu ziehen, wenn diese verheiratet ist. Hjälmar aber bittet sie, mit ihm zu gehen,
und es fällt ihr schwer, seine Bitte abzuschlagen. Der Lärm auf der Straße wird stärker,
schließlich kommt Einar, ganz durchnäßt, und meldet, das Boot sei gekentert und Krist-
jan ertrunken. Über dem Lärm ist Brynhild erwacht und hört, was geschehen ist.
4. Akt. „Ein Schmerz ohne Tränen ist der schlimmste.‘ Sowie Brynhild weinen
kann, ist sie außer Gefahr. Frau Sigridur gedenkt sie unter den Schutz ihrer Freundin
5 61
Gudriö zu stellen. Johnsen hat von dem Unglück gehört und kommt nach Hause.
Einar sagt ihm, mit dem Schiff aus England sei ein Schreiben gekommen, des Inhalts,
er müsse seine Stellung verlassen, wenn nicht innerhalb vierzehn Tagen alle Schulden
bezahlt seien. Die Lage ist bedenklich, Johnsen will sich erschießen, Einar hält ihn
davon zurück. Hjälmar sieht, daß unter solchen Umständen wenig Aussicht ist, daß
Sigriöur ihre Familie verläßt. ‚Wenn ich komme‘, sagt sie zu ihm, ‚‚finden Sie
meinen Sattel und Zügel auf der grünen Bank im Eingang, wo sie am Abend lagen.
Dann können Sie das Pferd satteln lassen.‘ Zwei Mächte streiten in ihrer Brust, die
Liebe zu Hjälmar und das Pflichtgefühl gegen ihre Familie. Sie entschließt sich, mit
ihrer Tochter zu sprechen, aber es fällt ihr schwer, dieser von ihrer Liebe zu erzählen
und bittet sie, ihr ein Lied vorzusingen. Vielleicht, daß sie dann den Mut findet, ihr
zu sagen, wie alles gekommen ist. Brynhild ist sehr niedergeschlagen infolge des
Verlustes ihres Bräutigams, geht aber doch darauf ein und fragt die Mutter, ob sie
von Jesus in Genezareth, der den Sturm stillt, singen soll. Die Mutter lehnt es ab
(„der den Sturm stillt ?‘ sagt sie geistesabwesend nach; darauf Brynhild: Gott stillt
alle Stürme. Sigriöur: Ja, ja, manche nicht, bevor das Schiff gesunken ist und die
Mannschaft ertrunken). Nun singt Brynhild: ‚Kühn war er wie ein Löwe, an Stärke
gleich dem Tod‘ usw. Jetzt bringt es Sigrföur über sich, ihrer Tochter zu sagen,
daß sie sie verlassen und Hjälmar folgen will. Brynhild aber erklärt, sie werde nicht
zu Frau Guöriö gehen, sondern zuhause bleiben und den Kampf aufnehmen, den ihre
Mutter aufgebe. Das Tor dröhnt beim Hufschlag der Pferde Hjälmars; jetzt siegt das
Pflichtgefühl gegen Tochter und Familie: ‚‚Ich habe niemandem versprochen zu kom-
men. — Ich verlasse das sinkende Schiff nicht.‘ Einar hat Brynhild cine Stellung
als Buchhalterin verschafft und Johnsen soll mit dem Dampfschiff nach Amerika fahren.
Dort will cr ein neues Leben beginnen, denn an der Stelle, wo er hingeht, ist meilen-
weit kein Whisky zu bekommen. Zum, Schlusse sieht Johnsen ein, wie schlecht er
seine Frau behandelt hat; sofort nach seiner Ankunft in Amerika will er die Scheidung
in die Wege leiten; er hofft, sie könnten sich in Freundschaft trennen. Sigridur bricht
eine Rose ab und steckt sie ihm ins Knopfloch, Brynhild aber umarmt ihn: „Wir
wollen fest zusammenhalten !‘‘ Frau Sigriöur: „Und gemeinsam den kommenden Tag
begrüßen.‘ Die Morgensonne scheint auf Mutter und Tochter und die Schiffsglocke
ertönt zum dritten Male.
.r II
ußere und innere Erlebnisse der Dichter verflechten sich in den meisten ihrer Schöp-
fungen. Wie national ihre Dichtung ist und woher ihre Dichtergabe rührt, kann
man deutlich sehen, wenn das Auge des Beobachters hier scharf zu trennen vermag.
Besonders wichtig ist die Erscheinung, daß Vorstellungen und Gedanken, die auf den
Dichter vor vielen Jahren einwirkten, oft bei der Arbeit aus der Tiefe seines Inneren
emporsteigen. Der Dichter meint dann selbst, das Gold seiner Arbeit sei 24karätig,
vollwertig, doch ist das nie der Fall. Verständiger Menschenbrauch ist es, das Metall
zu mischen, weil das Gold dann länger hält. Bei den meisten Dichtern kann man nach-
weisen, daß ihre Vorstellungen aus verschiedenen Zeiten und Orten stammen. Bilder
aus den Kinderjahren des Dichters, Spiele aus der Jugendzeit, der Gedankenschatz
anderer Dichter, alles vereinigt sich zu einem Ganzen, wenn er die Hand ans Werk legt
und das Metall schmiedet, und den größten Einfluß übt aus, was den Dichter auf sei-
nem Lebensweg am tiefsten berührt hat.
Als Jöhann Sigurjönsson seinen ‚Bauer auf Hraun‘ schrieb und die Erde mit einem
lebenden Wesen verglich, das mit offenem Munde atme, dachte man wohl allgemein,
die Dichtergabe J6hanns habe ein neues Bild geprägt, obgleich nachweisbar viele an-
dere Dichter, isländische und nicht isländische, das nämliche Bild in ähnlicher Weise
verwendet haben. In den Schauspielen Schillers kann man nachweisen, daß zahlreiche
Gedanken ihren Ursprung irgendwo anders haben, in der Bibel, bei Shakespeare, bei
62
deutschen Dichtern jener Zeit usw.; aber eine wirkliche Abhängigkeit liegt deshalb
nicht vor. |
Als Indridi Einarsson sein Schauspiel ‚‚Das Schiff sinkt‘' schrieb (1891— 1897), wirkte
selbstverständlich der Wechsel der Richtung in den Kunstanschauungen auf ihn ein.
Die Zeit der Romantik war längst vorüber und die des Realismus und Symbolismus
an ihre Stelle getreten. Wenn im 3. Akt Brynhild sagt, sie sei müde vom Glück und
wünsche zu träumen, erwidert ihre Mutter: ‚Ich meinte doch, die Romantik wäre selig
verstorben I“ Ibsen ist einer der Hauptvertreter des Realismus, und Maeterlinck des
Symbolismus. Doch ist es nicht leicht, die beiden Richtungen scharf zu scheiden.
Ibsen hatte damals bereis geschrieben: Nora (1879), Die Frau vom Meer (1888), Hedda
Gabler (1890), und viele andere; seine Schüler sind überaus zahlreich, darunter Ger-
hard Hauptmann. Maeterlinck veröffentlichte damals La princesse Maleine (1889), das
kleine Drama L’intruse und Les aveugles (1890). Diese Dramen wurden bald in an-
dere Sprachen übersetzt und erschienen auch in dänischer Übersetzung zwei Jahre
später (bei Gyldendal).
Indriöi wollte ein Bild vom Leben in Reykjavik entwerfen und wie Ibsen auf
die Schattenseiten der Gesellschaft hinweisen, als er sein Drama schrieb. Aber Sigri-
öur ist eine ganz andere Person als die Nora oder Hedda Gabler Ibsens. Nora ver-
läßt ihren Mann, als sie erkennt, daß sie im Hause nur eine Puppe gewesen ist, Si-
gridur läßt sich nicht vom Zug des Herzens überwältigen, sondern besiegt sich selbst
und opfert um ihrer Tochter und der Familie willen hier eigene Zukunft. Andererseits
könnte man Dr. Rank in Nora und den Kandidaten Kristjän vergleichen. Dr. Rank ist
ein edler Mann, der Nora liebt, aber krank, er stirbt mitten im Drama; er ist das Gegen-
stück zur Ehe Noras und Helmers, ‚der bewölkte Hintergrund zu unserem sonnenhellen
Glück‘‘ sagt Helmer. Er hat nur Bedeutung für die Entwicklung Noras. Der Kan-
didat Kristjän ist ebenfalls ein edler Mann, der Geliebte der Brynhild, und ertrinkt
mitten im Drama. Seine und Brynhilds Liebe ist das Gegenstück zum ehelichen Un-
glück der Frau Sigrid und verschärfte ihren Kampf mit sich selbst; tatsächlich aber hat
Kristjan für das Drama viel größere Bedeutung als Dr. Rank bei Ibsen; denn mit ihm
sterben die Lebenshoffnungen dreier Menschen.
Viel eher könnte man Sigriö und Hjälmar Pälsson bei Indriöi mit dem Advokaten
Krogstad und Frau Linde in ‚Nora‘ vergleichen. In beiden Fällen haben wir alte
Liebespaare, die aus verschiedenen Gründen nicht zusammengekommen sind. Sie
treffen sich nach vielen, vielen Jahren und Frau Linde will jetzt, freilich auch um
ihrer Freundin Nora willen, mit Krogstad sich zusammenfinden.
Hjälmar Pälsson sagt im 4. Akt zu Sigriöur: „Aber Sie sind so von Natur, daß Sie
das sinkende Schiff nicht verlassen.‘‘“ Ibsen läßt Frau Linde sagen (3. Akt): „Krog-
stad, wenn wir zwei schiffbrüchigen Menschen nur zusammenkommen könnten.‘ Krog-
stad antwortet später: „So unglaublich glücklich war ich noch nie in meinem Leben.“
Hjäalmar sagt zu Sigriöur: Mein Schicksal würde mir ein ganzes Meer von Glück geben,
wenn ich Sie mit mir nehmen darf. — Aber auch hier ist die Verwandtschaft nicht
groß, denn Hjälmar und Sigrföur finden sich nicht zusammen. — Andererseits erinnern
die Worte Krogstads (im 3. Akt), da er Frau Linde wieder trifft und die Vergangenheit
wieder aufleben läßt: ‚Als ich Sie verlor, war mir zumute, als ob ich den Boden unter
den Füßen verlöre‘‘, an die Worte, die Sigrföur nach dem Tode des Kandidaten
Kristjän spricht: ‚mir war, wie wenn der Boden, auf dem ich stand, mir unter den
Füßen weggezogen würde.‘ — Aber obgleich, wie gesagt, Nora und Sigrföur durchaus
verschieden sind, erinnert doch der Kampf mit sich selbst und ihre inneren Qualen
nach dem Tode Kristjäns stark an Nora. —
Frau Sigriöur sagt (im 4. Akt): „Ich bin nicht mehr ich selbst. Drei Tage und Nächte
habe ich ununterbrochen gewacht und habe in dieser Zeit die stärksten Erregungen
des Gemüts durchgemacht. Mir ist, wie wenn ich ertrunken wäre, meine ich. Als Noras
Fälschung der Unterschrift aufgekommen ist, und Helmer ihr verziehen hat, weil Krog-
5° 63
sted und Frau Linde seine Ehre gerettet haben, sagt sie: „Ich habe in diesen drei Tagen
einen schweren Kampf durchgemacht.‘ Helmer (später): „Nora! Was soll das be-
deuten ? Dieses starre Gesicht!“
Auch der Entschluß der Frau Sigriö, mit Hjälmar fortzugehen, weil ihre Ehe mit John-
sen nur ein „Zustand gewesen sei, in dem, der eine Herr, der andere lebenslang Sklave
war‘ und daß sie deshalb fort will: „Ich bin mein eigener Herr‘ erinnert an Nora,
die ihren Mann verläßt, weil sie schließlich, so verschieden auch ihr Zusammenleben
mit Helmer von dem Sigriös der Frau mit Johnsen gewesen ist, schließlich einsieht,
daß sie tatsächlich nie etwas anderes gewesen ist als ein Spielzeug Helmers, und
schließlich durch den Ernst des Lebens ein selbständig denkendes Wesen geworden
ist: „Ich glaube, daß ich in erster Linie ein Mensch bin, so gut wie du.“
: Im 3. Akt erzählt Sigriöur Hjälmar von ihren Leiden und sagt ihm, daß das Meer
sie oft getröstet habe: „Ich hatte immer das Meer zu meinem Troste. Es wechselt
jede Stunde sein Aussehen. Oft ist es sanft und beruhigend, manchmal schrecklich.
Wenn ich allein hier saß, zog es alle meine Gedanken an sich, Auge und Ohr wurde
mitihm vertraut. Es lachte und drohte abwechselnd und seit langem war es meine ganze
Welt außerhalb meiner vier Wände. — Hier liegt deutlicher Einfluß Ibsens in „Frau
vom Meere‘ vor. Ellida teilt ihrem Manne Wangel mit, daß sie mit einem Seemann
verlobt gewesen sei und welche Zaubermacht die See über sie ausübe (2. Akt): „Tag
und Nacht, Winter und Sommer läßt sie mich nicht frei, diese quälende Sehnsucht
nach dem Meere — — wir sprachen meist von der See — von Sturm und Stille, von
dunklen Nächten auf dem Meere. Das Meer in den Tagen glänzenden Sonnenscheins.“
Sigriöur sagt zu Hjälmar: Die See sang sich so in mein Herz, daß sie mich be-
zauberte. Ich glaube noch, es wäre das Beste, soweit als möglich auf die See hinauszu-
fliehen, ohne daran zu denken, was draußen ist.
Ellida sagt (im 3. Akt): „Ich meine, wenn die Menschen nur von Anfang an sich daran
gewöhnt hätten, auf dem Meere zu leben — vielleicht im Meere — dann wären wir jetzt
weit vollkommener als wir sind, besser und glücklicher.‘
Vielleicht erinnert auch Brynhild ein wenig an Hilde, die Tochter Wangels, in
demselben Schauspiel: sie ist ein fröhliches junges Mädchen, das sich erlaubt, mit dem
Oberlehrer Arnholm ihren Scherz zu treiben, wie auch Brynhild nicht allzu große
Hochachtung vor Frau Gudrfö und Frau Thorkelin zeigt.
Auch die alte Liebe Hjälmar Pälssons erinnert an den unbekannten Seemann in
diesem, Schauspiel. Das tritt am Ende deutlich hervor: Wangel hat sich bemüht, seine
Frau Ellida davon abzubringen, mit dem unbekannten Mann fortzugehen, ebenso wie
Brynhild sich bemüht hat, ihre Mutter davon abzubringen, mit Hjälmar zu gehen.
Als Wangel schließlich sieht, daß er seine Frau nicht länger zurückhalten kann, heißt
er sie gehen, wie Brynhild ihre Mutter. Die Dampfschiffsglocke erklingt zum letzten-
mal bei Ibsen, der unbekannte Mann erwartet, daß Ellida ihm folgt, aber jetzt, da sie
volle Freiheit hat und ihrer eigenen Verantwortung sich bewußt wird, entschließt sie
sich nicht zu gehen, sondern die Ehe mit Wangel auf neuer Grundlage aufrechtzuer-
halten. Sigriöur bedarf ebenfalls nur eines Augenblicks, um ihre Absicht, Hjälmar zu
folgen, aufzugeben, sowie das Pflichtbewußtsein in ihrer Brust die Übermacht gewinnt.
In „Hedda Gabler‘ erscheint der trinkende Gelehrte Ejlert Lövborg, der früher
Hedda Gabler nahegestanden hat, während sie jetzt mit dessen altem Studienfreund
Tesman verheiratet ist. Im 2. Akt trifft Lövborg sie wieder, und während Tesman
nicht hinhört, spricht er mit ihr wie in alten Tagen, nennt sie Du, aber sie fordert ihn
auf, das zu unterlassen. „Keine Untreue! Davon will ich nichts wissen !'‘ Das erinnert
einigermaßen an Hjälmar (3. Akt), der Sigrföur in seiner Gewalt zu haben glaubt;
Sigridöur kommt sein Benehmen zudringlich vor und sie sagt: „Nein, nein! Nicht in
meinem eigenen Zimmer! Sie dürfen mir mein altes Ideal nicht rauben.‘
Als Johnsen sich erschießen will, Einar ihm die Büchse wegnimmt und ihm sagt,
er dürfe das seinen weiblichen Angehörigen nicht antun, sagt Johnsen, es gehe diesen
64
wi. Ne nn Nı% Hk
®
wie zwei Schwänen, nach denen ein ungeschickter Schütze schießt und nicht trifft;
sie setzen sich auf einen anderen See und singen so schön wie vorher. Das erinnert
einigermaßen an die Tochter im Hause in „L’intruse‘‘ von Maeterlinck, die zu ihrem
Onkel sagt, es müsse jemand in den Garten gekommen sein, denn die Schwäne seien
erschreckt über den See geflogen. Sonst scheint Maeterlinck Einfluß auf die Szenerie
gehabt zu haben, wovon später die Rede sein wird.
' Welche Erlebnisse im Leben des Dichters in das Drama ‚Das Schiff sinkt‘‘ verwoben
sind, ist augenblicklich nicht leicht festzustellen. Jedoch ist kaum zweifelhaft, daß ein
ähnliches Unglück mit einem Boote in der Nähe des Hafens von Reykjavik, das wenige
Jahre vorher stattgefunden hatte, sich im Schauspiel in dem Ertrinken Kristjäns
wiederspiegelt ; dazu stimmen auch einige begleitende Umstände (das offene Fenster usw.).
Einige eigentümliche Züge des Lebens in Reykjavik in jener Zeit finden sich in dem
Stücke wieder, z. B. die geschäftlichen Verhältnisse; man kann das Vorbild für den
Faktor Johnsen leicht finden, ohne aus Björnsons ‚„‚Fallissement‘‘ den Gedanken des
Bankrotts zu entnehmen, wie Küchler und Poestion dies tun. Die Stadtklatsche (Frau
Thorkelin), die Angst des alten Thorkelin, in die Zeitung zu kommen, die Schilderung
des Balls, der Unterschied zwischen Stadt- und Landleben, und vieles andere ist
durchaus isländisch, wenn auch der Herausgeber des Dj6ö6lf 1893 und mit ihm
Poestion nichts für das isländische Volksleben Charakteristisches in dem Stücke
finden wollen.
III
Ile Schauspiele sind mehr oder weniger auf Gegensätzen aufgebaut. Die Haupt-
person dieses Stückes ist Sigriöur, in deren Brust zwei widerstreitende Kräfte
kämpfen. Gegensätzesind daher auch die beiden Personen, die diesen beiden Kräften
entsprechen, Johnsen und Hjälmar Pälsson. So mußte Johnsen ein liederlicher Trunken-
bold werden, Hjälmar dagegen ein edler, ansprechender Charakter; sein Edelmut zeigt
sich unter anderem darin, daß er Sigriö ihr Versprechen, mit ihm zu gehen, zurück-
gibt, da er sieht, wie die Verhältnisse in ihrem Hause liegen und sie das sinkende Schiff
nicht verlassen will. Die Roheit Johnsens erreicht ihre Höhe an der Stelle, wo er be-
trunken nach Hause kommt und an seiner Frau sich vergreift (Ende des ı. Akts). In
diesen Szenen treten die Gegensätze in den Charakteren Johnsens und Hjälmars am
stärksten hervor. Auch der Buchhalter Einar ist ein Gegenstück zu Johnsen und zu
diesem Zweck eingeführt; darum deutet der Anfang des Stückes die Möglichkeit an,
daß es ihm gelingen könnte, die Familie Johnsens aus allen Schwierigkeiten zu befreien,
was die Spannung der Zuschauer bedeutend steigert. Die Liebe Brynhilds und Krist-
jans steht im Gegensatz zu der Ehe Johnsens und Sigriös, und steigert natürlich
deren inneren Kampf. Auch die beiden Freundinnen, Guöridö und Frau Porkelin,
sind Gegensätze, die eine eine fürsorgliche, gütige Freundin, die für das Drama
wenig bedeutet, die andere ein boshaftes Weib, das die letzte Hoffnung Johnsens ver-
eitelt. — Porkelin hat einige Züge, die ihn zum Gegenstück Johnsens machen. —
‚Schließlich haben auch die Studenten Siguröur, Gunnar, Gisli, besonders der erste
und der letzte, eine ausgeprägte Eigenart. Siguröur ist das Gegenstück zu Kristjän,
unglücklich in der Liebe: er hält die Rede, die indirekt die Ruderfahrt, Kristjäns Tod
usw. veranlaßt.
Das Drama ist sehr handlungsreich und dabei ist der Aufbau besonderer Beachtung
wert. Der Verfasser zeigt große Vertrautheit mit der Dramendichtung der modernen
großen Völker und mit der Tragödie der alten Griechen. Der Aufbau ist ähnlich wie
bei Sophokles, dem viele der bedeutendsten Dichter gefolgt sind, wie Schiller in „Maria
Stuart‘ und ‚„Wallenstein‘‘. Der Aufbau ist folgender: Das Stück beginnt mit dem
Ende; rückblickend werden die Ursachen aufgezeigt, die das Ende herbeigeführt haben.
Bei Indridi Einarsson „sinkt das Schiff‘ am Anfang des Dramas. Einar legt Johnsen
dar, wie die Sache steht: die Schulden sind bedeutend gewachsen, Johnsen trinkt maß-
los, ein Brief ist mit dem englischen Schiff gekommen. Johnsen muß seine Stellung
65
®
verlieren, die Familie löst sich auf; der Verfasser zeigt nun in 4 Akten die Zustände
im Hause und flicht Ereignisse und Personen ein, die dem Ende entgegenwirken. Das
gibt dem Stück inneren Halt, der nötig ist, wenn man diese Art des Aufbaus anwendet.
Der Buchhalter Einar zeigt gleich am Anfang seine Fürsorge für die Familie John-
sens; die Hoffnung wird lebendig, er werde ihr aus allem Elend helfen können. Im
2. Akt legt Einar Johnsen dar, was geschehen müßte, vor allem müßte eine Veränderung
eintreten, der Handlungsgehilfe Zakarias muß fort, weil er stiehlt, Brynhild muß im
Bureau arbeiten, Johnsen aufhören zu trinken. Um die Schulden zu bezahlen, deren
Bezahlung der Eigentümer innerhalb weniger Tage verlangt, erbietet sich Einar selbst
für 4000 Kronen gut zu stehen; was noch fehlt und das Geld selbst soll sich Johnsen
von scinem langjährigen Freund Porkelin verschaffen. So ist die Aussicht nicht
schlecht, es sieht tatsächlich so aus, als ob es Einar gelingen sollte, alles in Ordnung zu
bringen. Der Ball und der Versuch bei Thorkelin ist die Gegenkraft, die dem Ende
entgegenwirkt. Aber der Versuch mißlingt, das Schicksal Johnsens ist entschieden.
Im 3. Akt tritt dieser überhaupt nicht auf; im 4. Akt tritt der Gegensatz der Charaktere
der beiden Eheleute deutlich hervor: Johnsen will sich das Leben nehmen, da er sieht,
daß alle Hoffnung vorbei ist, Frau Sigriöur gewinnt den Sieg über sich selbst.
Vielleicht hat Maeterlinck auf die Szenerie im 2. Akt eingewirkt. Das Gespräch im
Vorzimmer zum Tanzsaal ist ein Abbild des Balles im kleinen. In „La Princesse Ma-
leine‘‘ Maeterlincks ist Tanz am Hofe des Königs im 3. Akt und vor den Tanzenden
sprechen der König und seine Familie miteinander. Am Ende des Aktes klopft es ein
ums andere Mal wunderbar an die Tür, ohne daß jemand draußen ist. Dasistein Vorbote
des Unglücks; auch hatte der König in diesem Akte kurz vorher gesagt, er meine, der Tod
werde bald an seine Türe klopfen. Daran erinnert einigermaßen bei Indridi der Stu-
dent Gisli. Als Kristjän und seine Gefährten sich zur Bootfahrt entschließen, sieht
Gisli das Unglück vorher; er sagt zu Kristjän, er sehe das Wasser von seinen Haaren
niedertriefen. Kristjän und Gunnar legen dem keinen Wert bei; der Wein, sagen sie,
sei Wahrheit und sie seien innerlich naß! Aber Gisli sieht nach wie vor das Wasser
von den Augenlidern Kristjäns herabtropfen, nachdem dieser binausgegangen ist. Viel-
leicht erinnert Gisli an den ‚‚Hellseher‘‘ von Jonas Lie, aber ihn als Vorbild aufzufassen
ist unnötig. Es gibt genug wunderbare Ereignisse und Gesichte in den isländischen
Volkssagen und dem gegenwärtigen Leben Islands; Gisli ist also ziemlich isländisch in
seiner Sinnesart. Auf der Bühne macht das bei guter Darstellung großen Eindruck
und steigert die Spannung der Zuschauer. Maeterlinck hat in dem genannten Drama
eine ganze Reihe von Vorboten: Sternschnuppen, Irrlicht, Mondfinsternis u. dgl. Es
ist überflüssig, auf die zablreichen Vorboten und wunderbaren Ereignisse hinzuweisen,
die sich bei Shakespeare, Schiller und Ibsen finden, um zu beweisen, daß solches für
die Aufführung großen Kunstwert hat.
Beinahe im ganzen 3. Akt herrscht Sturm; dieser soll bei den Zuschauern Aufregung
erwecken und sie auf die Trauerkunde von Kristjäns Tod vorbereiten. In dem näm-
lichen Aufzug hört man Leute draußen auf der Straße laufen, das Gespräch zwischen
Hjälmars und Sigriös stockt aufeinmal, Stille herrscht auf der Bühne, gleich darauf fällt die
Türe ins Schloß und man sieht Leute am Fenster vorübergehen. Das alles erinnert stark
an die Art, wie Maeterlinck unbedeutende Kleinigkeiten dazu verwendet, die Unruhe
der Zuschauer zu wecken, um auf das, was draußen vor sich geht oder bald geschieht,
vorzubereiten. Der Arzt wird aufgeregt in „La Princesse Maleine‘, obgleich er an
dem, was vor sich geht, keinen Anteil hat, genau wie Hjälmar, wenn er sagt, er sei nicht
abergläubisch, aber er wisse nicht, ob er es nach einem solchen Abend nicht werde.
Das kurze Gespräch Hjälmars und Sigrfös unmittelbar bevor Einar mit der Trauer-
nachricht kommt, erinnert lebhaft an das Gespräch zwischen dem Vater und den Töch-
tern in „L’intruse‘‘, es werde kalt im Zimmer, es sei nicht möglich die Tür zu schließen,
es müsse jemand draußen sein usw.
Hjälmar: Was war das? Sigriöur: Jemand ging an der Türe vorbei.
66
Hjalmar: So spät? Wer ging am Fenster vorbei? usw.
Sigriöur aber erklärt alles auf natürliche Weise, sie liebt das Meer und ist an ar
gewöhnt.
‚Indridi benützt so den Sturm etwas anders als es in der Dramendichtung üblich ist;
sonst bezeichnet er die innere Erregung einer Person, z. B. des Königs Lear bei Shake-
speare oder der Jungfrau von Orleans bei Schiller oder die Strafe und Zorn Gottes,
wie bei Maeterlinck in ‚La Princesse Maleine‘“‘. Dort ist beinahe im ganzen 4. Akt
Sturm. Indriöi verwendet Donner und Blitz nur einmal und zwar im 3. Akt, um die
Aufregung und den Schrecken der Zuschauer zu steigern. Auch diese Naturerschei-
nungen sind anders verwendet als sonst. In der Regel ist der Donner ein Zeichen
Gottes, der Warnung oder Strafe, wie bei Shakespeare, bei Ibsen (im 2. Akt von „Kaiser
Julian‘. Ähnlich der Blitz, der manchmal auch ein Zeichen des Teufels ist (z. B. bei
Goetbe, Schiller). Auch die Sonne verwendet der Dichter am Ende des Stückes. Die
Morgensonne bescheint die Umarmung von Mutter und Tochter, sie bezeichnet Friede
und, Einigkeit, wie z. B. auch bei Ibsen in den ‚„‚Gespenstern‘ und „Kaiser Julian‘.
Man könnte auch die Charaktere der einzelnen Personen in unserem Drama beob-
achten und untersuchen, ob die einzelnen Personen in Gedanken und Handlungen sich
treu bleiben; ob sie ihrer Natur nach, isländisch sind, ob sich bei ihnen, namentlich
den Hauptpersonen, eine Entwicklung zeigt. Eine solche liegt z. B. besonders bei
Sigriö selbst vor; man könnte darauf hinweisen, daß der Buchhalter Einar nichts
Eigenartiges an sich hat, er ist nur ein Gegenstück, „der schablonenhafte Biedermann“,
wie ihn Poestion nennt. Manches in dem Drama macht auch einen unwahrscheinlichen
Eindruck, wie wenn zZ. B. Sigridur am Ende Johnsen eine Rose ins Knopfloch steckt,
und manche Einzelheiten sind nicht genügend begründet. Doch kann es keinem Zweifel
unterliegen, daß, wie es nun einmal mit der dramatischen Dichtung Islands steht,
dieses Stück ausgezeichnet und sein Aufbau vorzüglich ist. Die isländische Schauspiel-
kunst aber ist noch so wenig entwickelt, daß von ihr keine Abhilfe gegen allenfallsige
Fehler im Stücke selbst zu erwarten ist. Übersetzt von W. H.
IV. EIN DEUTSCHES UNTERSEEBOOT
IN DEN GEWÄSSERN UM ISLAND:
(Nach einem isländischen Zeitungsbericht)
N: ist es dahin gekommen, daß wir Isländer allen Ernstes den deutschen Untersee-
bootkrieg beachten müssen. Kaum hat man sichere Kunde, daß ein englisches
Schiff am Berufjord versenkt worden ist, kommt das isländische Fischerboot „Ran‘
von einer beabsichtigten Fahrt nach, Fleetwood zurück in den Hafen von Reykjavik,
zur Umkehr genötigt von einem deutschen Unterseeboot, als es schon ziemlich nahe
an seinem Bestimmungsort war.
Der Bericht des Kapitäns Finnbogi Finnbogason über dieses unerhörte Ereignis
lautet folgendermaßen:
Am Sonntag, den 29. Oktober, nachmittags 31%, befand sich das Fischerboot ‚„Rän“
etwa 70 Seemeilen von Barra Head auf der Fahrt nach Fleetwood mit gefrorenem
Fisch. Das Wetter war klar, eine steife Brise wehte von West mit starkem Seegang.
Da sah man in einem Abstand von 800 bis 900 m ein Unterseeboot auftauchen. Gleich
darauf hißt es das Stoppsignal und die deutsche Kriegsfahne und sendet gleichzeitig
einen Kanonenschuß zur Warnung, der wenige Meter vor der „Rän“ in die See fällt.
Sofort stoppt das Schiff und signalisiert, daß es halte. Sofort wurden die Schiffsboote
losgemacht und herabgelassen, was infolge des hohen Scegangs sehr schwer ging, und
der ganzen Mannschaft befohlen, sie zu besteigen; während dies vor sich ging, kam ein
zweiter Schuß vom Unterseeboot so nahe an die Steuerbordseite des Schiffs, daß die
! Aus der Täglichen Rundschau.
67
Wasserstrahlen aufs Deck spritzten. Als die Boote niedergelassen und die Mannschaften
hinabgestiegen waren, kam ein dritter Schuß so nahe an das hintere Ende des Schiffes,
daß Geschoßsplitter auf das Deek flogen.
Die Boote segelten nun so schnell als möglich ab in der Richtung nach dem Untersee-
boot und keiner von uns wagte zu hoffen, daß er die „Rän‘ wieder sehen würde. Die
Boote fuhren nun so nahe an das Unterseeboot heran als es bei dem hohen Seegang
möglich war.
Der Kapitän erhielt die Weisung, an Bord des Unterseebootes zu kommen, und als
er dort angelangt ist, kommt ihm einer von den Offizieren des Unterseebootes entgegen.
Er fragte den Kapitän, wie das Schiff heiße, wo es zu Hause sei, woher es komme, welche
Ladung es habe, wohin es fahre, wo und wann es gebaut sei und welcher Nationalität
die Bemannung sei.
Nachdem der Kapitän diese Fragen beantwortet hat, sagt der Offizier, nachdem
das Schiff mit Nahrungsmitteln geladen sei, die nicht in Feindesland kommen durften,
bleibt nichts übrig, als dasSchiff zu versenken, und der Mannschaft an Land zu ver-
helfen. Der Kapitän bittet den Offizier, das Schiff zu schonen und nicht zu versenken,
da es von einem neutralen Lande sei. Der Offizier antwortet ihm, daß das gleichgültig
sei. Die Engländer hätten Einfuhrsperre über Deutschland verhängt; daher versuchten
sie selbst mit ihren Unterseebooten Gleiches mit Gleichem zu vergelten und versenkten
jedes Schiff, dessen sie habhaft würden, das nach Feindesland Konterbande bringe.
Der Kapitän bittet den Offizier aufs neue, sein Schiff nicht zu versenken, und erklärt
sich bereit, umzukehren und mit seiner Ladung nach Island zurückzufahren.
Der Offizier erklärte, er könne solchem Versprechen keinen Glauben schenken; denn
wenn die „Rän‘‘ aus seinem Gesichtskreis entschwunden sei, könne sie mit Leichtigkeit
wieder umkehren und nach England fahren.
Der Kapitän erklärte, er wolle sein Ehrenwort darauf geben, daß er geradenwegs
nach Island fahren werde. Der Offizier sagte, Ehrenworte seien in solchen Zeiten nichts
wert; jetzt gelte nur das Faustrecht.
Nachdem er das gesagt, ging er zu einem anderen Offizier, der sich dort befand und
sein Vorgesetzter zu sein schien; die beiden sprachen eine Zeitlang miteinander.
Dann kehrte der erstgenannte zum Kapitän zurück und sagte ihm, sie wollten in
diesem Falle seinem Ehrenwort vertrauen und dem Schiffe gestatten, nach Island
zurückzufahren, gegen die schriftliche Erklärung, keine Nahrungsmittel, weder Fisch
noch anderer Art, nach England oder zu deren Bundesgenossen mehr zu schaffen.
Als das erledigt war, sagte der Offizier, wenn er auch in diesem Falle das Schiff frei-
gebe, sei das zugleich eine Warnung für andere isländische Fischerboote, die Fische
nach England führen; denn er wisse wohl, daß es mehr seien als dieses eine Schiff, die
das täten; auch könne er sich darauf verlassen, daß, wenn sie späterhin eines von diesen
isländischen Fischerschiffen mit einer Ladung von Fischen anträfen, sie es unverzüg-
lich versenken würden. Die Unterseeboote hätten den Weg festgestellt, den die Fischer-
‚schiffe einschlügen, und würden sorgfältig Wache halten.
Dann verabschiedete der Offizier den Kapitän und band ihm einen Streifen um den
Arm und fügte hinzu, das sei ein Ausweis darüber, daß ein deutsches Unterseeboot das
Schiff angetroffen habe. Auf dem Streifen stand: II. Unterseeboots-Halbflotille II.
Dann forderte der Offizier ihn auf, unverzüglich abzufahren, geraden Weges nach
Island.
Das ließ man sich nicht zweimal sagen; sie ruderten eiligst an Bord der ‚„Rän‘,
zogen die Boote empor und fuhren ab; das Unteres n00t behielt die „Rän‘ im Auge,
bis es dunkel geworden war.
Nach der Abfahrt untersuchte man die Kohlenvorräte des Schiffes; diese ergaben
sich als sehr gering zu der Fahrt, die vor ihnen lag; es blieb nichts anderes übrig, als die
Kohlen möglichst zu sparen, dabei aber die schnellste Fahrt im Verhältnis zum Kohlen-
68
verbrauch zu erzielen, und beides gelang vorzüglich. Als es am nächsten’ Morgen Tag
geworden war, fand man Splitter von einem Geschoß, die auf das Deck gefallen wären,
Ein Glück war es, daß das Wetter nicht das Herablassen der Boote unmöglich gemacht
hatte, denn in diesem Falle bestand wenig Aussicht, daß Schiff und Mannschaft davon-
gekommen wären. et
Aus dem Gesagten geht hervor, daß der Fahrweg, den die isländischen Fischerboote
einschlagen müssen, zur Fahrt nach Fleetwood, nicht mehr sicher und gefahrlos. ist,
und es ist kein Zweifel, was die Folgen sein werden, wenn deutsche Unterseeboote
sie auf diesem Wege treffen.“ u
Aus anderen Zeitungsberichten läßt sich entnehmen, daß das rücksiohtsvolle Ver-
halten des deutschen Unterseeboots auf Island sehr guten Eindruck gemacht hat.
W.‘H:
v. EINE ISLÄNDISCHE STIMME ÜBER 5
DEUTSCHLAND! | er
er die Nachrichten aus dem Norden in den letzten Monaten verfolgt
hat, weiß, wie die Engländer nach und nach allen Staaten des Nordens
den Handel mit Deutschland immer unmöglicher gemacht haben. Darunter
muß auch Island in höchstem Maße leiden. Waren von dort dürfen nur danh
ausgeführt werden, wenn sie vorher dem Engländer zu einem von ihm
festgesetzten Preis angeboten waren und, soweit nicht der eigene nach-
gewiesene Bedarf Dänemarks in Frage kommt, an kein Land verkauft
werden, das an die Ost- und Nordsee grenzt. Auch was Island unter solchen
Voraussetzungen nicht verkaufen kann, nimmt England zu dem von ihm
selbst festgesetzten Preise an. Gegenleistung Englands ist, daß die nach
Island bestimmten Schiffe nicht länger in englischen Häfen zurückgehalten
werden. Diesen herrlichen Vertrag hat die isländische Regierung notge-
drungen annehmen müssen. Die Insel ist damit so gut wie vollständig in
englischer Gewalt, wenn man bedenkt, daß sie in verschiedenen Dingen,
wie Getreide, Kohlen, Kartoffeln usw. ganz oder so gut wie ganz von der
Einfuhr abhängig ist. Ä
Um so erfreulicher ist es, davon berichten zu können, daß die Zeitungen
trotzdem sie auf die ‚„Reuter“-Meldungen angewiesen sind, keinesweg,
alle dem englischen Einfluß rettungslos verfallen sind. Von den isländischen
Zeitungen bemühen sich neutral zu sein besonders ‚Lögretta‘“ und neuer-
dings auch einigermaßen ‚„"Isafold“. Einen besonders erfreulichen V er-
such, ehrliche Neutralität zu bewahren, finden wir neuerdings in der in ’Isaf-
jöröur wöchentlich erscheinenden Zeitung „Vestri“.
In diesem Blatte veröffentlicht in No. 32 ff. G. Hjaltason eine längere
Abhandlung über die Völker des Weltkrieges, die nach einer Einleitung,
in der die Schrecken dieses gewaltigsten aller Kriege im Anschluß an die
Prophezeiungen des Eddaliedes Völuspä& ausgemalt werden, sich zur Auf-:
I Aus der Tägichn enscu. m
69
gabe macht, die guten Seiten: der: Deutschen, :Engländer und Franzosen
zu behandeln,‘ da man vori: ihren’ Fehlern so schon ‘genug höre.
"Einstweilen liegen mir die Ausführungen über, die Deutschen und die
Engländer vor. Die Darlegungen über die Engländer sind sehr rosig ge-
färbt und mögen bei dem Nimbus, den England stets um sich zu ver-
breiten. verstand, der Überzeugung des Verfassers entsprechen. Für uns
wichtiger ist, was der Verfasser über die Deutschen zu sagen hat.
“Man wird das Folgende nur darin richtig beurteilen, wenn man sich den
Zweck der Ausführungen klarmacht. Sie sollen der Aufklärung der Bevöl-
kerung einer kleinen Handelsstadt am Meer dienen, die man sich hauptsächlich
aus Bauern und Fischern zusammengesetzt denken muß, Leuten, denen der
Weg gezeigt werden soll zu einem richtigeren Urteil über uns, als die Nach-
richten des „Reuter“-Büros und sonstige englische Auslassungen es gestatten:
So mag uns die Aufzählung stellenweise kindlich, oft, unvollkommen und
einseitig erscheinen, aber wenn man die Absicht bedenkt, wird man die
Form verzeihen. Der Abschnitt aber, der davon handelt, was Island Deutsch-
land zu verdanken habe, ist in all seiner Einfachheit und Harmlosigkeit,
wie sie für die Leser des Blattes nötig ist, doch für uns höchst fesselnd.
Darum schien es angebracht, den ganzen Abschnitt über Deutschland
ungekürzt vorzulegen,
. Auffällig sind die Bemerkungen über den „Militarismus“ und über den
Einfluß Nietzsches. Es entspricht dem von England verbreiteten Märchen
vom deutschen Militarismus, daß man in Nietzsches „Übermenschen‘“
den philosophischen Vertreter des rücksichtslosen, ruhmgierigen Eroberers
sieht, und von diesen Verdrehungen hat sich der Verfasser unseres Artikels
trotz besten Wollens nicht freimachen können.
Einleitung
Die Deutschen sind das stärkste aller Völker, und wir wissen nicht, was andere Völker
an ihrer. Stelle tun würden.
Sie sind eines der tüchtigsten Völker, die je auf der Welt waren. Sie sind das älteste
von allen den Völkern des jetzigen Europas, die ihre Selbständigkeit besitzen.
Sie hatten berühmte Ahnen, die die alten Römer anstaunten und nicht überwinden
konnten. Und diese Ahnen der Deutschen waren den unseren an Mut, Tatkraft und
Edelsinn gleich. Und die Ahnen beider stammen von dem bedeutendsten Stamme
des Menschengeschlechts. Wir stammen also von hervorragenden Vätern und daher
kann man viel von uns verlangen.
Die Deutschen sind auch eines der begabtesten Völker, die je auf der Welt gelebt
haben, eines der klügsten und gedankenvollsten Völker, das gelehrteste und alles in
allem das gebildetste Volk der Welt in der Gegenwart. Denn in Deutschland sind jetzt
die meisten und besten Hochschulen der Welt. Und bei keinem großen Volk ist die Volks-
bildung so allgemein. ' Vor 45 Jahren, sagte der französische Philosoph Taine, konnten
dort alle lesen, am meisten in Norddeutschland. u |
70
nie et ssorDeuische Wissenschaft; ui ©
Von Deutschland hat m Menschheit die’ Buchdruckerkunst bekoirimen. Von Deutsch-
and kam die Reformation. — Luther hat kaum seinesgleichen in der Welt. Einen so
hochbegabten Glaubenshelden gibt es nirgends außer in Deutschland. Und Luther
war ein echter Deutscher mit Leib und Secle. Und der andere Reformator, Zwingli,
in’der deutschen Schweiz, war auch ein begabter Glaubentheld, und dazu freien Sinnes.
Deutschland ist Iange die Hauptstätte der Theologie gewesen. Der ganze Norden,
auch England, Holland, Nordamerika und noch mehr Länder haben in diesen 4—5
Jahrhunderten nach der Reformation dort gelernt.
Aus Deutschland stammen die meisten und besten Kirchenlieder der Protestanten
und die besten Erbauungsschriften für das Volk.
. ‚Von den Deutschen hat unser Hallgrimur (Pjetursson, berühmter Dichter von Kirchen-
liedern) mehr gelernt als von irgendeinem anderen Volk. Nicht nur in der Dichtkunst,
sondern auch in Glaubenslehren.
. Unsere christliche Lehre ist, meine ich, in noch höherem Grade deutsch als die der
Dänen und Norweger. Allerdings haben beide auch von den Deutschen gelernt. Aber
die Dänen haben Grundtvig und Kirkegaard und die Norweger haben diese beiden
und dazu ihren H. N. Hauge als Glaubenslehrer. Der deutsche Rationalismus hat so
auf Island festere Wurzel gefaßt als in Dänemark und Norwegen.
‚Und dann die Philosophie. Das alte Griechenland war die Heimat der Philosophie.
Aber dann kommt gleich Deutschland, wenigstens seit dem ı8. Jahrhundert. Da lebten
Leibniz, Kant und Fichte, die Bjarni Thorarensen als die größten Philosophen anführt
(im Gedicht „Der Tod‘). Auf Hegel folgte Kant mit seinem Gedanken vom ‚ewigen
Frieden‘ auf Erden. Ihnen folgten die Pessimisten Schopenhauer und Hartmann‘
die größten Philosophen des Frauenhasses. Doch konnten sie die Frauenbewegung
von Deutschland nicht fernhalten.
. Dann kommen schließlich der neue Kampfesphilosoph Nietzsche und sein Kreis.
Sie. setzen die Kraft an die Spitze der Tugenden. Sie sagen, die Gewalt sei das höchste
Recht, und haben damit ihr Volk sehr verdorben und den Kriegsgeist genährt. So
verschiedene Richtungen gibt es in der deutschen Philosophie, und dabei sind viele
nicht genannt.
Auch in anderen Wissenschaften, z. B. der Medizin, Zoologie, Astronomie, haben
sie Großes geleistet.
‘ Und zahllose Erfindungen haben sie gemacht, z. B. Luftschiffe und Flugzeuge.
Auf dem Gebiete des Militärs und der Strategie übertreffen sie jetzt alle Völker der
Welt. In Handel und Industrie, Ackerbau und Waldbau, Seefahrt und vielen anderen
praktischen Fortschritten haben sie jetzt die meisten Völker der Welt überflügelt
und stehen auf gleicher Stufe, ja in einzelnen Punkten über den Engländern und Ameri-
kanern. Nun lernen sie auch die natürlichen Kräfte ihres Landes besser auszunützen
als irgendein anderes Volk.
Deutsche Künste
In den schönen Künsten haben die Deutschen lange alle anderen Völker übertroffen.
Die tiefsinnigen und formvollendeten Dichter Schiller und Goethe sind längst Muster
und Vorbild der meisten Dichter und Gelehrten der Welt geworden.
Auch unsere Dichter, besonders J6nas Hallgrimsson und Steingrimur Thorsteinsson
haben von diesen und anderen großen deutschen Dichtern viel gelernt, z. B. Heine,
den Kristjän Jönsson so sehr schätzte. Heine war ein Dichter leichten Spottes =
zarter, tiefempfindender Lyriker zugleich.
Deutschland ist auch der eine Mittelpunkt aller Musik, z. B. der Liederdichtung
(der andere ist Italien). Man braucht nur die Namen Beethoven, Bach, Mozart und Hän-
del zu nennen. Und die allermeisten und allerbesten unserer Kirchenlieder stammen
aus Deutschland.
71
Dann die Baukunst. Die Dome in Köln und Straßburg, Bauten in Nürnberg und
überall in Deutschland und Deutschösterreich gehören. zu „den. berühmtesten Bauten
der Welt, Kirchen mit einer Menge von prächtigen Türmen und kunstreich gemalten,
Fenstern.
Auch die Malerei ist in Deutschland sehr bedeutend gewesen, zZ. B. Albrecht Dürer
und Lukas Cranach zur Zeit Luthers. Jedoch stehen jetzt die Italiener und Holländer
höher.
Auch Bildhauerei ist dort an vielen Orten, z. B. in Nürnberg. Aber darin sind ‚wieder
die Italiener und Thorwaldsen bedeutender.
Deutsche Tugenden
Dem schließen sich jetzt die deutschen Tugenden an. Die Deutschen übertreffen die
allermeisten Völker an Arbeitsamkeit und Sparsamkeit, und vor allem auch in Pflicht-
treue. ‚Was mein Sohn lernt, ist mir gleichgültig, wenn er nur lernt, seine Pflicht zu
tun‘‘, sagte kürzlich ein deutscher Vater. Die Deutschen verstehen besser als alle anderen
Völker zu gehorchen und als die höchste Pflicht des einzelnen es anzusehen, für das
Vaterland zu leben und zu sterben.
Natürlich legen die Deutschen auch großen Wert auf schulmäßigesLernen. Dieses wissen
sie von allen Völkern am besten zu schätzen. Esgabeine Zeit, wo siein manchen prak-
tischen Künsten den Engländern und Amerikanern nachzustehen schienen, zZ. B. in
der Seefahrt, Handel, Industrie und Ackerbau. Aber jetzt sieht es anders aus. Sie
sind auf dem Wege, in diesen Dingen alle Völker zu übertreffen, wenn diese sich nicht
sehr anstrengen.
Die Schule hat das Geistesleben der Deutschen bereichert, ihr Urteil geschärft und
Willen und Energie geweckt. Ihre Fortschritte auf praktischem Gebiet und ihre Tüchtig-
keit im Heerwesen sind den Schulen und dem Studium zu verdanken.
Bildung macht frei, aber die politische Freiheit ist nicht ihr höchstes Ziel. Sie wollen
lieber, daß der Staat alle schützt vor Mangel im Alter, vor Krankheit, Unglücksfällen
und Arbeitslosigkeit. Diese Aufgaben hat das Deutsche Reich auf sich genommen und
übertrifft darin die meisten, wenn nicht alle Staaten.
Wir haben den Deuischen viel zu verdanken
Die Deutschen haben der neuen isländischen Literatur mehr Ehre erwiesen als irgendein
anderes Volk.
Sie haben viele unserer besten Erzählungen 2, viele unserer besten Gedichte in
ihre Sprache übersetzt.
Sie haben ganze Bücher über einige unserer großen Männer geschrieben, wie über
J6ön Sigurösson und Steingrim Thorsteinsson, einige unserer weniger hervorragenden
Schriftsteller besser und richtiger beurteilt als wir selbst. ‚‚Doppelt so viele oder noch
mehr Deutsche besitzen eine gründliche Kenntnis unserer Sprache und Wissenschaft
als alle andern Ausländern zusammen‘, sagte unser Bischof im ‚Neuen Kirchenblatt“,
1914, S. 197.
Die Deutschen lehren andere große Völker unsere Literatur kennen und schätzen.
Wahrscheinlich ist es den Deutschen zu verdanken, wenn Völker, die zu uns gar keine
Beziehungen haben, wie die Neugriechen und Tschechen in Böhmen, einzelne unserer
Dichtungen in ihrer Sprache übersetzt haben. Deren Sprachen sind der unsrigen wenig
ähnlich, aber doch ähnlicher als das. Grönländische, die Sprache der Skr&linger und:
Eskimos. Aber gar manche Ausländer glauben gerade, wir seien nahe verwandt mit den
Eskimos und natürlich auch in der Sprache.
Unsere gelehrten deutschen Freunde sind anderer Meinung. Denn unsere Literatur.
beweist der Welt, daß wir keine Eskimos sind, sondern ein wirkliches Kulturvolk und
ein achtenswertes Volk in vielen Dingen, so klein es auch ist.
72 ü
. Nehmen wir nur ein: Beispiel: Sn Pen N
Gesetzt, ein gebildeter Tandsmarm von uns käme in ein. rende Land, wo man von
unserem Lande nichts wüßte außer, daß es da auf der Karte liegt, dicht bei Grönland.
Diese glaubten, die Kultur sei dementsprechend. Sie meinten auch, das Land gehöre
den Dänen, und würden es nicht glauben wollen, wenn man sagte, er sei ein Isländer.
Da brauchte er nur auf irgendein Buch eines deutschen Islandfreundes hinzuweisen oder
es vorzuzeigen, dann würden alle sehen, daß die Nachbarn der Grönländer ein Kulturvolk
sind, mit den ersten Nationen der Welt verwandt. Dann könnte es einen Vorteil haben,
sich um ihn mehr zu kümmern. Denn alle wollen lieber Gemeinschaft und Verkehr mit
gebildeten Leuten haben als mit wilden oder halbwilden Völkern.
So käme dann die deutsche Gelehrsamkeit den Isländern sehr wohl zustatten.
Die Dänen staunen ebenfalls bereits über das Interesse der Deutschen an unserer
Literatur. Die Deutschen kennen und schätzen aber auch die Literatur der Dänen,
Schweden und Norweger besser als sonst irgendein großes Volk. Sie verstehen den
nordischen Geist besser als alle anderen Völker, sie verstehen die Edden und die alten
Sagas außerordentlich gut.
-. Und warum tun sie das ? Weil sie den nordischen Völkern näher stehen als alle anderen
Völker. Und weil sie lernbegieriger und weitsichtiger sind als die anderen Völker.
Darum vermögen sie auch die Bildung der kleinen Völker richtig einzuschätzen. Sie
wollen alles mögliche kennen, einen Überblick über das ganze Menschenleben gewinnen,
dieses in allen seinen Formen bei kleinen und großen kennen. Und dabei sind sie so
gründlich und sorgfältig, daß sie das Kleinste beachten und z. B. rasch den Unterschied
zwischen der grönländischen und isländischen Pflanzenwelt und dergleichen sehen,
wo auf den ersten Blick Übereinstimmung zu herrschen scheint.
‘Und sie finden ihren Heldengeist in unseren Sagas und auch in den Liedern Hall-
grims (Pjeturssons) und Bjarnis (Thorarensen). Und dieser Geist weht jetzt wie ein
gewaltiger Sturm über die ganze Welt. Ja, er erweckt die Funken des Heldengeistes,
die bei uns noch unter der Asche glühen, zu neuem Leben, so schwach es auch sein mag.
Daher ist es sehr wahr, was unser Dichter Steingrimur Thorsteinsson sagt (Skfrnir
1915, 333): Die Deutschen kennen unsere Volksart in alter und neuer Zeit besser als
die meisten anderen Völker und zeigen uns bei jeder Gelegenheit aufrichtige Anteil-
nahme. Sie waren und sind zu gebildet und hochherzig, als daß sie den Stab über uns
brächen, weil wir arm, wenig und klein sind.
Dieses Volk steht uns von Natur näher als irgendein anderes, die des Nordens aus-
genommen. Björnstjerne erklärte die Preußen den Norwegern ähnlicher als die Dänen
Sa die Preußen sind das erste Volk im Deutschen Reiche.
. Viele werfen den Deutschen „Militarismus‘‘ und Streben nach Kriegsruhm vor.
Doch sachte! Die Deutschen sind unter sich friedfertig, und friedfertig zeigen sie sich,
wenn sie hierher kommen (und dort herrscht ein humaner Geist in vielen Dingen, und
Hinrichtungen sind in Friedenseziten seltener als in England).
Kehren wir lieber vor der eigenen Türe. Wir haben 600 Jahre lang Frieden gehabt,
vor allem in den letzten 300 Jahren. Kein größeres Volk hat eine so lange Friedenszeit
genossen. Also müßte bei uns das glücklichste Friedensparadies der Welt sein. Zu uns
müßten die Friedensapostel in Scharen kommen, um das Vorbild zu sehen. Uns ist
viel gegeben, darum wird man auch von uns viel fordern. Wir müssen also größere
Liebe der Menschen untereinander zeigen als alle anderen Völker, wenn wirklich die
Militärlosigkeit für den Alltagsfrieden ein solcher Segen ist, wie man sich einbildet.
(Ww. H.)
VI. ZU ERKES ISLANDREISE 1914
brachten Petermanns Geogr. Mitteilungen im Septemberheft I9I6 einen
Bericht, dem wir auszugsweise folgendes entnehmen..
73
Am 16. Juli 1914 bestieg Erkes den Schildvulkan Skjaldbreiö bei Ping-
vellir. Ein Hauptzweck der Besteigung war, eine Erklärung für die auf-
fallende Fehlmessung zu finden, die der. (Igo8 im Askjasee leider verun-
glückte) Geologe W. von Knebel als Ergebnis seiner Skjaldbreiö-Besteigung
vom 27. August 1905 seinerzeit veröffentlichte; v. Knebel bezeichnete närn-
lich Thoroddsens frühere Messung der Gipfelhöhe des Vulkans von 1063 m ü
M. als falsch und stellte ihr seine eigene Messung von nur 780m ü. M. ent-
gegen; die spätere Generalstabsmessung ergab tatsächlich 1060 m.ü.M.
Erkes bestieg die Skjaldbreiö, ausgehend von. der Grasoase Ormavellir
von Westsüdwest. Er konnte ungefähr 31, Stunden lang bis 70oom ü.M.
über das schneefreie, aber ziemlich: stark zerklüftete Gelände des Vulkan-
mantels in weitem nördlichen Bogen verhältnismäßig schnell aufwärts
reiten; dann begann die vom Winter her noch ungeschmolzene Schneekappe.
Erkes ließ die Pferde zurück und erreichte in fast gerader Linie über den
Schnee in zwei Stunden den Kraterrand.. Dieser bildet den höchsten Punkt
des Berges; der Krater war von geborstenem, zum Teil von den steilen
Rändern abgesunkenem Firn nahezu angefüllt. Die Höhenmessung nach
Aneroidbarometer stimmte mit der des Generalstabs genau überein. Den
Abstieg nahm Erkes, um eine möglichst genaue Übersicht über v. Knebels
noch etwas nördlicher genommenen Weg zu gewinnen, in einem weiten
Nord-West-Süd-Bogen und folgte dann nach Südwest der auf NEN
zu geflossenen Lava.
Eine genaue Vergleichung der Angaben V. , Knebels Er seines Führers
mit den Beobachtungen und Feststellungen, die Erkes machte, ergab nun
folgendes: v. Knebel war nach einem strammen Tagesritt (von Kalmanns-
tunga über den Kaldadalsvegur) gegen Abend ab Brunnar, einem Gras-
platz (nicht Gehöft, wie Herrmann in seinem Island III, S. 89, irrtümlich
bemerkt) 8km nördlich von Ormavellir, allein und zu Fuß zur Skjaldbreiö
aufgestiegen; er berichtete, er habe gerade bei. Sonnenuntergang den Gipfel
des Vulkans erreicht, den er 780. m ü. M. maß. Bei den großen Entfernungen
und den aus der Unebenheit des Geländes. sich als notwendig ergebenden
vielen Umwegen, dabei der beschränkten Zeit, die v. Knebel vor der Nacht
zu Gebote stand, scheint es. jedoch fast ausgeschlossen, daß er, mochte er
ein noch so guter Fußgänger und Bergsteiger sein, den Gipfel der Skjaldbreiö
erreichte, woran: seine Beschreibung des Kraters nichts ändert. Vielmehr
dürfte sich v. Knebel bei Einbruch der Nacht im Zustand der Ermüdung,
als ein Opfer der auf Island häufigen und von vielen Islandreisenden be-
stätigten Sinnestäuschungen sich in dem Glauben befunden haben, er stehe
auf dem ‚Gipfel des ausgedehnten Lavaschildes, während er nur einen als
Gipfel mißdeuteten Punkt in der von ihm richtig gemessenen Höhe von
74
780 ın ü.:M. erstiegen hatte.‘ Mit'dieser Annahme Erkes stimmt Thoroddsens
Bemerkung in dessen: Ferdabök HJ; 6. :109, vollkommen überein; und anders
‚scheint der bei einem Forscher ‚wie v, Knebel. und ‚der ‚Zuverlässigkeit, seiner
Instrumente geradezu. verblüffende . Irrtum. in ‚der „Höhenmessung kgum
‚erklärbar. | Ä
[a ze ARE Ua " ae En
VI. ANZEIGE : men
ı. Für Reisende nach Island liegt jetzt der.erste vollständige Reiseführer vor: Turist-
ruter paa Island, ved Daniel Bruun, dessen III. Teil, Det indre Höjland i. J. 1916
zum Abschluß gekommen ist. Das Werk enthält eine systematische Übersicht nebst
Karten und sehr genauen Angaben über weitaus die meisten Touren, die für den Rei-
senden auf Island, soweit er nicht eigene neue Forschungen treibt, in. Frage kommen.
Ein außerordentlich reichhaltiger Schmuck von durchweg sehr guten Bildern geben
diesem Islandführer besonderen Wert. Eine ausführlichere Besprechung sei auf. später
vorbehalten. rn ‘Heinrich Erkes
"VE VORTRÄGE ı ÜBER ISLAND
| _ hielten in letzter Zeit en
1. Herr Dr. Har ans Freiherr v. Jaden: Volkstümliches aus, Aland und A
.. Färöern (Geräte aus.Holz, Kostüme, Schmuck. u. a,), mit Lichtbildern; :
_ am ı3. Dezember 1916 in der Wiener anthropologischen "Gesellschaft.
2. Herr Oberlehrer, Dr. Julius Becker: Island (mit Lichtbildern). in “
Geographischen Gesellschaft in Rostock... |
3. Herr Heinrich Erkes: Eigenart und Schönheit der Natur Islands ee elbet.
aufgenommenen Liehtbildern) ‚in. verschiedenen Gesellschaften in Köln.
IX. NOTWENDIGER HINWEIS
ALS SONDERBARER ISLANDFREUND erweist sich der durch seine große
Reklametrompete für seine geringwertigen Islandschriften bekannte Magister
phil. Karl Küchler. Er dient übel:der deutschen Sache auf Island, indem er
eine Anzahl in englischer Sprache von ihm verfaßter: niedriger :Schmäh-
gedichte gegen England auf Island wie in Deutschland zu verbreiten sich
abmüht. Wie ‚Zuschriften sehr deutschfreundlicher: Isländer beweisen, ‚fühlt
man sich auf Island durch diese niedrige Art: der Engländer-Bekämpfung,
wodurch das große deutsche Vaterland häßlich blaßgestellt wird,: tief be-
schämt und empört. Diese Art den Gegner zu bekämpfen überlassen wir neid-
los unseren Feinden.. Da Küchler sich ‚selbst mit Vorliebe „Islandfreund‘‘
nennt und früher auf Island auch so genannt: wurde, sei im Interesse unserer
Sache ausdrücklich ‚darauf hingewiesen, daß‘ er unserer „Vereinigung der
.rurıie
Islandfreunde“ nicht angehört. Ei Heinrich Erkes
75
Ei
X. .DIE » BÜCHEREL DER VEREINIGUNG
DER ISLANDFREUNDE- m:
Ständig jugeschickt bekommen wir: ı. Lögretta. 2. Vestri. 3. Landiöd und
4.’Isafold (seit Juli). Außerdem Skölabladid, Leknabladid, Idunn (II, H. ıJa
it nicht eingetroffen), Bünadarril. An Büchern ist a seit Juli
1916 neu dazugekommen:
257-
258.
250.
260.
261.
262.
263.
264.
265.
8
Nr.
Jö6n Olafsson, Ritsimamälid.' Sonderdruck aus. ‚Andvari 1903.
Edda, herausgeg. von :G. Neckel. I. Heidelberg 1914.
Bogi Th. Meisteö, Handbök i 'Islendinga sögu I. Kopenhagen 2970,
Jon: Tyausti, Tvar gamlar sögur, Reykjavik 1916.
Pall Dorkelsson, ’Islenzk fuglaheita-ordabök. Reykjavik IgI6.
D. Bruun, Turistruter paa Island III. Kopenhagen 1913—16.
'Arbök häsköla 'Islands fyrir häsk6laärid ıg15/16. Fylgirit: Gud-
mundur Hannesson: Um skipulag bz&ja.
Dorvaldur . Thorodasen, "Arferdöi & ‘Islandi i püsund är. I. Kopen-
hagen 1916.
Porvaldur Thoroddsen, The botany 0! of Iceland I ‚Kopenhagen | und
London 1914.
Brynjolf Snorrason og Kristian Arenizen, Nordiske Myther, fortalte
_ efter Kilderne. Kopenhagen 1849.
257 Geschenk d. H. H. Erkes, 258—260, 262265. von den Verias-
sen, a vom Verleger (Einar Gunnarsson).
70°. XL MITGLIEDERSTAND
Ausgetreten:
Vyatny, Dr. Karl, Kaplan, Prag.
Neue Mitglieder:
Schäublein, Hans, Bankbeamter, Basel, Solothurnerstr. 71.
v. Braunmühl, Anton, Kaufmann, Abensberg, Bayern.
Grimminger, Dr. Eugen, prakt. Arzt und bezirksärztl. Stellvertreter,
Abensberg, Bayern.
Zotimayr, August, Kgl. Amtsiichter, Abensberg, Bayern.
‚Fräulein Paula Schubert, Charlottenburg, rag abureen. 14a. (Ver-
besserung v. S 44.)
Anm. Da die für Deutschland bestimmte Sendung der Veröffentlichungen 1916 der
isländischen Literaturgesellschaft (Hins fslenzka b6ökmentafelags) nicht eingetroffen
ist, kann der beabsichtigte Bericht über die Jahrhundertfeier dieser Gesellschaft noch
nicht erstattet werden. — Nachrichten aus Island können wegen Raummangel erst
im nächsten Fleft erscheinen, W. H.
76
RERINIE SEIT EITETTEETETEIEI NETTE TEE ICE
EUGEN DIEDERICHS VERLAG IN JENA
F | | DEUTSCH-NORDISCHES JAHRBUCH FÜR. KULTURAUS-
bs i TAUSCH UND VOLKSKUNDE. Herausgegeben von Walter
i | Georgi mit 22 Abbildungen auf 2ı Tafeln. br. M 2.—
i
Aus dem Inhalt: Erich Liliental, Die Industrialisierung Skandinaviens als europäisches
politisches Problem / Walter Georgi, Edvard Munch / Willy Pastor, Aus dem Epos der
Vorzeit / Edvard Welle-Strand, Die verlorene Odyssee der Lappen / Margarete Bruch, Die
alte Lappin / Das Freilufttheater in Dyıehave bei Kopenhagen / Irene Triesch, August
| Strindberg / Walter Georgi, Skagen / Paul Elsner, Die königliche Porzellanmanufaktur
I: in Kopenhagen / E. Hildebrandt, Die Entwicklung Nordschwedens / Adolf Paul, Zwei
Fennonenhäuptlinge: Sibelius, Gallen / Niels Hoyer, Axel Mertens Heimkehr / Gustav
I Manz, Thule.
K Deutsche Rundschau: Noch nie war unsere Aufmerksamkeit so schr nach Norden, noch
| nie seit 1864 die Aufmerksamkeit der Nordgermanen so auf uns gerichtet. Kommerzielle,
| künstlerische, literarische, wissenschaftliche Momente wirken da mit den pölitischen zu-
i sammen, Als Organ eines unpolitischen Verbandes spricht das Buch wenig von den aktuellen
- politischen Vorgängen. Im übrigen sind es Landschaftsschilderungen, Inıpressionen von
r Land und Leuten, literarische, kunsthistorische folklorisusche Essays, durch die alle die-
jenigen Eindrücke vertieft werden sollen, die der Tourist und der Liebhaber aus dem Norden
heimbringt.
—— — — m ———n nn
SVEND FLEURON
steht mit seinen Büchern, die mit dem Tiefsinn des nordischen Naturgefühls
geschrieben sind, neben Thoreau und Whitman. Zwar baut sich in seinen
Dichtnngen die Natur anders, liebenswürdiger, zarter, inniger auf, aber der
seelischeTon, jenes wilde und doch von poetischer Schaffenskraft getragene
Naturgegefühl, jene verborgene Andacht zum Gotte Pan, das hat er mit ihnen
gemeinsam. Ein zarte Sehnsucht, dunkle Schwermut, die unbestimmte Ferne
| weiter Horizonte verbinden ihn mit Knut Hamsum, Johannes W ‚Jensen, Jonas
Lie. Svend Fleuron ist Däne; darum sind alle diese verschiedenen Töne von
der Melodie einer liebenswürdigen Lebenskunst, einer feinen Überlegenheit
| und einer behaglichen Ironie getragen, die seinem Volke eigentümlich ist.
EINWINTER IMJÄGERHOF. 2. Tausend. br. M 3.—, geb.M 4.20
vi | Ba literarische Echo: Leben jauchzt, verblutet, ersteht in diesem Buche, alle Schön-
ten des Himmels und der Erde glänzen darin, Schmerz und Lust, Liebe und Tod des
!eres rast darin, und über alles Heır, Genießer und Schicksal alles Lebendigen geht in
i in der Mensch um, der Natur schönste Schöpfung, zugleich ihr Beherrscher, Pans Sklave
and Mörder in einem. Ein solcher Herr, Anbeter und Schöpfer zugleich — hat Svend
leuron sein Tagebuch geschrieben.
N: „IE KALB ERZOGEN WURDE, deutsch von Hermann Kiy.
Tr. M 3.—, Lwd. geb. M 4.20
| 1ägliche Rundschau: Es ist eine Tiergeschichte aus dem Kopenhagener Wildpark,
SZ von dem ersten Lebensjahr eines jungen Hirschkalbes erzählt, voll Liebe zu der freien,
Ngebändigten Natur, die noch nicht in Menschenhände gefallen ist. Hier, in dem Gehege,
Irdl die ursprüngliche Tiernatur durch die Berührung mit den zweibeinigen Wesen bald
rdorben. Nur wenige bewahren sich in ihrem Blute einen Tropfen ihrer schönen stolzen
Aldheit. Eine von diesen ist Kalbs Mutter, und Fleuron berichtet, wie die Hindin ihr
1 unges vor den Menschen birgt. Ein tiefes, geschwisterliches Verständnis für die Natur
| Fıcht aus diesem Buche. Fleuron kommt nicht mehr von außen an das eben von Wald
MA Wild heran, nicht als beschreibender Naturgenießer — er schlupft vielmehr ins Innere
NEE Waldgeschöpfe, läuft mit ihnen durch Busch, Wiese und Moor, fliegt durch die Baum-
eiel, kriegt über den Erdboden hin und sieht so aus den verschiedensten Situationen den
| x
\
ildpark undsein Menschenpublikuman. „Man denktan Francis Jammes franziskanischen
enroman«,‘*
N | | Digitized.by Google
ch =
GEORG MISCH, EB Geist des Krieges und des deutschen Volke
Barbarei. br. M — BEN
Für die Deutschen ist Macht nicht brutales Faktum, sondern Träger schöpferischen Le ehens 15
DIEDRICH BISCHOFF, Deutsche Gesinnung br. M—.80
ÜberallePartei-, Berufs- andähnliche Schranken hinweg sollen diebesten opt MER Ei:
Gemeinschaft des deutschen Idealismus suchen und den Schatz deutscher Gesinnungbewz Ihren.
MUNIN, Österreich nach dem Kriege, br. M=,00 m mE
Schaffungvierselbständiger Staaten innerhalb der Monarchie, von denen einerreinde tsch schist, |
GEORGDOST, Paulde Lagardes nationale Religion. br. Ma oo
„Deutschlandstehtentweder voreinem neuen Anfang oder vor dem Untergang“, sagtL ‚agarde. |
Daher erhebt er die Forderung einer Religion und Vaterland verbindenden gemeinsamen = I
FRIEDRICH GOGARTEN, Religion und Volkstum. br. M=80. |
G.zeichnetinNachfolgeFichtesundLagardeseinfreiprotestantisches Christentum derZu inte
HEINZ POTTHOFF, Krieg und Sozialpolitik. br. M—.80, mal
Aufdas Jahrhundert der Menschenvernichtung mußein solches der Menschenökonomief olgen. |
re en a rn E |
EUROPÄISCHE IDEEN. Kriegsdenkschrift des österreichischen | |
Reichsvereins. br. M —.30 Z Sa Be |
Als Voraussetzung einer staatsrechtlichen Reform wird eine EHNSCHZROTNISeheN sa >
JOSEPH HENGESBACH, Frankreich in seinem Gesellschaftszung
Staatsleben. br. M 1ı.—
Ein Mann, der lange in Frankreich gelebt hat, teilteine Fülle interessanter Tatsachen re
#2
sieht die Zukunft Frankreichsin einer Auseinandersetzung des Sozialismusmit der Bonrgeoih
H.F.BLUNCK, Belgien und die niederdeutsche Frage. br. M60
Eine anschauliche Orlenlierane über den Kampf der Vlamen um ihre Sprache und Kultur
E.EVERTH,VonderSeeledesSoldaten im Felde. 20. Taus.br.M 8
Professor Delbrück: Keine Spur von Phrase, weder patriotischer noch militärischer @]
sondern der Ernst der furchtbaren Wirklichkeit des Krieges.
HERMANN ULLMANN, Die Bestimmung.der Deutschent in Mitte
europa. br. M —,80 2
Eine Begründung der Ideenwelt, warım Deutschlands Aufgabe ii in der Kolonisation des
Ostens liegt und daher eine wertvolle Ergänzung zu Naumanns Mitteleuropa. er.
>;
DER TOD FÜRS VATERLAND. Zwei Reden aus Antike und
Gegenwart. br. M —.60 BEN
DieberühmteTotenklagedesPerikles u.modernesreligiösesEmpfinden sindgere et €
G. W.SCHIELE, Wirkung der Höchstpreise. 6. Taus. br.M 50 ze
Eine Reihe mitgetellter wichti ger Tatsachen aus derf ranzösischen Revolution, diez m
H. HERRIGEL, Volksbildung und Volksbibliothek. br. Te
Die Volksbibliotheken haben nicht zwecklose Vielleserei zu fördern, sondern müssen ! Heel
Leser zur Persönlichkeitsbildung führen und damit zur Fähigkeit, Werturteile”: zu treffen en.
Neu erschienen:
DIEDRICH BISCHOFF, Religion und rear br. M —
ELSEHILDEBRANDT,Arbeiterbildungsfragenim ee
land. br. M:—.80 |
MAX MAURENBRECHER, Neue Staatsgesinnung. br. a 50 |
MATHIAS MEYER, Das Zölibat der Lehrerin. br. M I
Ei -»
nn
EUGEN DIEDERICHS VERLAG IN JEN A ze |
> - PILZ a
Fe we: Ds
a
Digitized by Googl
_ Di: . >
N} in
“ P .
.-
-
.®. u
| a
enge —
I ge au
= -. a
5 .
-
in. mm:
U)
.
. 3
.
a}
[3
This book should be returned to
the Library on or before the last date
stamped below.
A fine of five cents a day is incurred
by retaining it beyond the specified
time.
Please return promptly.
> 1 2) I, ns
’ wr - 2 7 ern ah a an. er hi 4 u " “r e [ER WELLE I RAT ae et f} [E25 er Pr . 2 . z A N var - nt Is 2 2 “ ku > wi > ne q = .—. . .— —.— ee Kncın »
a N ee Dee Eee EEE TERN ALIEN LE SZERESENT TEE TEST TEE ER EL EET
# * n . | an ee I 1 WE E . . e wu. mm o rs in ee arg u nz in . —. ch ie an ne ann 4 u a nn bie
° - = ? i mi “nr . 5
=
wer
vr UN A
u DT Ne u u nr PN u AT ET nn
. „_ 4“